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#195: Escape the Unknown. Erlebe spielerisch die Vorteile anonym geteilter Gesundheitsdaten. Interview mit Annika und Jakob

Escape the Unknown – zu Deutsch dem Unbekannten entfliehen ist das Thema des heutigen Podcasts und Beitrags. Dabei geht es um das wichtige Thema Gesundheitsdaten und warum wir alle im Einzelnen und im großen Ganzen davon profitieren, wenn wir sie anonymisiert teilen.

Was meist recht trocken daherkommt, wird mittels des digitalen Escape Room “Escape the Unknown” in einem spannenden Spiel erlebbar gemacht.

Im Jahr 2065 tritt plötzlich eine Erkrankung des Auges auf, die immer weiter voranschreitet und wenn man sie nicht behandelt zur Erblindung führt. Doch dank der Auswertung anonymer Gesundheitsdaten kann die Ursache gefunden werden und die Krankheit gestoppt werden.

Im Interview spreche ich mit Annika Luczak und Dr. Jakob Schardt über die Entstehung und das Konzept von “Escape the Unknown”. Am konkreten Beispiel der Multiplen Sklerose zeigen sie auf, welche Bedeutung geteilte Gesundheitsdaten auf den Behandlungserfolg haben und wie Roche zur detaillierten Erfassung von Krankheitsgeschehen mithilfe von Floodlight MS beiträgt.

Diese Podcastfolge sowie der dazugehörige Blogbeitrag wurden durch die freundliche Unterstützung der Roche Pharma AG ermöglicht.

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Inhaltsverzeichnis

Vorstellung

Annika Luczak

Ich bin Medical und Produktmanagerin bei Roche für die Neuroimmunologie und habe im Rahmen meines Traineeprogramms das Projekt “Escape the Unknown” gemeinsam mit Jakob und dem Team vorangetrieben.

Private halte ich mich, wenn möglich, mehr unter Wasser auf, da ich sehr gern tauche.

Dr. Jakob Schardt

Ich bin Jakob, komme gebürtig aus München und wohne seit drei Jahren in Grenzach-Wyhlen, das in der Nähe von Basel auf deutscher Seite liegt. Bei Roche arbeite ich im Bereich Medical Affairs.

In meiner Freizeit spiele ich sehr gern Gitarre, bin mit dem Rad unterwegs, lese und spiele sowohl Brettspiele als auch Escape Rooms oder auf der Playstation.

Hintergrund und Spielkonzept von Escape the Unknown

Wie entstand die Idee einen Online-Escape Room zu erstellen, der aufzeigt, dass anonymisierte Gesundheitsdaten dabei helfen können, eine Krankheit schneller ursächlich zu behandeln?

Die Idee stammt aus dem Frühjahr 2021. Wir beide waren damals noch Trainees bei Roche und haben an einem zweitägigen Hackathon teilgenommen: Dabei haben Projektteams sich zwei Tage intensiv mit einem bestimmten Problem beschäftigt und am Schluss ihre erarbeitete Lösung präsentiert. Unser Team hatte folgende Aufgabenstellung: Auf der einen Seite bieten Gesundheitsdaten einen extrem hohen Wert für das Gesundheitssystem und für Forschung & Entwicklung, auf der anderen Seite herrscht in der breiten Bevölkerung oftmals Skepsis beim Thema “Gesundheitsdaten teilen”. Darum sollten wir eine Lösung erarbeiten, wie man das Bewusstsein für den Nutzen von Gesundheitsdaten in der breiten Bevölkerung erhöhen und Skepsis reduzieren kann.

Wir wollten damals nicht bloß eine langweilige Aufklärungskampagne starten, indem wir eine Webseite mit vielen Infos erstellen, die sich kaum jemand durchliest, sondern wir wollten etwas Innovatives wagen und neue Methoden der Wissensvermittlung ausprobieren. Da einige unserer Teammitglieder große Escape Room Fans sind, kamen wir auf die Idee, einen Escape Room zum Thema Gesundheitsdaten zu entwerfen und so spielerisch über dieses Thema aufzuklären. Da wir noch mitten in der Pandemie waren, haben wir uns für einen virtuellen Escape Room entschieden.

In welchem Setting findet die Mission statt und welche Charaktere sind Teil des Spiels?

Wir befinden uns im Jahr 2065. In dieser nicht allzu fernen Zukunft ist der Mond bereits besiedelt und es werden seit Jahrzehnten Gesundheitsdaten koordiniert, gesammelt und ausgewertet, um Krankheiten besser zu verstehen und Menschen schneller zu heilen.

Das Spiel startet damit, dass eine mysteriöse Augenkrankheit ausgebrochen ist.

Dabei berichten Patienten aus aller Welt über eine verfärbte Iris und fortschreitende Symptome wie Schwindel, Übelkeit, Einschränkungen des Sichtfeldes. Es melden sich auch bereits Menschen, die ihre Sehkraft komplett verloren haben. Als Teil der Moonside Squad, eine fiktive Organisation, die weltweit auftretende Gesundheitsphänomene untersucht, löst du als Spieler auf der Mondbasis Lunapolis knifflige Rätsel. Gerade als du anfängst, dich in Lunapolis zurechtzufinden, wird auch bei deinem Teammitglied Alex das Spektralsyndrom diagnostiziert und er könnte erblinden.

Ab jetzt zählt jede Sekunde. Mithilfe von Gesundheitsdaten müssen du und dein Team – bestehend aus Spezialisten im Bereich Medizin, Wissenschaft und digitale Gesundheit – so schnell wie möglich die richtige Therapie entwickeln. Dabei hilft dir der ständige Austausch mit Alex, der dir als Betroffener wichtige Hinweise zum Krankheitsverlauf mitteilt.

Wie viele Aufgaben muss man lösen, bevor die Mission erfolgreich zum Ende kommt?

Es gibt insgesamt 11 Rätsel, die du im Laufe des Spieles lösen musst. Alle Rätsel drehen sich dabei um das Thema Gesundheitsdaten und vermitteln spielerisch relevantes Wissen rund um die Themen Gesundheitsdaten, frühe Diagnostik, Künstliche Intelligenz, personalisierte Medizin und noch vieles mehr. Im Spiel brauchst du für die Lösungen vor allem eines: Daten. Bei der Entwicklung der Rätsel und auch der Story des Escape Rooms sind viele eigene Ideen eingeflossen, denn uns war es wichtig, die Geschichte und die Rätsel möglichst nahbar zu machen.

Die Story haben wir mehrfach umgedacht, um ein gutes Mittelmaß zwischen ferner Zukunft und Realität zu finden. Zusammen mit der Kreativagentur Kurvenkratzer auf jedes einzelne Grafikelement Wert gelegt und auch persönliche Geschichten verarbeitet. Beispielsweise gab es bei mir eine Uni-Gruppe mit dem Namen “Psychotria Ipecacuanha”, diese findet sich nun in Form einer Pflanze wieder! Die unterschiedlichen Charaktere im Spiel haben bekannte Würdenträger aus Wissenschaft und Politik als Vorbilder, was man auch in deren Beschreibung nachlesen kann.

Man kann also absolut sagen, dass wir jede Spielerin und jeden Spieler auf eine Reise einladen, die unser ganzes Herzblut und sehr persönliche Elemente von jedem Einzelnen von uns beinhaltet.

Am Ende gibt es dann auch noch einen kleinen Videobeitrag von uns.

Was passiert, wenn man bei einer Aufgabe nicht weiterweiß?

Im Spiel unterstützt dich ein kleiner Roboter, genannt Assistent A, der pro Rätsel bis zu drei Hinweise für dich bereithält, falls du mal nicht sofort weiter weißt. Der letzte Hinweis ist dabei immer die Lösung der Aufgabe, so dass kein Spieler stecken bleibt.

Was war euch bei der Umsetzung besonders wichtig?

Unser Wunsch war es, dass durch das Spiel der Nutzen von Gesundheitsdaten greifbar, real und erlebbar gemacht wird und jeder den Mehrwert für sich selbst und die Gesellschaft erkennt und wahrnimmt und sich denkt „Hey, es kann so einfach sein“. Und dieses Wissen sollte auf eine unterhaltsame und interaktive Methode transferiert werden. Das Spiel und der Spaß am Rätseln sollten im Vordergrund stehen.

Wir wollen Personen erreichen, die Freude am Spiel haben. Das Alter oder der Hintergrund sind dabei zweitrangig. Wir wollen alte wie junge Menschen ansprechen, gesunde und erkrankte Personen, Escape Room Fans, Gamer, Schüler:innen, Studenten:innen, gesundheitsinteressierte Personen.
Als Mindestalter haben wir 16 Jahre angegeben, sehr viel jünger sollte man nicht sein. Nach oben hin ist das Alter natürlich unbegrenzt.

Für wen ist das Spiel geeignet und welche Fähigkeiten werden benötigt?

Für beginnende, fortgeschrittene und eingefleischte Escape-Room-Fans ab 16 Jahren, für Einzelpersonen und Mehrspieler:innen, für Rätselnerds, interessierte und Wissenshungrige, die mehr über den Nutzen von Gesundheitsdaten wissen wollen. Für Kolleg:innen, Chef:innen, Mitschüler:innen, den Freundeskreis und die Familie. Und für alle, die ein gutes Game genauso lieben wie wir!

Was braucht man: Spaß am Rätseln, Neugier, die Lust herumprobieren und um die Ecke zu denken.

Wie kann man Escape the Unknown spielen?

Es handelt sich um einen web-basierten, kostenlosen Escape Room, d. h., ihr braucht nur einen Desktop-PC oder Laptop und könnt dann über https://www.escape-the-unknown.de/ loslegen. Es hat sich Googles Chrome als verlässlichster Browser erwiesen. Der Escape Room funktioniert aber auch auf allen anderen gängigen Browsern (Firefox, Safari, Edge, etc.).

Achte nur darauf, dass der Bildausschnitt auf 100% gestellt ist. Bei zu viel Zoom kann es zu einer Fehlermeldung kommen.

Es wird keine Anmeldung oder Registrierung benötigt.

Man kann alleine oder im Team spielen. Damit ihr als Squad ins Jahr 2065 reisen könnt, solltet ihr entweder alle vor dem gleichen Bildschirm sitzen oder Euch über einen Kommunikationskanal eurer Wahl abgleichen. Startet dazu den Escape Room gleichzeitig in euren Browsern und nutzt WhatsApp, Zoom, Skype, MS Teams, Google Hangouts, etc. Viele dieser Tools lassen auch das Teilen von Bildschirmen zu. So hat nur ein Teammitglied die Klickarbeit.

Warum habt ihr Erblindung als Endstadium der fiktiven Erkrankung ausgewählt?

Wir haben uns bewusst für eine fiktive, nicht ansteckende Erkrankung entschieden. Wir sind der Meinung, dass es nicht der richtige Zeitpunkt ist, ein pandemisches Setting als Teil unseres Spiels aufzunehmen. Gleichzeitig war uns wichtig, dass wir unseren Ansatz – spielerisch über den Wert und Nutzen von Gesundheitsdaten aufzuklären – anhand einer fiktiven Erkrankung erlebbar machen.

Außerdem wollten wir eine Erkrankung abbilden, die man für das Spiel visuell aufbereiten kann – hier die Iris. Was wir sagen wollen, ist: Grundsätzlich ist die Erkrankung zweitrangig, da es uns um den Wert von Gesundheitsdaten und den Nutzen für jede und jeden einzelnen von uns geht. Das Endstadium, Erblindung, ist also weniger wichtig, als vielmehr den Progress einer Krankheit mit schwerwiegendem Verlauf darzustellen und wie man mit Gesundheitsdaten diesen Verlauf beeinflussen kann. (Er hätte genauso gut bunte Ohren sein können).

Wie sieht der Ist-Stand zum Teilen anonymisierter Patientendaten im deutschsprachigen Raum aus? Und welche Hemmnisse ergeben sich daraus?

Gesundheitsdaten zu teilen und für Forschung & Entwicklung zu verwenden hat viele Vorteile. Allerdings wissen viele Menschen nur wenig über diese Vorteile.

Außerdem gibt es viel Skepsis im Bezug auf Datenschutz. Dabei hat die Forschung vor allem Interesse an anonymisierten Gesundheitsdaten.

Anonymisierte Daten sind so veränderte Daten, dass eine Identifikation der dahinterstehenden Person verhindert oder praktisch unmöglich gemacht wird.

Hier muss Aufklärung betrieben werden, so dass jede Person für sich entscheiden kann, ob er seine Gesundheitsdaten teilen will oder nicht. Auch die strukturellen Voraussetzungen sind in Deutschland nicht optimal. So gibt es zwar bereits seit 2021 die elektronische Patientenakte ePA für gesetzlich Versicherte, aber viele wissen nichts von diesem Angebot der Krankenkassen. Bislang hat weniger als ein Prozent der 74 Millionen gesetzlich Versicherten in Deutschland eine ePA.

Außerdem gibt es zwar eine Vielzahl verschiedener Datenquellen neben der EPA im Gesundheitssystem, die für die wissenschaftliche Forschung sowie für die Versorgungsforschung von großem Nutzen sein können. Allerdings sind diese Daten oft nicht strukturiert und standardisiert erfasst. Deshalb ist es wichtig, dass in Deutschland zeitnah die rechtlichen und infrastrukturellen Voraussetzungen für die wissenschaftliche Nutzung solcher Datensätze geschaffen werden.

Wen wollt ihr mit dem Spiel ansprechen und welche Botschaft sollen die Spielenden mitnehmen?

Ein Kollege von uns hat einmal gesagt: “Die Diskussion über den Wert von Gesundheitsdaten wird solange akademisch bleiben, bis wir es schaffen Raum für Gesundheitsdaten zu bereiten, um dieses Thema auf die Straße zu bringen”… Wir denken, dass wir mit unserem digitalen Escape Room einen Beitrag dazu leisten können, das Thema auf die Straße zu bringen! Der Escape Room ist unser Versuch, die Einstiegsbarriere in dieses sehr komplexe Thema zu senken und spielerisch “Lust auf mehr zu machen”, ohne dass man sich zunächst durch viele Webseiten durchklicken oder komplexe Texte lesen muss.

Uns war es besonders wichtig, die folgenden Botschaften zu vermitteln:

  • Viele Daten(punkte) bedeuten eine präzisere Diagnose für Dich – je mehr ein behandelnder Arzt oder Ärztin über deinen individuellen Gesundheitszustand weiß, desto passgenauer kann deine Therapie erfolgen oder desto besser können auch individualisierte Therapien erforscht werden.
  • Deine Daten sind sicher – uns ist wichtig, dass jede und jeder Einzelne versteht, dass wir genau wissen, dass Gesundheitsdaten ein sehr sensibles Thema ist. Umso wichtiger ist es, dass durch die ePA ein Raum geschaffen wird, in dem Daten wirklich sicher sind. Die Daten der ePA werden verschlüsselt abgelegt. Niemand außer der oder dem Versicherten und denjenigen, die von diesen zum Zugriff berechtigt wurden, können die Inhalte lesen.
  • Die richtige Therapie für dich zur richtigen Zeit – jede Erkrankung hat unterschiedliche Merkmale und jede(r) Patient:in ist individuell. Darum ist es wichtig, eine Therapie zu finden, die zu der eigenen Erkrankung passt und auch die persönliche Krankheitsgeschichte, Lebensstil und Lebenssituation berücksichtigt.
  • Gesundheitsdaten können deinen Alltag erleichtern – Du hast schnell und einfach einen Überblick über deine Gesundheitsdaten und sparst Zeit: So werden doppelte Untersuchungen oder lange Anamnese-Vorgespräche vermieden und außerdem erhältst du eine schnellere Hilfe im Krankheits- oder Notfall dadurch dass deine Gesundheitsdaten schnell verfügbar sind.
  • Je früher du damit beginnst, deine Daten zu sammeln (und zu teilen), desto besser – so sollte man nicht erst damit beginnen, Gesundheitsdaten zu sammeln und teilen, wenn man erkrankt ist, sondern bereits wenn man gesund ist. Die Engländer nutzen dazu den schönen Ausdruck: “Von der Wiege bis zur Bahre”, d.h. eine möglichst lückenlose Gesundheitsakte von Geburt bis Tod ermöglicht es, Veränderungen zum Normalzustand zu erkennen und zu analysieren.

Wo findet man Escape the Unknown?

www.escape-the-unknown.de – funktioniert auch mit .at, .ch, .com für Hörerinnen und Hörer aus Österreich und der Schweiz.
www.escape-the-unknown.at, www.escape-the-unknown.ch, www.escape-the-unknown.com

Bedeutung von Gesundheitsdaten für den Behandlungserfolg am Beispiel Multiple Sklerose

Wie wichtig sind anonymisierte Patientendaten, um komplexe Erkrankungen wie Multiple Sklerose immer besser behandeln zu können und neue Therapien zu entwickeln?

Patientendaten anonymisiert zu teilen und für die Forschung zu nutzen, bringt Vorteile. Wenn mehr Gesundheitsdaten für die Forschung zur Verfügung stehen, können sich schnellere Diagnose-Wege finden oder auch potentiell neue Ansätze für Therapien feststellen lassen. Gesundheitsdaten umfassen dabei Informationen zum aktuellen Gesundheitszustand und zur Krankengeschichte, wie die Entwicklung der Symptome im zeitlichen Verlauf. Apps und Wearables helfen dabei, Gesundheitsdaten im Alltag (sog. Real World Data) zu erfassen.

Was sind sogenannte Real-World-Data, also Daten die zum Beispiel von MS-Patienten außerhalb von Studien erhoben werden und warum sind sie so wichtig?

Unter dem Begriff der Real World Data werden Daten zum Gesundheitszustand zusammengefasst, die in der medizinischen Versorgung erhoben werden, wie z.B. Informationen aus Krankheitsregistern, Patientenakten und auch Daten, die über Apps oder Wearables erfasst werden. Diese Daten bilden den realen Behandlungsalltag ab und unterscheiden sich somit von Daten, die im Rahmen klinischer Studien unter kontrollierten Bedingungen erhoben werden.

Dieser Wissensschatz bietet für die Forschung ein hohes Potential. Die Analyse von RW Data kann dazu beitragen, den medizinischen Fortschritt und die Patientenversorgung effektiver und individueller zu gestalten. Denn mit jedem Datensatz wird unser Bild von der Erkrankung schärfer, es ergeben sich neue Ansatzpunkte für die Entwicklung von Therapien. Sie können dazu beitragen, dass mehr MS-Patient:innen die Behandlung erhalten, die optimal an ihre Krankheits- und Lebenssituation angepasst ist – was insbesondere bei der MS, der Erkrankung der 1000 Gesichter, sinnvoll ist. Wir können von jeder/m einzelnen Patient:in dazulernen und mehr verstehen, wie wir sie besser Behandeln und in Zukunft Erkrankungen wie MS möglicherweise gar verhindern können.

Quelle: https://www.roche.de/innovation/digitalisierung/real-world-data

Warum ist es sinnvoll MS-Symptome im Verlauf zu messen und diese mit den durchgeführten Aktivitäten abzugleichen, wie Fitnessdaten und Schlafverhalten sowie motorische und kognitive Fähigkeiten zu messen?

Multiple Sklerose schreitet unabhängig von Schüben unbemerkt fort und kann dauerhaft Schäden verursachen. Die Zunahme oder Verschlechterung der Behinderung bei der MS nennt man Progression. Heute weiß man, dass Schübe nur die Spitze des Eisbergs darstellen, deswegen sind regelmäßige Kontrollen wichtig, um zu überprüfen, ob die MS voranschreitet. Nur so kann bei Zeichen von Krankheitsaktivität die Behandlung angepasst und die Progression gebremst werden. MRT-Untersuchungen und klinische Tests bieten hilfreiche Einblicke.

Aber auch in der Zeit zwischen den Routine-Besuchen bei Ärzt:innen ist es sinnvoll, als Patient:in selbst Symptome zum individuellen Verlauf der MS zu sammeln. Diese Daten ermöglichen Ärzt:innen im Verlauf zu sehen, wie sich Symptome unter bestimmten Bedingungen verändern und wie sich Funktionen im Alltag entwickeln. Auf diese Weise können sich auch schleichende Veränderungen frühzeitig erkennen lassen. Da die MS eine chronische fortschreitende Erkrankung ist, ist es wichtig, das Bewusstsein für die schleichende Veränderung und das Auftreten von Symptomen zu schärfen.

Wie profitieren MS-Patienten im hier und jetzt davon, wenn sie ihre Symptome, Fitnessdaten und Testergebnisse erfassen und wie tragen die anonymisiert geteilten Daten dazu bei in Zukunft bessere Behandlungsoptionen zu ermöglichen?

Die Dokumentation ihrer Symptome mit Hilfe von Apps oder Wearables kann dazu beitragen, dass Patienten ihre MS-Erkrankung besser verstehen, und sie einen bewussteren Umgang mit ihrer Erkrankung lernen.

Zudem können Patient:innen sich mit ihren Daten aktiv in ihr Krankheitsmanagement einbringen. Denn häufig bleiben Messungen zu den Auswirkungen von Multipler Sklerose auf wenige ärztliche Besuche im Jahr beschränkt. Es sind also nur Momentaufnahmen. So kann es sein, dass subtile Veränderungen erst Monate nach dem erstmaligen Auftreten vom Arzt gesehen werden. Apps und Wearables bieten Patient:innen die Möglichkeit, ihre Symptome im Alltag – zwischen den Arztbesuchen – zu protokollieren. Wenn der Patient diese Daten mit seinem Behandlungsteam teilt und mit seinem Arzt bespricht, bietet das die Chance, seine Behandlung auf seinen individuellen Verlauf anzupassen und langfristig Behinderung zu vermeiden. Voraussetzung dafür sind die frühzeitige Wahrnehmung von Veränderungen und eventuell eine Anpassung der Behandlung, auch wenn der Patient:in selbst diese Symptome noch nicht verspürt.

Gleichzeitig wächst mit jedem anonym geteilten Datensatz auch unser Wissen über Multiple Sklerose: Je mehr Daten zusammenlaufen, desto klarer wird das Bild von Krankheitsverläufen. Und daraus ergeben sich dann möglicherweise in der Forschung auch Ansätze für die Entwicklung neuer Behandlungsstrategien.

Könnt ihr ein Beispiel aus dem realen Leben nennen, wo geteilte Gesundheitsdaten beim Verständnis von Zusammenhängen geholfen haben?

Wir kennen z.B. den Fall eines 36-jährigen Patienten mit RRMS (schubförmiger remittierender MS), der die Emendia MS App von NeuroSys nutzt. Diese App ermöglicht sowohl die Eingabe von subjektiv empfundenen Symptomen (Patient reported outcomes = PROs) wie z.B. Fatigue oder Blasenprobleme und ergänzend kann man über fünf sensorbasierte Tests (Floodlight MS von Roche) objektive Daten zu Hand- und Gehfunktion sowie Kognition erfassen.

Der Patient hatte mit der App-Nutzung einige Monate begonnen und erlebte kurz darauf einen Schub, der sich jedoch im vom Patienten angegebenen EDSS (Expanded Disability Status Scale) praktisch nicht widerspiegelte. Der Schub ließ sich aber mithilfe der Floodlight MS-Tests sowie weiterer digital dokumentierter Symptome zu Fatigue, Spastik, Gleichgewichts-/Koordinationsstörungen, Stimmung, Beeinträchtigung, Schmerz sowie Konzentrations- / Gedächtnisstörungen eindeutig verifizieren.

So konnte seine Neurologin Frau Dr. Rau, Neuropoint Ulm, auch eine Verschlechterung der Blasen- und Darmfunktion erkennen, über die der Patient nicht von sich aus beim Arztbesuch berichtet hatte. Das Beispiel zeigt, wie diese Daten u.a. bei der Anamnese und bei der Objektivierung des Schubverlaufs unterstützen können, als das dies allein auf Basis der vom Patienten genannten Symptome möglich gewesen wäre.

Quelle: SoPro aus Dt Ärzteblatt Therapie aktuell

Floodlight MS - ein Medizinprodukt für Menschen mit MS

Welche konkreten Daten kann man in Floodlight MS erfassen und wie erleichtern sie die Kommunikation mit dem behandelnden Neurologen?

Floodlight MS ist eine Smartphone-Anwendung, mit der Patient:innen ihre motorischen und kognitiven Fähigkeiten langfristig nachverfolgen und mit ihrem Behandlungsteam teilen können. Sie umfasst fünf Tests, die an die gängigen klinischen Funktionstests aus der Praxis angelehnt sind:

Handfunktion und -motorik

Tomate-zerquetschen-Test: Zerquetsche mit Daumen und Zeigefinger, so viele Tomaten wie möglich.

Formen-zeichnen-Test: Folge der Form mit Deinem Finger so schnell und genau wie möglich.

Gehfunktion

Kehrtwende-Test: Wechsel innerhalb von 60 Sekunden mindestens fünfmal die Richtung.

Zwei-Minuten-Geh-Test: Gehe 2 Minuten lang an einem flachen Ort, z.B. draußen Kognition.

Kognition

Kognitions-Test: Ordne so schnell wie möglich die richtige Zahl dem Symbol zu.

Die Anwendung kann den Ärzt:in und den Patient:in gemeinsam dabei unterstützen, die MS-Therapie auf ihren individuellen Krankheitsverlauf anzupassen, indem die Floodlight MS objektive Daten zum Krankheitsstatus Beisteuern.

Was war die Motivation von Roche die Floodlight Tests für MS-Patienten zu entwickeln?

Unser Ziel ist es, die Lebensqualität von Patienten zu verbessern und eine chronische Erkrankung wie MS zu jedem Zeitpunkt so gut und so individuell wie möglich behandeln zu können, um langfristige Behinderungen zu vermeiden.

Moderne Medikamente können den Krankheitsverlauf der MS aufhalten oder deutlich verlangsamen.
Voraussetzung hierfür ist die frühzeitige Wahrnehmung klinischer Veränderungen. Eine regelmäßige und systematische Kontrolle, um Ereignisse über den gesamten Krankheitsverlauf hinweg zu erfassen, ist in der Praxis jedoch eine Herausforderung, eine routinemäßige Untersuchung von motorischen und kognitiven Funktionen ist noch nicht überall Standard. Zudem können sich MS-Patient:innen an subtile Veränderungen meist schwer zurückerinnern.

Wir haben hier die Chance gesehen, mit Hilfe von sensorbasierten, objektiven Daten Einblicke in neurologische Funktionen zu bieten, die sonst unbeobachtet bleiben könnten. Floodlight MS ist auf einem Smartphone für Patient:innen im Alltag leicht zugänglich und die fünf Tests zu Hand- /Gehfunktion und Kognition können bei Therapieentscheidungen unterstützen, indem objektiv dokumentierte Sachverhalte beigesteuert werden.

Letztlich ist unsere Vision, MS-Progression messen und langfristig vorhersagen zu können.

Warum ist das Erfassen von Handfunktion, Gehfähigkeit und Kognition so wichtig, um die Aktivität der MS genau im Blick zu behalten?

Insbesondere in diesen drei Hauptfunktionen treten häufig Symptome bei MS auf.[1]

  • 25-80 % zeigten Beeinträchtigungen in der Gehfunktion
  • 30-60 % in der Handfunktion
  • 25-50 % in der Kognition

 

Dabei ist der Wert der regelmäßigen Durchführung solcher Tests für Patient:innen nicht zu unterschätzen: sie können nicht nur ihre individuelle Entwicklung von Motorik und Kognition selbst beobachten, sondern auch, – wenn sie die Daten mit ihrem Arzt teilen – diese wertvollen Einblicke in die Zeit zwischen den Besuchen bieten, da die Testergebnisse objektive Daten über Symptome liefern, an die sie sich beim Arztbesuch eventuell nicht erinnern können oder die sie nicht bemerkt haben.

[1] Quelle: Basierend auf Daten zur Prävalenz bereichsspezifischer Beeinträchtigungen in einer überwiegend behandelten MSKohorte aus NARCOMS, einem umfangreichen Register MS-Betroffener (N = 25.728) mit einer Krankheitsdauer von bis zu 30 Jahren 4 NARCOMS = Nordamerikanisches Forschungs Komitee für MS-Patientenregister (North American Research Committee on Multiple Sclerosis). Referenzen: 1. Linker RA, Chan A. Neurol Res Pract. 2019;1:5. 2. Cree BAC, et al. Ann Neurol. 2019;85:653-660. 3. Stankiewicz JM, Weiner HL. Neurol Neuroimmunol Neuroinflamm. 2019;7:e636. 4. Kister I, et al. Int J MS Care. 2013;15:146-156.

Wie wird der Datenschutz von Floodlight MS gewährleistet?

Floodlight MS erfüllt die Anforderungen der EU Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) für Informationen mit hohem Schutzbedarf. Roche erhält ausschließlich die von Floodlight MS generierten Daten, diese sind anonymisiert und aggregiert aus fünf Tests zur Visualisierung der Ergebnisse im Verlauf (z.B. 25 Tomaten gequetscht). Bevor Floodlight MS genutzt werden kann, muss der/die Anwender:in bestätigen, dass er die Datenschutzerklärung gelesen und verstanden hat und dieser zustimmt.

Roche verwendet die Floodlight-Daten nicht zu Marketingzwecken und wird diese Daten weder verkaufen noch in irgendeiner anderen Form an Dritte zu kommerziellen Zwecken weitergeben.

Alle Floodlight-Daten werden gemäß den geltenden Datenschutzbestimmungen (DSGVO-konform), nach angemessenen Sicherheitsstandards verschlüsselt, auf einem Server in Deutschland gespeichert.

Wer kann Floodlight MS nutzen? Welche Voraussetzungen muss der behandelnde Neurologe erfüllen, um die Daten erhalten zu können? Und wie kann man Floodlight MS erhalten?

Floodlight MS ist ein Medizinprodukt und als Modul in zwei Partner-Apps für alle MS-Patient:innen unabhängig von ihrer Therapie erhältlich: in Brisa® und Emendia® MS. Beide Apps sind kostenlos in den App Stores von Google und Apple erhältlich.

Brisa® ist ein Produkt der Temedica, eine App, die in Kooperation mit Roche entwickelt wurde. Emendia MS ist eine App der Firma NeuroSys. Dazu waren auch schon Elisa Ascherl in Folge 137 und Dr. Michael Lang in Folge 160 von NeuroSys hier im Podcast zu hören. 🙂

Alle MS-Patient:innen über 18 Jahren dürfen Floodlight MS nutzen. Aus regulatorischen Gründen benötigen MS-Patient:innen für Floodlight MS aber einen individuellen Freischaltcode von einem Arzt:in.

Das kann der behandelnde Neurolog:in sein oder ein anderer Ärzt.in. Diese/r kann unter www.floodlightms.de sehen, wie er online einen individuellen Patientencode generieren kann (z.B. mittels DocCheck-Login) und an seinen Patient:in weitergeben kann.

Für die FL-Ergebnisse benötigt der Arzt die Zustimmung des Patienten und die Ansicht des PDF-Exports der Verlaufsdaten aus der App. In der Emendia MS App sind die Daten zudem noch spiegelbildlich zur App in einem Arzt-Webportal einsehbar.

Was lerne ich als AnwenderIn über mich und meine MS durch die Anwendung von Floodlight MS in der Brisa App?

Patient:innen lernen die individuelle Entwicklung ihrer motorischen und kognitiven Funktionen besser kennen und können sich mit diesen Daten aktiv in ihr Krankheitsmanagement beim Ärzt:in Einbringen und im Dialog mit diesem die Behandlung optimal auf ihre Bedürfnisse abstimmen.

Blitzlichtrunde

Vervollständigt den Satz: „Für mich ist die Multiple Sklerose... “

… eine Krankheit mit 1000 Gesichtern. Die Erkrankung ist bei jedem Patienten unterschiedlich hinsichtlich Symptomen und Verlauf. Deswegen ist es umso wichtiger, mit Hilfe von Gesundheitsdaten auf die individuelle Erkrankung einer jeden Person eingehen zu können und mit den gesammelten Daten vieler Patienten hoffentlich neue Einblicke gewinnen zu können.

Welche Entwicklung beim Teilen von Gesundheitsdaten wünscht ihr euch in den kommenden 5 Jahren?

Ich wünsche mir, dass Deutschland bei dem Thema Gesundheitsdaten endlich Fortschritte macht und diesen “versunkenen Schatz” endlich an die Oberfläche Holt. Dadurch würden alle profitieren: Patient:innen, Kliniken und Arztpraxen, Forschungsinstitute, pharmazeutische und diagnostische Industrie sowie Krankenkassen.

Habt ihr noch Tipps, wo man sich mehr zum Thema Gesundheitsdaten und wie sie der Wissenschaft helfen, informieren kann?

In unserem Escape Room haben wir so genannte “Wissenshappen” versteckt: klickbare Objekte in den Räumen, die in kurzen Textabschnitten weiterführend zu Themen wie Diagnostik, personalisierte Medizin oder elektronische Patientenakten informieren.

Zusätzlich sind dort auch Links zu Websites wie dem Bundesgesundheitsministerium, der Friedrich-Eber-Stiftung und anderen Organisationen verlinkt.

Eine sehr gute Kampagne ist auch die europäische “DataSavesLives”, eine Initiative mehrerer Interessengruppen, die bei Patient:innen und Öffentlichkeit mehr Bewusstsein für die Bedeutung von Gesundheitsdaten schaffen will.

Inzwischen gibt es auch einen deutschen Ableger mit einer deutschen Internetseite.

Verabschiedung

Möchtet ihr den Hörerinnen und Hörern noch etwas mit auf dem Weg geben?

Beschäftigt euch mit euren Gesundheitsdaten, denn es ist eure Gesundheit!

Auch wenn ihr jetzt im Moment noch jung und gesund seid, wir alle werden im Laufe unseres Lebens einmal an irgendeiner Krankheit erkranken. Deshalb ist es wichtig, sich jetzt schon, um die Gesundheit der Zukunft Gedanken zu machen.

Vielen Dank an Annika und Jakob sowie das gesamte Team für diese spannende und kurzweilige Spiel. Im Rahmen von Escape the Unknown wird erlebbar, welches Potenzial im anonymisierten Teilen von Gesundheitsdaten steckt. 

Bis bald und mach das Beste aus Deinem Leben,
Nele

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Hier findest Du eine Übersicht zu allen bisherigen Podcastfolgen.

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Nele Handwerker

Blogger & Patient Advocate

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