#306: Pionierin zwischen Kontinenten. Engagement für MS und NMO mit Dr. Sara Samadzadeh

Multiple Sklerose und NMO haben dank jahrzehntelanger Forschung enorme Fortschritte in der Behandlung gemacht. Dennoch gibt es weiterhin viel zu tun. Umso wichtiger ist es, dass dieser Bereich der Neurologie auch künftig junge, engagierte und motivierte Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler anzieht, die eigene Ideen einbringen und sich untereinander vernetzen. Dr. Sara Samadzadeh ist eine dieser jungen Wissenschaftlerinnen. Als Präsidentin der „European Charcot Foundation Young Investigators“ fördert sie Initiativen wie Frauen in der Forschung und eine schnellere Diagnose in ihrem Heimatland Iran. Außerdem ist sie Botschafterin der Sumaira Foundation, die sich für NMO- und MOGAD-Patient:innen einsetzt. Mehr dazu im Interview.

Das Originalinterview fand auf englisch statt und das ist die Übersetzung davon. Danke an die Gemeinnützige Hertie-Gesellschaft, die den Aufbau des englischen Podcast unterstützt haben.

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Inhaltsübersicht

Einführung – Wer ist Dr. Sara Samadzadeh?

Hallo, vielen lieben Dank, dass ich heute dabei sein darf – und Glückwunsch zu Deinem Podcast, der wirklich freundlich, informativ und besonders ist. Ich heiße Sara, bin Ärztin mit neurologischer Ausbildung und habe den Weg in die Forschung eingeschlagen – aktuell im Rahmen eines kombinierten PhD-/Postdoc-Programms in Neuroimmunologie und Neuro-Ophthalmologie an der Universität Süddänemark, in Zusammenarbeit mit der Charité. Ich komme ursprünglich aus Teheran und lebe derzeit in Berlin. Vor etwa sechs, sieben Jahren bin ich nach Deutschland gezogen, zuerst nach Süddeutschland. Dort hatte ich die Möglichkeit, am Universitätsklinikum Düsseldorf unter Prof. Peter Hartung und Prof. Meuth zu arbeiten – später auch mit Prof. Friedemann Paul.

Ich liebe es, Sprachen zu lernen, Kulturen zu entdecken und zu netzwerken. Ich habe mehr als 40 Länder bereist, in einigen sogar längere Zeit gelebt. Und in meiner Freizeit jogge ich am liebsten – am liebsten derzeit durch den Berliner Tiergarten.

Was hat Dich motiviert, diesen beruflichen Weg einzuschlagen?

Der Auslöser war meine Mutter – sie ist eine bekannte Neurologin und MS-Spezialistin im Iran. Schon als Kind war ich vom Gehirn fasziniert. Für ein Schulprojekt habe ich mal ein Schafshirn seziert – seither drehten sich viele unserer Gespräche um Krankheiten und Behandlungen. Ich habe die Entwicklung der MS-Therapien die letzten 10–15 Jahre hautnah miterlebt – durch die Reisen und Arbeit meiner Mutter.

Während meines Medizinstudiums hatte ich dann meine ersten Begegnungen mit MS- und Devic-Fällen (NMO). Diese Erfahrungen haben mich tief beeindruckt. Unterstützt von meinem Vater und inspiriert von meiner Mutter, habe ich mich auf den Weg gemacht, mein Wissen international zu erweitern – ein herausfordernder, aber lohnenswerter Schritt. 

European Charcot Foundation Young Investigators

Wer kann bei Euch als „Young Investigator“ mitmachen – und was zählt außer dem Alter?

Grundsätzlich richtet sich das Programm an Forschende, die sich 5–10 Jahre nach ihrem letzten akademischen Abschluss befinden. Aber es geht nicht nur ums Alter. Wichtig ist auch, dass man ein echtes Engagement für Neurologie und speziell für MS und NMOSD mitbringt.

Manche haben bereits Young Investigator Awards erhalten, an ECF-Fellowships teilgenommen oder bei CTRIMS den Preis für das beste Poster gewonnen – das sind alles gute Anzeichen dafür, dass jemand aktiv zur MS-Forschung beiträgt.

Welche Unterstützung bekommen die Young Investigators bei Euch?

Eine ganze Menge! Wir bieten nicht nur Mentoring durch erfahrene Forschende, sondern auch::

  • Reisestipendien für Konferenzen oder Forschung

  • Fellowship-Programme an MS-Zentren

  • Kleine Forschungszuschüsse (Small Grants)

  • Regelmäßige Treffen, zwei digital, eines live

  • Zugang zu Plattformen, um junge Stimmen in der Community sichtbarer zu machen

  • Co-Creation-Möglichkeiten, um bei Projekten und Initiativen aktiv mitzuwirken

Was ist das Hauptziel des Fellowships?

Wir wollen jungen Fachleuten ermöglichen, praktische Erfahrungen an etablierten MS-Zentren zu sammeln. Zusätzlich fördern wir gezielt kleine Forschungsprojekte in einer frühen Phase – um den Einstieg zu erleichtern und neue Ideen zu ermöglichen.
https://www.charcot-ms.org/career-advancement

Du bist Präsidentin der Young Investigators. Was sind Deine Aufgaben – und wie lange machst Du das?

Ich wurde auf der ECF 2023 für zwei Jahre gewählt – mit der Option, nochmal zwei Jahre dranzuhängen. Meine Hauptaufgabe ist es, den Kontakt zu den Mitgliedern zu halten und Aktivitäten zu organisieren.

Ich habe einige neue Untergruppen ins Leben gerufen – z. B. LATAM (Lateinamerika), FAIR (Females in MS) und Gruppen zur MS-Versorgung. Sie helfen dabei, gezielt zu arbeiten und sich in bestimmten Themenbereichen auszutauschen.

Außerdem koordiniere ich mehrere Literatur- und Epidemiologieprojekte, die unser internationales Netzwerk nutzen – das bringt viele verschiedene Perspektiven zusammen.

Wie geht Ihr mit Leuten um, die das Alterslimit überschreiten?

Wir haben ein lebenslanges Mitgliedschaftsmodell. Wer das Alter überschreitet, bleibt als Senior Member Teil der Community. Für neue Bewerber:innen gilt: innerhalb von 5–10 Jahren nach Abschluss der Ausbildung – z. B. nach der Facharztausbildung oder Promotion. Diese Regelung ist gerade für Frauen wichtig, da sie oft Unterbrechungen im Karriereverlauf haben.

Sumaira Foundation Botschafterin

Was ist die Sumaira Foundation – und wie bist Du Botschafterin für den Iran geworden?

Die Foundation wurde 2014 von Sumaira gegründet – sie hatte kurz zuvor die Diagnose seronegative NMOSD erhalten. In weniger als zwei Monaten hat sie die Stiftung ins Leben gerufen. Sie will NMOSD, MOGAD und andere seltene neuroimmunologische Erkrankungen bekannter machen, Patient:innen unterstützen und Forschung fördern. Heute ist Sumaira Geschäftsführerin der Stiftung.

Ich habe sie bei MEDEN in Oxford kennengelernt – über den Neuroimmunologen Patrick Watters. Wir sprachen über die Möglichkeit, Cell-Based Assays im Iran einzuführen. Inzwischen haben wir dafür sogar eine Förderung erhalten – und sind kurz davor, die Diagnostik an einem Universitätszentrum zu etablieren.

Welche Strategien nutzt Du, um in Iran und Deutschland mehr Bewusstsein für NMOSD und MOGAD zu schaffen?

Neben der Diagnostik-Initiative haben wir eine Webinarreihe namens „Iranian Insight“ gestartet – mit Fallbesprechungen und Vorträgen für junge Neurolog:innen. Wir haben die Materialien ins Persische übersetzt und die Foundation auf MS-Kongressen im Iran vorgestellt.

Außerdem habe ich mit anderen Botschafter:innen die „NMOG Movement“ ins Leben gerufen. Ziel ist, jeden Tag eine gesunde Aktivität zu machen – und das auf Social Media zu teilen, um andere zu motivieren.

https://www.sumairafoundation.org/community/tsf-everyday-wellness/

Warum ist es so wichtig, dass Betroffene von Spezialist:innen behandelt werden?

Weil diese Erkrankungen sehr komplex sind. Eine gute Diagnose, passende Therapie und Langzeitbetreuung brauchen Erfahrung. Ich setze mich dafür ein, dass es mehr Fortbildungsangebote gibt – und unterstütze den Austausch mit internationalen Fachzentren.

Was sind die größten Hürden für Patient:innen – z. B. im Iran?

Häufig fehlt es an Wissen, Zugang zu Spezialist:innen und bezahlbaren Medikamenten. In Ländern wie dem Iran kommen noch wirtschaftliche Einschränkungen dazu. Als Botschafter:innen versuchen wir, diese Hürden zu benennen und gemeinsam mit Organisationen Lösungen zu entwickeln.

Was fehlt noch am meisten – und wie kann man die Lücken schließen?

Es fehlt an Geld für Forschung, moderne Therapien und Patientennetzwerke weltweit. Wir können als Botschafter:innen helfen, Partnerschaften aufzubauen, Spendenaktionen zu starten und lokale Unterstützungsangebote ins Leben zu rufen.

Schnellfragen-Runde

Vervollständige den Satz: „Für mich sind MS und NMO...“

… Herausforderungen, die mich motivieren, mich mit voller Kraft für Forschung und Patient:innen einzusetzen.

Was würdest Du Dir in den nächsten 5 Jahren in der MS- und NMO-Forschung wünschen?

Mehr personalisierte Medizin – also Therapien, die wirklich individuell auf Patient:innen abgestimmt sind. Außerdem wünsche ich mir mehr weltweite Verfügbarkeit von Behandlungen – nicht nur in reichen Ländern.

Und: Patient:innen sollten viel stärker in klinische Studien eingebunden werden – ihre Erfahrungen sind enorm wertvoll für bessere Ergebnisse und mehr Lebensqualität.

Welche Website empfiehlst Du Menschen mit NMO?

Verabschiedung

Welche Botschaft möchtest Du allen mitgeben, die mit MS oder NMO leben?

Haltet durch – es tut sich gerade unglaublich viel! Jeden Tag gibt es neue Erkenntnisse in der Forschung und innovative Therapien. Und Ihr seid nicht allein. Es gibt eine weltweite Community aus Ärzt:innen, Forschenden, Patient:innen und Unterstützenden, die gemeinsam für eine bessere Zukunft kämpfen.

Eure Geschichten geben uns Kraft – und zeigen, wie wichtig unsere Arbeit ist. Bleiben wir gemeinsam dran – für mehr Lebensqualität, bessere Versorgung und irgendwann vielleicht auch Heilung.

Empower, Engage, Overcome – Gemeinsam für eine starke MS-Community

Wo kann man Deine Arbeit verfolgen?

Am besten über meine wissenschaftlichen Veröffentlichungen, Konferenzbeiträge oder auf meinen professionellen Social-Media-Profilen:

Ein großes Dankeschön an Sara für ihr Engagement und ihre Bemühungen, die letztendlich den Patienten durch eine bessere Versorgung, eine patientenzentrierte Arbeit und motivierte Wissenschaftler:innen auf dem Gebiet der MS und NMOSD zugute kommen.

Mehr Informationen rund um das Thema MS erhältst du in meinem kostenlosen Newsletter.

Hier findest du eine Übersicht zu allen bisher veröffentlichten Podcastfolgen.

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Nele von Horsten

Blogger & Patient Advocate

Ich zeige Dir, wie Du das beste aus Deinem Leben mit MS machen kannst von Familie über Beruf bis Hobbys. Denn dank Wissenschaft und Forschung ist das heutzutage möglich.

Nele von Horsten

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