Blasenschwäche und Harnprobleme sind für viele Menschen mit Multipler Sklerose (MS) eine große Belastung und ein schambehaftetes Thema. Der erfahrende Neurourologe Prof. Arndt van Ophoven, vom Marienhospital in Herne, erläutert im Interview die Ursachen, Behandlungsmöglichkeiten und Auswirkungen von Blasenfunktionsstörungen bei MS. Welche Optionen gibt es, um die Lebensqualität trotz Blasenproblemen zu verbessern? Warum ist ein frühzeitiger und offener Umgang mit diesen Symptomen so wichtig? Prof. van Ophoven teilt seine Expertise zu Themen wie Inkontinenz, Reizblase und neuen Therapieansätzen, die Betroffenen Hoffnung geben und den Alltag erleichtern können.
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Inhaltsverzeichnis
Vorstellung – Wer ist Prof. Arndt van Ophoven?
[00:00:18] Prof. Dr. Arndt van Ophoven: Sehr gerne. Mein Name ist Arne van Ophoven und ich leite am Marienhospital in Herne, das ist ein Klinikstandort der Universitätsklinik in Bochum, die Abteilung für Neuro-Urologie. Als Neuro-Urologe hat man die Aufgabe, ich möchte sagen das Privileg, den ganzen Tag nichts anderes machen zu dürfen, als Diagnose und Therapie von Blasen und Beckenbodenfunktionsstörungen. Klassische urologische Themen wie Krebsbehandlung von Nierenkrebs, Prostatakrebs oder Steinbehandlung gehört nicht zu unserer Aufgabe. Wir fokussieren uns also auf Blasen im Beckenboden, dies insbesondere aber nicht ausschließlich bei Patienten mit neurologischen Grunderkrankungen. Und auch dazu, dass wir eben sehr viele Patienten mit Blasenfunktionsstörungen infolge multipler Sklerose behandeln dürfen/müssen. Und da haben wir uns halt eine recht hohe Expertise erarbeitet, in den letzten Jahren.
[00:01:21] Nele von Horsten: Genau. Da haben Sie bei uns die Vorlesung gehalten, das war wirklich spannend und wichtig. Ich bin Ihrem Rat gefolgt. Sie hatten gesagt, das alle MS-Patientinnen nach der Entbindung ruhig die elektrische Stimulation mit Physiotherapie nutzen sollten, habe ich auch sofort gemacht. Und wo wir jetzt das Interview führen, das erst später ausgestrahlt wird, komme ich gerade von der Rückbildung zurück. Die sollte man als MS-Patientin besonders ernst nehmen.
Allgemeines Verständnis und Umgang mit Blasenschwäche
Wie häufig tritt Blasenschwäche bei Menschen mit Multipler Sklerose auf, und welche Formen sind am verbreitetsten?
[00:02:03] Prof. Dr. Arndt van Ophoven: Blasenfunktionsstörungen sind bei Multiple Sklerose alles andere als exotisch. Es gibt gute Daten, die zeigen, dass in den ersten ungefähr sieben bis acht Jahren 90 Prozent aller Patienten, unabhängig vom Alter, Geschlecht oder der MS-Verlaufsform, irgendeine Form der Blasenfunktionsstörung entwickeln. Das heißt also, ab einem gewissen Erkrankungsalter ist das eher die Regel, denn die Ausnahme, da ist man überhaupt kein Exotiker, kein Exot.
Am häufigsten resultiert aus einer MS-bedingten Blasenfunktionsstörung das, was der Volksmund Reizblase nennt. Der Patient/die Patientinnen entwickeln starken Harndrang, müssen viel häufiger auf die Toilette. Sie berichten zum Beispiel, dass sie kurz nach dem letzten Schub bemerken, dass sie nachts auf die Toilette müssen, viel häufiger als sonst. Sie erreichen oftmals, in Folge des starken Harndrangs, nicht rechtzeitig die Toilette, sie verlieren Urin, man nennt das Ganze Dranginkontinenz, das ist die häufigste Form.
Viel seltener ist es, dass die Blase infolge der Multiple Sklerose schlaffer wird, die Blasenentleerungsstörungen resultieren, wo die Patientin/der Patient berichtet, ich habe nach dem Toilettengang den Eindruck, die Blase entleert sich nicht richtig, ich habe Restharngefühl, ich muss länger auf der Toilette verbleiben, ich habe Startschwierigkeiten, Harnstrahl ist schwach. Und diese Startschwierigkeiten könnten dann zu einer dritten relevanten Funktionsstörung hinweisen.
Es gibt Patienten, die auch eine Beckenbodenentspannungsstörung haben, also mit Beginn des Wasserlassens der Beckenboden sich nicht öffnet oder zu spät öffnet oder zu früh verschließt. Diese Erkrankung nennt man Detrusor-Sphincter-Dyssynergie, das ist ein fehlerhaftes koordinatives Zusammenspiel zwischen dem Blasenentleerer, Detrusor und den Blasenverschlüssen, Sphincteren. Diese DSD-Erkrankung ist bei Multiple Sklerose mit bis zu 25 Prozent der Fälle häufig wie bei sonst keinem anderen Krankheitsbild. Das sind so die drei groben, am relevantesten Fehlstörungen.
Welche Auswirkungen kann die Blasenschwäche auf die Lebensqualität von MS-Patienten haben?
[00:04:02] Prof. Dr. Arndt van Ophoven: Ja, generell ist ja, wenn die Blase nicht funktioniert und insbesondere bei der häufigsten Form dann also auch Inkontinenz einher kommt, große Sorge da. Leider gepaart von Scham, man traut sich nicht, darüber zu berichten, die Belastung ist hoch. Man hat Angst, dass man die Toilette nicht rechtzeitig erreicht, dass man Urin verliert, dass die Hose nass wird, was sozial natürlich in der Gesellschaft inakzeptabel ist, man schämt sich. Patienten, die kennen jede Toilette im Ort, meiden das Haus zu verlassen, es droht soziale Isolation. Und das ist natürlich etwas, was die Lebensqualität sehr, sehr einschränken kann. Also reduziertes Selbstwertgefühl, Probleme in der Partnerschaft, das spielt ins Intimleben hinein, Performance-Probleme im Job. Also die Lebensqualität ist durch diese zahlreichen Störfelder, infolge der Blasenfunktionsstörung, oftmals massiv eingeschränkt.
Was löst Blasenschwäche emotional bei MS-PatientInnen aus, und wie können sie damit umgehen?
[00:05:13] Prof. Dr. Arndt van Ophoven: Nun, ich bin natürlich kein Psychotherapeut und kann sozusagen das Umgehen mit Emotionen, das Coping, wie wir nennen, nur allgemein sagen, dass man natürlich im Idealfall sich da ehrlich macht und sagt, oh, das belastet mich, hier habe ich ein Störgefühl, hier habe ich Sorge. Und es einem gelingt, zum Beispiel, durch Unterstützung im Gespräch mit einem Freund, mit der Familie, diese Scham, diese emotionale Belastung, versucht zu überwinden. Und sich im Idealfall einem Urologen, einer Urologin, einem Neurologen zu öffnen. Zu sagen, hier, ja, ich habe da Probleme entwickelt und das belastet mich und dann kann man das angehen. Und allein dieses sich öffnen und wenn dann ärztliche Hilfe Wege aufzeigen kann, das ist schon oftmals eine ganz große Entlastung. Und die Emotionen werden dann sozusagen nicht mehr ganz so bedeutsam, was dieses Feld betrifft.
Warum sollten sich Betroffene nie für ihre Blasenprobleme schämen?
[00:06:21] Prof. Dr. Arndt van Ophoven: Weil man sich einfach für Erkrankungen nicht schämen muss, das ist schicksalshaft. Niemand schämt sich dafür, dass er sechs Wochen einen Gips trägt, weil ihm der Arm gebrochen wurde, niemand schämt sich dafür, dass er dem Gespräch nicht mehr folgen kann, weil die Migräne einsetzt und er die Party verlassen muss.
Und es ist natürlich eben so, dass Inkontinenz da extrem emotional befrachtet ist, weil dann funktioniert man gesellschaftlich nicht mehr. Und das hat natürlich immer auch was von Kontrollverlust, das hat Assoziationen zu, was ist gar nicht stimmt, vielleicht demenziellen Abbauprozessen, weil man auch weiß, dass alte Menschen, die Demenz entwickeln, die Kontrolle verlieren, aus anderen Gründen halt. Und all dieses, was da in dem Kontext von Inkontinenz mitschwingt, führt eben dazu, dass die Patienten sich schämen und das ist nicht richtig. Sehr wohl weiß ich, dass es oftmals dennoch schwer ist, auch wenn die Erkenntnis da ist, man sollte sich nicht schämen, dann den nächsten Schritt zu tun.
Therapeutische Möglichkeiten und Lebensqualität
Welche therapeutischen Optionen stehen MS-Patienten zur Verfügung, um die Blasenschwäche symptomatisch zu behandeln und wie trägt das zu einer erhöhten Lebensqualität bei?
[00:07:38] Prof. Dr. Arndt van Ophoven: Ja, um die Frage von hinten aufzäumen, in dem Augenblick, wo natürlich ein Therapieansatz gelingt, trägt das automatisch zur erhöhten Lebensqualität bei, weil dann wird ja dieses Problemfeld abgelindert, im Idealfall sogar nahezu komplett gelöst. Wobei natürlich auch in der Neuro-Urologie, wie für die MS im Allgemeinen, eine Heilung schlussendlich nicht möglich ist, weil natürlich auch die Grunderkrankung unverändert, nicht heilbar ist, sondern nur exzellent kontrollierbar und eindämmbar.
Um zum ersten Teil der Frage zurückzukommen, die therapeutischen Optionen hängen natürlich von der Grunderkrankung ab und wenn man hingeht, auf meine vorherige Ausführung zurückkommt, dass man drei ganz, ganz grobe Störrichtungen, Fehlfunktionen hat, dann gibt man hin und macht bei dieser überaktiven Harnblase mit drohender oder auch stattfindende Inkontinenz, den Versuch, die Blase irgendwie zu dämpfen, medikamentös. Wenn das nicht gelingt, steigert man, kann zum Beispiel über Botox-Injektion in die Blase mal diskutieren, Blasenschrittmacher oder man gibt Flüssigkeiten in die Blase, die sie beruhigen.
Ist die Blase gelähmt, also schlaffer, es resultiert Restharn, kann man mit Medikamenten arbeiten, die die Blase sozusagen etwas fördern und pushen sollen, was gar nicht so einfach ist. Für beide Formen, sowohl für die Inkontinenz als auch für die Blasenentleerungsstörung, gibt es dann die Möglichkeit noch des Blasenschrittmachers, der wirkt in beiden Fällen. Also so wie ein Herzschrittmacher das Herz optimieren und koordinieren kann, oder Hyperaktivitäten dämpfen, sprich Herzrhythmusstörung behandeln, gilt das Gleiche auch für das Hohlorgan Blase und übrigens auch für das Hohlorgan Mastdarm, das ist zum Beispiel eine Option. Also ganz grob gesagt, entscheidend ist die Diagnose und dann natürlich gibt es eben verschiedene Therapierichtungen.
Warum ist der Schutz der Nieren besonders wichtig?
[00:09:29] Prof. Dr. Arndt van Ophoven: Ja, ganz genau. Da habe ich Ihnen, Ihren Kommilitonen, die ich da in dem MS-Studiengang, an der Universität, in Dresden, sozusagen im Rahmen der Vorlesung mich mit Ihnen ausgetauscht habe, erläutert, dass eine Überaktivität der Blase mit hohen Drücken einhergehen kann, die wir nicht wahrnehmen. Wir haben einen Empfindungssinn für Drang, aber nicht für Druck. Wenn wir beide auf die Toilette gehen und haben beide unglaublichen Blasendrang, Harndrang, kann sein, dass der Druck bei Ihnen völlig in Ordnung ist, bei mir viel zu hoch, was wir nicht spüren.
Und ab einem gewissen Druck sind die Nieren beleidigt und reagieren über viele Jahre. Das ist nicht etwas, was in Wochen oder Monaten geschieht, sozusagen mit einer Einschränkung ihrer Funktion, ihrer Filtrationsleistung. Man benutzt dann immer das Wort oder den Spruch, den ich auch bei Ihnen im Semester gesagt habe. “Pressure kills kidneys”, Druck tötet Nieren. Das gilt sowohl für physikalischen Druck, Autounfall, Hufschlag vom Pferd in die Flanke, “Pressure kills kidneys”, Bluthochdruck führt dazu, dass auch der Druck in der Niere hoch ist, in den Nierengefäßen. Arteriolosklerose, eine Verklebung, Verhärtung der kleinen Gefäße der Niere findet statt. “Pressure kills kidneys”.
Und auch wenn der Druck in der Blase zu hoch ist, mögen es die Organe nicht und reagieren dann eben, ich sage das mal sehr salopp, beleidigt darauf. “Pressure kills kidneys”. Deshalb ist sozusagen das Erkennen dieses Hochdrucks, den wir, wie gesagt ja nicht empfinden, wir haben nur ein Drangempfinden, ganz wichtig. Das, so habe ich es Ihnen auch erläutert, geschieht im Rahmen der Diagnostik durch eine sogenannte Blasendruckmessung. Eine ambulante Untersuchung, in deren Rahmen man unter anderem auch diesen Hochdruck erkennen kann und dann den Patient*Innen vermitteln kann, Achtung, das ist bedeutsam, wir müssen die Drücke senken.
[00:11:24] Nele von Horsten: Ja, vielen Dank dafür nochmal. Genau, das haben Sie wirklich immer wieder betont. Also bei mir sitzt es auf jeden Fall und ich hoffe bei dir da draußen auch, dass das wirklich mindestens das ein Grund wäre, dann mal das Thema anzusprechen.
Inwiefern kann eine gute symptomatische Behandlung der Blasenschwäche dazu beitragen, den Verlauf der Multiplen Sklerose positiv zu beeinflussen?
[00:11:58] Prof. Dr. Arndt van Ophoven: Ja, genau, da können wir mal anschließen, ganz genau. Eine schlecht eingestellte neurogene Harnblase, eine schlecht eingestellte, MS-bedingt schlecht eingestellte Harnblase, neigt zu Infekten. Und die sind schon bei gesunden Menschen nicht vorteilhaft, da fühlt man sich schlecht. Das trägt natürlich zu Fatigue bei, Körperkerntemperatur Erhöhung könnte zu einer MS-Pseudoschub-Situation führen, man nennt das Ganze dann ein UTOF-Phänomen. Also andersrum ausgedrückt, Blase gut, sicherlich optimale Voraussetzungen, dass dieses Problem, dass hier die Situation im Becken unter der Gürtellinie nicht dazu beiträgt, dass der MS-Patient sich schlechter fühlt, ja. Das ist schon sicherlich im Rahmen einer multimodalen Behandlung, die ja viele Aspekte der MS beachtet, wichtig und bedeutsam. Und wenn die Blase da ebenfalls optimiert wird, wird der Patient meiner Erfahrung nach sicherlich davon profitieren.
[00:12:58] Nele von Horsten: Ja, genau. Und das finde ich auch immer ganz gut. Das sind halt alles Aspekte, die haben wir als Patienten ja mit in der Hand. Also wir können sagen, okay, ich habe hier ein Problem, oder ich bin mir nicht sicher und lasse das mal überprüfen.
[00:13:12] Prof. Dr. Arndt van Ophoven: Ja, da stimme ich Ihnen zu. Da ist man sozusagen, seines Glückes Schmied. Je mehr man an Eigendynamik entwickelt und darüber spricht, desto mehr können erfahrene… können Ärzte davon erfahren und dann im Zweifelsfalle auch dann Hilfe organisieren. Ja, in dem Augenblick, wo dann der MS-Patient, die MS-Patientin, ihrem Nervenarzt, ihrer MS-Nurse sagen, Mensch, ganz ehrlich, ich muss so oft auf die Toilette. Dann ist im Idealfall dort die Antwort, oh, das ist überhaupt nicht ungewöhnlich, das ist zwar nicht unsere Expertise, wir können nicht so gut helfen, aber ich kenne jemanden und ich überweise dich. Und dann ist sozusagen da so eine Kaskade der Diagnose und Therapie und Hilfe angestoßen.
[00:13:31] Nele von Horsten: Im Rahmen des Studiums hatten wir eine Vorlesung bei Professor Flachenecker, da habe ich ein Paper vorgestellt, das zur Auswahl stand, indem es um das MS Bladder Check Tool ging. Relativ einfache Fragen, wo man eine Idee bekommt, ob man ein Problem hat, obwohl es einem vielleicht noch gar nicht bewusst auffällt. Das werde ich auf jeden Fall nochmal für den deutschen Podcast bringen. Das war simpel, anhand von zehn Fragen.
[00:13:57] Prof. Dr. Arndt van Ophoven: Ja, genau. Damit kann man sozusagen die Eigen-Awareness, nennt man das ja heute neumodern, also die Eigenerkenntnis, das so ein bisschen auf sich achten, damit schärfen und in dem Augenblick, wo da entsprechende Fragen in der Häufigkeit angekreuzt werden. Es ist wie so ein Ampelsystem, kippt die irgendwann mal auf rot um und es gibt starke Hinweise. Achtung, sprich doch dann, so resultiert dann die Empfehlung, mal mit einem Arzt darüber.
Multidisziplinärer Ansatz und Patientenempowerment
Welche praktischen Tipps können Sie MS-Patienten geben, um den Alltag mit Blasenschwäche zu erleichtern?
[00:14:31] Prof. Dr. Arndt van Ophoven: Also ich möchte das wirklich ganz allgemein aufziehen. In dem Augenblick, wo man das bemerkt, sich das eingesteht, ist der praktischste aller Tipps, sich zu öffnen, über die Schwelle der Scham zu springen und zu sagen, ich brauche Hilfe. Und alles andere wird im Idealfall sozusagen einem ermöglicht. Und das ist einfach sozusagen das cleverste, was man machen kann, der beste praktische Tipp, reden und Hilfe suchen.
[00:15:04] Nele von Horsten: Ja, genau. Und auch daran denken, dass vielleicht der Arzt nicht immer dran denkt. Gar nicht, weil er es böse meint, aber weil er einfach denkt…
[00:15:09] Prof. Dr. Arndt van Ophoven: Absolut, absolut. Ich mache den ganzen Tag nichts anderes. Ich habe einen Fokus dafür, aber man kann es… Und viele MS-Patienten und Zuhörer wissen es ja auch, dass die Praxen so dicht sind, mit einer so hohen Arbeitsdichte belastet sind, dass dann die nervenärztlichen Kolleginnen und Kollegen natürlich nicht automatisch und routinemäßig sofort auf die Blase ansprechen, die für einen Nervenarzt wirklich nicht im Fokus liegt. Unter der Gürtellinie ist für einen Nervenarzt überhaupt nicht sein Revier und wenn man das dann anstößt, glaube und sich selber so ein bisschen da ins Gespräch bringt, das wäre eine clevere Sache, das ist ein guter Tipp.
Wie wichtig ist die psychosoziale Unterstützung bei der Behandlung der Blasenschwäche, und wie können Patienten Zugang dazu erhalten?
[00:16:04] Prof. Dr. Arndt van Ophoven: Ja, da komme ich so ein bisschen an meine Beratungsgrenzen. Das ist natürlich total wichtig, weil generell gilt ja, Gesundheit ist nicht nur die Abwesenheit körperlichen Leides, ja. Und je komplexer und dynamischer die Erkrankung ist, wie bei MS, desto bedeutsamer und vordergründiger sind eben reaktive psychosoziale Probleme. Und idealerweise kriegt man auch da natürlich ein Coaching, Unterstützung. Ich kenne es, dass gute Schwerpunktpraxen dort ein gutes Netzwerk haben und das herstellen können, die Verbindung, den Kontakt, was immer noch mit langen bis allerlängsten Wartezeiten verbunden ist.
Ich weiß natürlich auch, dass Kliniken, wie zum Beispiel, die Sauerlandklinik, in der ich eine Sprechstunde abhalte, die dort eben nichts anderes macht, als Komplexbehandlung der Multiple Sklerose im stationären Bereich. Während des Aufenthalts dort ebenfalls Unterstützung in dem Bereich anbieten kann, ja, das gehört einfach dazu. Aber jeder weiß natürlich, dass das nicht mit zwei, drei Wochen getan ist, das kann man dann nur sozusagen anstoßen. Und idealerweise wird das dann eben im häuslichen Rahmen später fortgeführt. Wichtig, aber schwierig zu managen.
[00:17:23] Nele von Horsten: Genau, und da, weil Sie es gerade angeteasert haben, gibt es auch eine ganz schöne Folge mit Dr. Heibel, da haben wir über sexuelle Störungen gesprochen, wo natürlich auch häufig die Blasenstörungen so ein bisschen reinspielen und von den Downloadzahlen kann ich nur sagen, es ist eine sehr beliebte Folge. Und da haben wir auch ganz locker darüber gesprochen, eben weil auch das ein schöner Punkt des Lebens ist.
Forschung und Innovation
Gibt es innovative Ansätze oder aktuelle Forschungen im Bereich der Behandlung von Blasenschwäche bei MS, die vielversprechend sind?
[00:17:59] Prof. Dr. Arndt van Ophoven: Also sagen wir mal, es gibt im Augenblick Bestrebungen zum Beispiel, die Wirksamkeit von Medikamenten zu fördern, indem sie mehr auf die Blase fokussieren und mit weniger Nebenwirkungen einhergehen. Es gab in jüngster Zeit eben, was eine sehr schöne Errungenschaft ist, dass die jüngste Generation der Blasenschrittmacher komplett drei Tesla MRT fähig sind, von Kopf bis Fuß. Früher war das nur 1,5 Tesla Kopf, das ist natürlich gerade für unsere MS-Patienten von ganz, ganz großer Bedeutung. So einen richtigen Game Changer wo man sagt, wow, das ist mal so eine richtige Sprunginnovation, sehe ich im Augenblick nicht. Wobei man natürlich, selbst wenn man als Universitätsmediziner auch tief in der Literatur drin ist und viel mitbekommt, nicht immer weiß, was einige Firmen in der Pipeline haben. Das hat natürlich dann eben auch Gründe der Geheimhaltung, die wollen natürlich sich nicht in die Karten gucken lassen.
Blitzlicht-Runde
Vervollständigen sie den Satz: „Für mich ist die Multiple Sklerose…“
[00:19:18] Prof. Dr. Arndt van Ophoven: Eine genauso bösartige Erkrankung, wie Krebs und gehört genauso radikal bekämpft und im Idealfall überwunden.
Welchen Durchbruch in der Forschung und/oder Behandlung zur Blasenschwäche bei MS wünschen sie sich in den kommenden 5 Jahren?
[00:19:35] Prof. Dr. Arndt van Ophoven: Also da das mit in den Bereich der Blasenschwäche hineingehört, wünsche ich mir wirklich, wirklich, dass es noch mal Forschungserfolge und Produkte gäbe, die im Bereich der chronisch-rezidivierenden Harnwegsinfekte dort die Multiresistenzlagen überwinden würden. Das würde vielen Patienten helfen, ganz konkret hoffe ich, dass es bald, auch für uns Urologen, ein Botulinumtoxin-Präparat gibt, welches die Blasenmuskulatur länger dämpft und lähmt als die jetzigen. Da gibt es in Amerika schon im Bereich der ästhetischen Medizin was, das würde ich mir aber wünschen, dass das vielleicht auch noch weiter vorangetrieben wird, dass man mit einer Injektion, also wir kommen schon lange damit aus, länger als die Nervenärzte und die Hautärzte, dass man noch länger vielleicht mit einer Botox-Injektion in den Blasenmuskel dort Wirksamkeit erzielen kann, vielleicht für 1-1,5 Jahre, das wäre schon toll.
[00:19:35] Prof. Dr. Arndt van Ophoven: Also da das mit in den Bereich der Blasenschwäche hineingehört, wünsche ich mir wirklich, wirklich, dass es noch mal Forschungserfolge und Produkte gäbe, die im Bereich der chronisch-rezidivierenden Harnwegsinfekte dort die Multiresistenzlagen überwinden würden. Das würde vielen Patienten helfen, ganz konkret hoffe ich, dass es bald, auch für uns Urologen, ein Botulinumtoxin-Präparat gibt, welches die Blasenmuskulatur länger dämpft und lähmt als die jetzigen. Da gibt es in Amerika schon im Bereich der ästhetischen Medizin was, das würde ich mir aber wünschen, dass das vielleicht auch noch weiter vorangetrieben wird, dass man mit einer Injektion, also wir kommen schon lange damit aus, länger als die Nervenärzte und die Hautärzte, dass man noch länger vielleicht mit einer Botox-Injektion in den Blasenmuskel dort Wirksamkeit erzielen kann, vielleicht für 1-1,5 Jahre, das wäre schon toll.
Welche Internet-Seite können sie zum Thema MS und Blasenschwäche empfehlen?
[00:20:49] Prof. Dr. Arndt van Ophoven: Oh, da habe ich Wissenslücke und Erfahrungslücke, da ich, sagen wir mal, trotz hoher digitaler Affinität und auch Internetaffinität eigentlich Internetseiten, die dort diese Themen ansteuern, eher meide. Insofern habe ich da nicht irgendetwas in petto, was ich empfehlen könnte, von der ich wirklich wüsste, das hat solide recherchiert, da war ein Faktencheck dabei, da muss ich passen.
[00:21:17] Nele von Horsten: Okay, aber man kann ja im Zweifelsfall immer in die Leitlinie reinschauen und ich weiß, dass auf jeden Fall auch an der Patientenleitlinie gearbeitet wird, wo dann auch symptomatische Therapien nochmal in einfacherer Sprache aufbereitet werden sollen.
Verabschiedung
Welchen Rat möchten Sie Menschen mit Multipler Sklerose geben, die mit Blasenschwäche konfrontiert sind?
[00:21:41] Prof. Dr. Arndt van Ophoven: Ja, genau. Das finde ich ja schön. Das ist eigentlich ein wichtiger roter Faden, der sich ja durch unser Gespräch zieht. Scham überwinden, reden, Mut fassen, was immer hilft, damit man sagt, komm’, es ist für mich nicht akzeptabel, ich leide unter der Sorge, oder unter der Tatsache, dass ich eine nasse Hose habe, ich brauche Hilfe.
Wo findet man sie und ihre wissenschaftlichen Arbeiten im Internet?
[00:22:05] Prof. Dr. Arndt van Ophoven: Ach, das geht ja ganz schnell. Da gibt man meinen Namen ein, dann schreibt man auch dahinter vielleicht Universitätsklinikum Bochum und/ oder Marienhospital Herne oder Sauerlandklinik Hachen und dann ploppt das schon auf.
[00:22:19] Nele von Horsten: Wunderbar. Herr Professor van Ophoven, vielen Dank für das Interview, vielen Dank natürlich auch für die tolle Vorlesung, die Sie bei uns gegeben hatten.
[00:22:25] Prof. Dr. Arndt van Ophoven: Sehr gerne.
[00:22:06] Nele von Horsten: Ich denke, dass Sie jeden Tag da so engagiert Patient*Innen helfen und vor allen Dingen, das haben jetzt nicht die Hörerinnen und Hörer mitbekommen, aber ich fand das auch total nett, als Sie da an dem praktischen Teil, als man gesehen hat, wie locker sie wirklich da auch mit dem Ganzen umgehen, dass man auch wirklich merkt, dass man keine Scham haben braucht. Sondern dass es einfach darum geht, wir haben jetzt hier ein Problem und jetzt schauen wir mal, wie wir das bestmöglich lösen. Und bevor wir das lösen können, muss man natürlich erstmal noch analysieren, wie die genaue Problemzusammenstellung ist. Also das war extrem angenehm.
[00:22:58] Prof. Dr. Arndt van Ophoven: So sollte es im Idealfall immer laufen.
[00:22:02] Nele von Horsten: Ja. Vielen Dank. Tschüss.
[00:22:04] Prof. Dr. Arndt van Ophoven: Sehr gerne. Auch Ihnen. Tschüss.
Bis bald und mach das Beste aus Deinem Leben,
Nele
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