#302: Stress und MS. Faktoren, Herausforderungen und Perspektiven mit Prof. Sigrid Arnade und Prof. Christoph Heesen

Stress kann bei Multipler Sklerose nicht nur das allgemeine Wohlbefinden beeinträchtigen, sondern auch den Krankheitsverlauf beeinflussen. In dieser Podcast-Folge spreche ich mit Prof. Dr. Sigrid Arnade und Prof. Dr. Christoph Heesen über die Zusammenhänge zwischen Stress und MS, die Bedeutung von Resilienz und die Herausforderungen bei der wissenschaftlichen Erforschung dieses Themas.

Erfahre, warum die psychische Gesundheit ebenso wichtig ist wie die körperliche, welche Strategien Betroffenen helfen können und welche neuen Perspektiven die Forschung eröffnet.

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Inhaltsverzeichnis

Vorstellung – Wer sind Prof. Dr. Sigrid Arnade und Prof. Dr. Christoph Heesen?

Nele von Horsten:
Schön, dass ihr dabei seid!
Vielleicht möchtet ihr euch zu Beginn kurz vorstellen? Sigrid, magst du anfangen?

Prof. Dr. Sigrid Arnade:
Ich bin gelernte Tierärztin, habe nach meiner MS-Diagnose meinen Beruf gewechselt und viele Jahre als Journalistin sowie Geschäftsführerin einer Selbstvertretungsorganisation für Menschen mit Behinderungen gearbeitet. Besonders am Herzen lag mir stets die psychosomatische Sicht auf MS. Deshalb habe ich gemeinsam mit einer Freundin die Stiftung „Lebensnerv“ gegründet, um psychosomatische MS-Forschung zu fördern. Heute bin ich Honorarprofessorin an der Alice-Salomon-Hochschule in Berlin.

Nele von Horsten:
Vielen Dank! Christoph, wie sieht dein Hintergrund aus?

Prof. Dr. Christoph Heesen:
Ich bin Neurologe und leite die MS-Tagesklinik und Ambulanz in Hamburg, die ich vor über 30 Jahren mit aufgebaut habe. Mein besonderes Interesse gilt dem Empowerment von Patient:innen: Sie sollen informierte Entscheidungen treffen und selbstbestimmt mit ihrer Erkrankung umgehen können. Dabei setze ich auf evidenzbasierte Patienteninformation.

Portraitfoto von Prof. Christoph Heesen

Bedeutung von Stress bei MS

Welche Fragestellungen beschäftigen euch besonders in der Arbeit eurer Stiftung und bei euren Forschungsaktivitäten?

Prof. Dr. Sigrid Arnade:
Unsere zentrale Frage lautet: Wie können wir dazu beitragen, dass es Menschen mit MS besser geht?
Wir glauben, dass neben der körperlichen Behandlung auch die psychischen Aspekte stärker berücksichtigt werden müssen. Selbstwirksamkeit spielt hier eine große Rolle: Wenn Betroffene das Gefühl haben, ihr Leben aktiv gestalten zu können, geht es ihnen oft besser – unabhängig von körperlichen Symptomen.

Prof. Dr. Christoph Heesen:
Stress hat einen Einfluss auf MS – sowohl bei der Krankheitsentstehung als auch bei Schüben und möglicherweise bei der Progression. Dieser Zusammenhang ist zwar wissenschaftlich nachweisbar, aber nicht dramatisch ausgeprägt. Dennoch lohnt es sich, diesen Faktor ernst zu nehmen, gerade im Sinne der Selbstwirksamkeit.

Forschungsergebnisse zur Verbindung von Stress und MS

Ihr habt eine wissenschaftliche Analyse zu Stress und MS durchgeführt. Wie seid ihr dabei vorgegangen und welche Ergebnisse konntet ihr gewinnen?

Prof. Dr. Christoph Heesen:
Wir haben eine systematische Analyse der vorhandenen Literatur gemacht. Ziel war es, herauszufinden, wie belastbar die Daten zum Zusammenhang von Stress und MS sind. Am Ende konnten wir von über 100 Studien nur etwa 30 wirklich verwertbare Arbeiten nutzen.
Dabei traten drei Hauptaspekte hervor:

  • Stress kann die Entstehung von MS beeinflussen.

  • Stress kann Schübe auslösen.

  • Stress könnte auch die Progression der Krankheit modulieren.

Ein großes methodisches Problem bleibt das sogenannte „Henne-Ei-Problem“: Macht Stress krank oder macht die Krankheit stressanfälliger?

Prof. Dr. Sigrid Arnade:
Ein weiteres Problem ist die subjektive Wahrnehmung von Stress. Was für den einen eine extreme Belastung ist, empfindet ein anderer vielleicht als bewältigbar. Diese individuellen Unterschiede erschweren wissenschaftliche Analysen erheblich.

Praktische Bedeutung für Betroffene

Sigrid, aus deiner persönlichen Erfahrung als Betroffene: Welche Rolle spielt Stress bei MS?

Prof. Dr. Sigrid Arnade:
Meiner Meinung nach spielt Stress durchaus eine Rolle. Früher wurde der psychische Einfluss bei MS völlig ignoriert oder sogar geleugnet – heute ist man immerhin offener. Es ist wichtig, dass bei der Behandlung auch psychosoziale Faktoren berücksichtigt werden und nicht nur biologische Prozesse.

Umgang mit Stress

Welche Strategien nutzt ihr persönlich oder empfehlt ihr Betroffenen, um Stress besser zu bewältigen?

Prof. Dr. Sigrid Arnade:
Mein Lebensmotto: Mehr von dem tun, was Freude macht.
Für mich bedeutet das: Reisen, Arbeit, die Spaß macht, positive Begegnungen pflegen und belastende Situationen möglichst aktiv klären. Jede:r sollte herausfinden, was individuell guttut und diese positiven Faktoren bewusst stärken.

Prof. Dr. Christoph Heesen:
Regelmäßige Stressbewältigung – ob durch Bewegung, Entspannungstechniken oder soziale Aktivitäten – kann helfen, die Krankheitsaktivität zu beeinflussen. Wichtig ist, dass die Strategien zur eigenen Lebenssituation passen und Freude machen.

Ausblick auf Forschung und Versorgung

Was müsste in Zukunft passieren, um Stress und seine Auswirkungen auf MS besser zu verstehen und Patient:innen besser zu unterstützen?

Prof. Dr. Christoph Heesen:
Wir brauchen dringend mehr Interventionsstudien. Besonders psychologische Trainings wie Resilienztrainings sollten wissenschaftlich untersucht werden – nicht nur anhand von Fragebögen, sondern auch im Hinblick auf Krankheitsaktivität.

Prof. Dr. Sigrid Arnade:
Außerdem sollten psychosoziale Angebote ein fester Bestandteil der MS-Behandlung werden. Psychologische Betreuung sollte genauso selbstverständlich sein wie Physiotherapie – nicht nur bei Depressionen, sondern als Prävention und Unterstützung im Alltag.

Verabschiedung

Was möchtet ihr unseren Zuhörer:innen zum Schluss noch mit auf den Weg geben?

Prof. Dr. Christoph Heesen:
Ich wünsche allen einen schönen, nicht zu heißen Sommer – und viel Gelassenheit im Umgang mit Herausforderungen.

Prof. Dr. Sigrid Arnade:
Und ich möchte dazu ermutigen: Konzentriert euch auf die Dinge, die euch guttun. Selbst kleine Schritte in diese Richtung können viel bewirken.

Weitere Informationen

Weitere Informationen zu Prof. Dr. Sigrid Arnade und ihrer Arbeit im Bereich der psychosomatischen MS-Forschung findest du auf der Webseite der Stiftung Lebensnerv.

Wer mehr über die Forschungsschwerpunkte von Prof. Dr. Christoph Heesen erfahren möchte, kann sich auf der Webseite des Instituts für Neuroimmunologie und Multiple Sklerose (INIMS) informieren.

Bis bald und mach das Beste aus Deinem Leben,
Nele

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Nele von Horsten

Blogger & Patient Advocate

Ich zeige Dir, wie Du das beste aus Deinem Leben mit MS machen kannst von Familie über Beruf bis Hobbys. Denn dank Wissenschaft und Forschung ist das heutzutage möglich.

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