#293: Einblicke in die MS-Rehabilitation am Quellenhof mit Dr. Martin Menke

Willkommen zu einem exklusiven Einblick in die MS-Rehabilitation am Quellenhof! In diesem Beitrag erzählt Dr. Martin Menke, wie das seit 1996 spezialisierte Rehabilitationszentrum individuelle Therapieansätze für Menschen mit Multipler Sklerose umsetzt – von maßgeschneiderten Behandlungsplänen bis hin zu innovativen Hilfsmitteln. Erfahre, wie Du mit gezielten Maßnahmen deine Lebensqualität steigern und neue Perspektiven entdecken kannst. Klick auf den Button, um in den vollständigen Podcast einzutauchen und wertvolle Tipps für deine MS-Rehabilitation zu erhalten oder lies Dir den Blogbeitrag durch.

Inhaltsverzeichnis

Vorstellung – Wer ist Dr. Martin Menke?

Ich wohne derzeit in Reutlingen am Fuße der Schwäbischen Alb, wobei vielleicht auch mal ein Umzug in den Schwarzwald Sinn machen wird. Bin verheiratet, es gibt einen Hund. In der Freizeit mache ich folgende Dinge gerne: Kochen, Biken, Wandern, Lesen, Videospiele.

Persönliche Motivation für Beruf?

Es gab eine Entwicklung hin zur jetzigen beruflichen Tätigkeit. Im Zivildienst im Krankenhaus habe ich gemerkt, dass ich gerne mit Menschen arbeite und dazu den ärztlichen Beruf interessant finde. Den Neuroanatomiekurs im Studium fand ich spannend, habe während des Studiums als Pflegehelfer in einer neurochirurgischen Abteilung gearbeitet und auch dort meine Promotionsarbeit geschrieben. Im letzten Jahr des Studiums war ich dann wunschgemäß auch neurologisch eingesetzt und bin so letztlich dauerhaft in der Neurologie gelandet.

Spezifische Ausrichtung und Zielsetzungen des Quellenhof

Kannst du uns einen Einblick in die spezielle Ausrichtung des Quellenhofes in Bezug auf die Rehabilitation von MS-Patienten geben?

 Der Quellenhof wurde 1996 eröffnet, ausgerichtet von Anfang als Rehabilitationszentrum mit einem Fokus auf Menschen mit Multipler Sklerose. Hier spielt auch die DMSG bzw. die AMSEL (Vertretung in Baden-Württemberg) als Gesellschafter eine tragende Rolle und gestaltet das Haus mit.

Für welche Art von MS-Patienten eignet sich das Rehabilitationszentrum besonders und warum?

Es gibt kaum Menschen mit MS, für die eine Behandlung hier nicht passend wäre. Ausnahmen könnten z.B. sein, wenn eine Dialysenotwendigkeit (Blutwäsche) besteht oder vielleicht eine schwere Querschnittssymptomatik, die zunächst in einem entsprechenden Zentrum versorgt werden muss. Allgemein ist das Haus nur bedingt für Menschen ausgerichtet, die man der sog. Reha-Phase B zuordnet, in der akut sehr schwer betroffene Menschen versorgt werden.

Was sind realistische Ziele, die Patienten während ihres Aufenthalts im Quellenhof erreichen können?

Das lässt sich nicht pauschal sagen. Es kommt immer auf den Einzelfall an und wir betrachten die Fälle ja individuell, legen dann gemeinsam Ziele fest und passen die ggf. auch im Verlauf an. Das Wort „realistisch“ ist hierbei wichtig, denn übersteigerte Erwartungen führen potentiell zu Frustrationen.

Behandlungsschwerpunkte am Quellenhof und Anpassung an individuelle Bedürfnisse

Welche Schwerpunkte setzt das Rehabilitationszentrum in der Behandlung von MS-Patienten?

Auch hier kommt es wieder auf die individuelle Situation und die Wünsche der einzelnen Menschen an. Prinzipiell bieten wir ein breites Sprektrum an Behandlungsmöglichkeiten, die sich bei der MS bewährt haben, an. Im Fokus stehen dabei Leistungsfähigkeit im privaten und ggf. beruflichen Alltag, die Verbesserung von Symptomen und Folgen der MS. Es gibt nicht den einen Schwerpunkt, sondern viele fähige Abteilungen.

Wie wird das Rehabilitationsprogramm individuell an die Bedürfnisse jedes Patienten angepasst?

Das beginnt gleich bei der Aufnahme am Anreisetag, gemeinsam (also Patient*in und Ärztin/Arzt) werden Symptome, Einschränkungen, Herausforderungen und offene Fragen seitens der Patient*innen an das Leben mit MS zusammengefasst. Zusammen werden die Ziele formuliert, die dafür notwendigen Therapien angemeldet. Am Tag danach gibt es morgens eine fokussierte Aufnahmevisite mit ärztlichem und pflegerischem Team, mit Physio- und Ergotherapie wie auch der Logopädie. Man stimmt sich ab, um zügig mit dem richtigen Maß an passenden Therapien starten zu können.

Kannst Du uns etwas über die multidisziplinäre Herangehensweise des Quellenhofes bei der Behandlung von MS-Patienten erzählen?

Hier würde ich das eher interdisziplinär nennen, weil die verschiedenen Abteilungen bzw. Bereiche miteinander verzahnt sind. Das beginnt bei der erwähnten Aufnahmevisite, dann gibt es die Teamsitzungen, bei denen man zusammen den aktuellen Stand lösungsorientiert beleuchtet. Zudem wird im Haus Kommunikation gelebt, niederschwellig geht man im Team bei Fragen und Hinweisen, auch außer der Reihe, aufeinander zu.

Hilfsmittelberatung und Neuheiten in der Behandlung

Wie wichtig sind individuell passende Hilfsmittel für MS-Patienten und wie läuft die Beratung dazu bei euch ab?

Man kann diesen Punkt nicht überschätzen. Falls Hilfsmittel nicht passen, dann können die Erwartungen an eben diese Mittel schnell mal unter der Erwartung bleiben. Oder, sie führen zur Verschlechterung von Funktionen, manchmal auch zu Schmerzen. Es ist nicht selten, dass Hilfsmittel nicht optimal sind. Z.B. werden bei jedem zweiten Rollstuhl, der hier gesehen wird, Anpassungen Möglichkeiten zur Verbesserung gesehen.

Welche Art von Hilfsmitteln sind besonders beratungsintensiv und können bei euch ausprobiert werden?

Jede Abteilung hat ihr eigenen Beratungsbereich. Da geht es beispielhaft um Hilfsmittel bei eingeschränkter Handfunktion in der Ergotherapie, um stützende Orthesen bei Lähmungen am Bein in der Physiotherapie, Hilfsmittel bei neurologischer Blasen- und Darmfunktionsstörung und nicht zu vergessen die vielen Möglichkeiten der Rollstuhlabteilung.

Gibt es spezifische Neuheiten oder Technologien, die im Quellenhof für die Rehabilitation von MS-Patienten eingesetzt werden?

Die Entwicklung der Therapieformen ist nicht so dynamisch wie in der medikamentösen Therapie in den letzten Jahren. Es gibt viel altbewährte Dinge, wegen der viele Menschen kommen, und welche man eher bewahren muss. Neuigkeiten gab es aber dennoch in den letzten Jahren und gibt es weiterhin. Das fängt an beim Gleichgewichtstraining mit Spielkonsolen, die Stimulation des Nervus tibialis bei v.a. neurogener Blasenfunktionsstörung, das Einsetzen von digitalen Gesundheitsanwendungen z.B. bei Fatigue oder kognitiven Störungen, die transkranielle Gleichstromstimulation bei Fatigue.

Psychologische Unterstützung und Nachsorge

Welche Rolle spielen psychologische Unterstützung und Beratung während des Rehabilitationsprozesses?

Das spielt eine nicht zu unterschätzende Rolle, die Themen sind weitgestreut. Da geht es um die Stabilisierung in der Phase nach der Erstdiagnose, die Fragen, die damit verbunden sind und sich oft erst mit Verzögerung auftun. Ein weiteres Thema ist die Krankheitsbewältigung bei voranschreitender Erkrankung. Und, natürlich nimmt die Neuropsychologie eine sehr große Rolle ein, wenn es um Einschränkungen durch kognitive Störungen oder Fatigue geht, v.a. im Bereich der beruflichen Leistungsfähigkeit.

Wie werden Angehörige in den Rehabilitationsprozess einbezogen und unterstützt?

Je nach Möglichkeit werden die Angehörigen offen einbezogen, wenn dann eher telefonisch. Das steht aber erstens nicht so im Vordergrund, weil die Menschen mit MS häufig selber über Ihre Situation und die weitere Entwicklung entscheiden können und auch wollen. Andererseits kommen unsere Patient*innen aus ganz Deutschland und deren Angehörigen können entsprechend nicht mal eben zum Gespräch vorbeikommen. Ganz wichtig bei diesem Thema ist aber eine ausführliche Erfassung des Umfeldes, dann ergeben sich die zu klärenden Fragen.

Gibt es spezielle Programme oder Initiativen zur Nachsorge für Patienten, die den Quellenhof verlassen?

Hier gibt es mehrere Dinge. Zum einen ermuntern wir die Menschen hier zu einem Beitritt in die DMSG (sofern noch nicht erfolgt), das bietet mehrere Vorteile: aktuelle Informationen, digitale Anwendungen, Beratung, Verbindungen zu anderen Menschen mit MS. Andererseits wird bei Berufstätigen geprüft, ob Leistungen zur Teilhabe in Frage kommen. Wir prüfen ob Digitale Gesundheitsanwendungen (z.B. betreffend Fatigue oder Kognition) infrage kommen. Und, derzeit wird geschaut, welche Informationen zu Behandlungsmethoden von hier aus zur Entlassung mitgegegeben werden können.

Herausforderungen und Zukunftsaussichten

Welche Herausforderungen siehst Du bei der Rehabilitation von MS-Patienten und wie geht ihr damit um?

Das sind dieselben Herausforderungen wie in anderen Krankenhäusern unterschiedlicher Art auch. Die Vergütung entspricht nicht dem Aufwand und hält auch nicht bei der Preisentwicklung mit. Bei diesem Punkt schauen wir mit einer gewissen Zuversicht, dass es den Quellenhof auch zukünftig gibt, nach vorne. So manche Reha-Klinik wird vermutlich aufgeben müssen. Das andere ist der Fachkräftemangel, den man derzeit überall spürt. Im Prinzip ist man ständig auf Ausschau nach Verstärkung um das Niveau halten zu können.

Welche Pläne oder Neuerungen stehen für die Zukunft des Quellenhofes im Bereich der MS-Rehabilitation an?

In den nächsten Jahren liegt, aus meiner Sicht und in Anbetracht der Veränderungen der Krankenhauslandschaft, ein Fokus auf der Stabilisierung. Ansonsten muss man sehen, wie sich z.B. das Feld der digitalen Reha-Nachsorge entwickelt, welche prinzipiell eine sinnvolle Ergänzung zum stationären Bereich bietet.

Gibt es alternative Therapie oder ergänzende Behandlungsmethoden, die ihr für die Zukunft in Betracht zieht?

Abgesehen von den Entwicklungen in digitalen Bereichen, die man im Blick behält, prüfen wir z.B. jüngst, ob das Verfahren der Vagusnervstimulation bei kognitiven Störungen zum Einsatz kommen sollte. Wir beraten auch zu komplementärmedizinischen Methoden und versuchen diese jeweils im aktuellen Kontext einzuordnen.

Blitzlicht-Runde

Vervollständige den Satz: „Für mich ist die Multiple Sklerose…“

…eine Erkrankung, die mich seit dem Studium interessiert hat.

Welchen Durchbruch in der Forschung und/oder Behandlung der Multiplen Sklerose wünschst du dir in den kommenden 5 Jahren?

Die Community hofft ja auf einen ersten relevanten Therapieerfolg beim progredienten Verlauf, z.B. durch die BTK-Inhibitoren, da schließe ich mich an.

Welche Internet-Seite kannst du zum Thema MS empfehlen?

Aus Sicht der Betroffenen in erster Linie die Seiten der DMSG bzw. AMSEL, auch die Patient*innenleitlinie zur MS in verständlicher Sprache finde ich eine sehr gute Sache.

Verabschiedung

Möchtest du den Hörerinnen und Hörern noch etwas mit auf dem Weg geben?

Lange war ich in der Akutmedizin und eine Weile auch ambulant tätig. Wie sich Dinge eben manchmal verändern arbeite ich jetzt in der Rehabilitation und erlebe nun selber, welchen wichtigen Stellenwert diese hilfreiche Behandlung im Leben der Menschen mit MS haben kann. So möchte ich ermutigen, sich als betroffene Person mit diesem Thema zu beschäftigen.

Wo findet man eure wissenschaftlichen Arbeiten im Internet?

Die Arbeiten von Prof. Flachenecker selber oder mit seiner Beteiligung, die findet man teils auf den o.g. Seiten, oder sonst gezielt in Pubmed. Selber war ich bisher im Wesentlichen Kliniker.

Vielen Dank für das Interview und vor allem die wertvolle Arbeit, die das gesamte Team am Quellenhof für PatientInnen vor Ort und wissenschaftlich leistet!

Bis bald und mach das Beste aus Deinem Leben,
Nele

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Nele von Horsten

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