Diesmal ist Carolin Morgenstern mein Interviewgast. Sie erhielt im Januar 2022 mit über 50 Jahren die Diagnose Multiple Sklerose während sie sich in ihrer Ausbildung zur Podologin befand. Trotzdem entschied sie sich für die Selbstständigkeit und unterrichtet mittlerweile auch als Dozentin andere angehende Podologen.
Wir sprechen über ihr bisheriges Leben, ihren Umgang mit der Erkrankung und ihre Hobbies zu denen Sport, Reisen und Fotografieren zählen.
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Inhaltsverzeichnis
Vorstellung
Ich bin Carolin Morgenstern, geb. in Freiberg/Sachsen, aufgewachsen in der DDR, floh ich 1989 in die BRD. Mittlerweile bin ich 55 Jahre, lebe mit meiner 14-jährigen Tochter und meinem Freund am Rande von Krefeld.
Meine Hauptleidenschaft und mein jetziger Fokus liegen auf meiner podologischen Praxis PODOKREFELD (Praxis für Fußheilkunde und Fußtherapie), die ich im November 2022 eröffnet habe.
Ich bin gelernte MTA-Labor (medizinisch-technische Laborassistentin) und habe in dem Bereich über 20 Jahre Erfahrungen in verschiedenen Laboratorien gesammelt (angefangen vom Krankenhauslabor, Mikrobiologie, Lebensmittelanalytik, veterinärmedizinische Pathologie, Histologie).
Von 2020-2022 absolvierte ich eine Ausbildung zur Podologin, die ich mit dem Staatsexamen abgeschlossen habe. Gleichzeitig bin ich an dieser Schule, an der Kaiserswerther Diakonie in Düsseldorf, als Dozentin für Podologie tätig.
Hobbies
Durch meinen Freund bin ich zum Rennradfahren gekommen – eine Alternative, wenn es bei mir nicht so mit dem Laufen klappt und die einen Suchtfaktor auf Grund des Geschwindigkeitsrausches hat. Genauso wie Skifahren zählt das zu meinen Leidenschaften. Ich hoffe, dass ich bald wieder wandern und Klettersteige gehen kann, wenn die Kraft und Stabilität im Bein es wieder konstant zulässt.
Genauso bin ich kreativ – ich male, zeichne, gestalte, denn vorher war ich im Familienunternehmen im Kunsthandhandwerk / künstlerische Glasveredelung und Glasätzen u.a. als Grafikerin, in der Produktion und in der eigenen Ausstellung / Ladenlokal 16 Jahre tätig.
Diagnose und aktueller Status
Wann erhieltest du die Diagnose MS und was war der Anlass dafür?
Meine Diagnose habe ich im Januar 2022 erhalten. Im Sommer 2021, mitten im Praktikum in der Ausbildung zur Podologin habe ich Ausfälle im Bein bekommen. Ich konnte es nicht mehr anheben und nächtliche Schlafstörungen, Sensibilitätsstörungen, Schmerzen und blitzartige Einschüsse, plötzliche Müdigkeitsanfälle machten mir das Leben zur Hölle.
Die Neurologin diagnostizierte mir eine Polyneuropathie mit dem Hinweis zur weiteren Möglichkeit der Differentialdiagnostik im stationären Aufenthalt. Dazu hatte ich natürlich gar keine Zeit, da ich mitten in der Ausbildung war. Auf Grund der vielen ärztlichen Kontakte während des Praktikums im Krankenhaus gelangte ich nun doch zur Überzeugung, dass eine stationäre Diagnostik unumgänglich ist, denn die Symptome wurden immer intensiver.
Ich unterzog mich allen Untersuchungen und hatte unglücklicherweise auch noch ein Lecksyndrom nach der Lumbalpunktion, dass mich zwei Wochen mit starken Kopfschmerzen und Übelkeit ans Bett fesselte.
Der Chefarzt übermittelte mir nach dem stationären Aufenthalt die Diagnose in einem persönlichen Gespräch.
Hattest du bereits vorher Symptome, die du rückblickend mit der MS zu tun hatten?
Ja, hatte ich. Mit meinem jetzigen Wissen, weiß ich um die Symptome und die waren bei mir mindestens schon 7 Jahre früher da. Ich bin gewohnt, über meine Belastungsgrenzen (durch die Arbeit in der Selbstständigkeit) hinaus zu gehen und einfach weiter zu machen. Irgendwann war es dann meinem Körper doch zu viel.
Symptome waren: myofasziale Schmerzen am ganzen Körper, Fatigue, zeitweise Depressionen, Uhthoff-Phänomen, Lupus im Gesicht.
Wie hast du die Diagnose aufgefasst und wie war es für deine Liebsten?
Es war ein totaler Schock, weil für mich eine Welt zusammenbrach: Ich hatte Pläne nach der der Ausbildung eine große podologische Praxis zu eröffnen. Die Nichtplanbarkeit über mögliche Ausfälle machten mich verrückt und ich war am Boden zerstört.
Der zweite Gedanke war, wie gelange ich an Wissen? Ich nahm Kontakt mit der DMSG Düsseldorf auf. Frau Dr. Schipper dort war eine wichtige Ansprechpartnerin. Ich brauchte jemanden, der mich fachlich auffängt, und habe sofort psychotherapeutische Hilfe in Anspruch genommen. Ebenso habe ich Kontakt zur Berliner Charité (dort nehme ich an einer Studie teil) und zur Uniklinik Düsseldorf (jetzt: Mitbehandlung) aufgenommen.
Die Liebsten habe das Liebevollste getan, mich einfach in den Arm genommen und getröstet und alle Unterstützung der Welt angeboten.
Wurden dir zu Beginn verlaufsmodifizierende Therapien empfohlen und wie hast du dich entschieden?
Ja, das wurde mir. Ich habe mich erst einmal dagegen entschieden. Auf Grund meiner nicht nur medizinischen Erfahrungen gibt es immer verschiedene Aspekte. Und ich musste zuerst selbst Wissen über die Erkrankung erfahren, um mir eine Meinung zu bilden, um Therapieerfolg und Nebenwirkungen abzuwägen (Risiko/Nutzen).
Hast du bereits einen Therapiewechsel hinter dir und wenn ja, was war der Anlass dafür?
Nein.
Nutzt du symptomatische Therapieangebote? Wenn ja, welche?
Natürlich, denn irgendwie möchte man die Schmerzen wieder los sein. Im Notfall nehme ich schon Schmerzmedikamente. Für mich ist aber wichtig, warum habe ich die Schmerzen: Habe ich gerade diese Woche kein Yoga gemacht – bin ich deshalb so steif?
Ein absolutes Erfolgserlebnis hatte ich mit der Einnahme von CBD-Öl mit Kurkumin, das mir geholfen hat, meine Schlafstörungen in der Nacht und die damit verbundenen Sensibilitätsstörungen und Schmerzen zu eliminieren.
[Anmerkung Nele: Nahrungsergänzungsmittel wie CBD-Öl fallen unter Nahrungsmittel. Sie dürfen weder arzneilich wirksam sein noch den Eindruck eines Arzneimittels erwecken. Vor dem ersten Inverkehrbringen von Nahrungsergänzungsmitteln findet keine Prüfung oder Genehmigung durch eine Behörde statt. Mehr dazu beim Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit.]
Weiterhin meditiere ich, mache funktionelles Training, Crossfit, betreibe Sozialhygiene und ich supplementiere meine Ernährung, die zu 80% antientzündlich ist.
Das Krönchen war jetzt noch ein persönliches Coaching über antientzündliche Ernährung und Lebensführung.
Wie hast du nach der Diagnose deinen Lebensstil angepasst?
Durch die Auseinandersetzung mit dem Geschehen in meinem Körper hat automatisch eine Veränderung stattgefunden. Ich habe den Fokus auf das gelegt, was mir wichtig ist und was mir gut. Eine Art mehr Selbstachtung / Selbstwertschätzung ist entstanden. Dumme Bemerkungen über meine MS oder Respektlosigkeit durch Unwissenheit musste ich erst einmal akzeptieren lernen. Ich meine damit, dass meine Gesundheit in diesem Leben äußerste Priorität hat. Denn wenn es mir schlecht geht, hat das Auswirkungen auf das gesamte Umfeld. Deshalb pflege und behüte ich mich, damit es allen gut geht!
Wie blickst du auf Deine Zukunft und haben sich deine beruflichen und privaten Pläne verändert?
Ich blicke sehr positiv auf meine Zukunft, da ich mich durch einen anstrengenden, nicht gerade einfachen Prozess gezwängt habe. Es wurde mir klar, dass ich mein Lebens- und Arbeitstempo selbstbestimmen muss. Nach meiner Diagnose war ich erst so resigniert, dass ich einen Antrag auf Erwerbsminderungsrente gestellt habe, den ich nun inzwischen wieder zurückgezogen habe.
Nach meinem Staatsexamen habe ich mir erst einmal eine Auszeit genommen, um festzustellen, zu welche Belastungsgrenzen ich überhaupt noch in der Lage bin im Berufsleben als Podologin tätig zu sein. Ich habe herausgefunden, dass ich meine therapeutische Arbeit am Patienten nur in einer eigenen Praxis ausüben kann, wo ich ohne Druck, Stress und mit Selbstverantwortung im Management arbeiten kann.
Was war dein tiefster Punkt mit der MS und wie hast du dich wieder rausgekämpft?
Der tiefste Punkt war nach der Diagnose. Herausgekämpft habe ich mich durch eine offensive Auseinandersetzung mit der Thematik. Sicherlich hilfreich waren mir dabei unbewusst meine ganzen Tiefpunkte im Leben gewesen, die mir gezeigt haben, dass es immer wieder vorangeht. Eine Fähigkeit, die sich der Mensch aneignet, um zu überleben.
Wie geht es dir aktuell mit der MS?
Zurzeit bin ich fast symptomfrei.
Sport, Reisen und Fotografieren
Wie wichtig ist dir Bewegung im Alltag und war das schon immer so?
Megawichtig! Ohne geht nicht! Ja, das war schon immer so. Wegen der Ausfälle durch der MS hatte ich zu starke Schmerzen und konnte zwischenzeitlich deshalb keinen Sport machen.
Welche Sportarten übst du regelmäßig aus und was gefällt dir daran besonders?
Yoga, funktionelles Training, Crossfit, Rennradfahren, Skifahren.
Merkst du einen Effekt auf MS-Symptome, wenn du Sport gemacht hast?
Ja. Absolut.
Was liebst du am Reisen und wie wählst du deine Reiseziele aus?
Gibt es Dinge, die du aufgrund der MS bei deiner Reiseplanung oder vor Ort anders angehst?
Ja, z.B. wegen des Uhthoff-Phänomen muss ich wegen der Hitze aufpassen. Wenn Hitze, dann immer nur mit Meer zum Abkühlen.
Welche Reiseziele willst du in den nächsten Jahren unbedingt sehen?
Thailand, Marrakesch, Alpenüberquerung.
Wünsche und Ziele
Hast du einen großen unerfüllten Wunsch?
Welche Entwicklung wünschst du dir im Bereich der MS in den kommenden 5 Jahren?
Die Sichtweisen der Mediziner sind oft pharmazeutisch ausgerichtet. Dabei wäre eine kausale Sichtweise sicherlich sinnvoll.
[Anmerkung Nele: In meinem Erleben sind sich die absolute Mehrzahl aller MS-Spezialisten über die vielfältigen Einflussfaktoren, die zur MS führen bewusst und beziehen dieses Wissen in ihre Arbeit ein, z.B. Empfehlungen zur gesunden Lebensweise.]
Die Diagnoseverkündung und anschließende Aufklärung sollte unbedingt vom Facharzt durchgeführt werden und eine anschließende Betreuung durch ein MS-Zentrum mit psychologischer Beratung erfolgen.
Blitzlicht-Runde
Was war der beste Ratschlag, den du jemals erhalten hast?
[Anmerkung Nele: Nahrungsergänzungsmittel gelten als Nahrungsmittel, dürfen weder arzneilich wirksam sein noch den Eindruck eines Arzneimittels erwecken.]
Wie lautet dein aktuelles Lebensmotto?
Mit welcher Person würdest du gern einmal ein Kamingespräch führen und zu welchem Thema?
Ich habe keine bestimmte Person. Mit allen neugierigen, offenen Menschen lässt sich immer ein schönes Kamingespräch, z.B. bei einem Glas Wein, führen.
Vervollständige den Satz: „Für mich ist die Multiple Sklerose... “
Welche Internet-Seite kannst du zum Thema MS empfehlen?
Welches Buch oder Hörbuch, das du kürzlich gelesen hast, kannst du uns empfehlen und worum geht es darin?
Zurzeit ist es Fachliteratur über Füße, Fußtherapie, Fußreflexzonenbehandlungen. Für die Allgemeinheit vielleicht nicht so interessant.
Verabschiedung
Hast du einen Tipp, den du deinem jüngeren Ich geben würdest, für den Zeitpunkt der Diagnose?
Möchtest du den Hörerinnen und Hörern noch etwas mit auf dem Weg geben?
Es ist wichtig, sich viele Meinungen anzuhören und zu lesen, um selbstbestimmt seinen Weg zu gehen.
Ich möchte den Menschen Mut machen und sagen, dass sich dieser Weg lohnt, trotz einer Diagnose MS und einer Schwerbehinderung, in die Selbständigkeit zu gehen.
Gerne stehe ich bei Fragen zur Verfügung.
Wo findet man dich im Internet?
Vielen Dank an Caro für ihre Perspektive auf das Leben mit MS und die Einblicke in ihren bisher rund einjährigen Weg seit der Diagnose.
Bis bald und mach das beste aus Deinem Leben,
Nele
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Hier findest Du eine Übersicht zu allen bisher interviewten MS-Patienten.
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