Lori Schneider entschied sich nach ihrer MS-Diagnose, sich voll und ganz dem Abenteuer zu widmen und bestieg den höchsten Gipfel jedes der sieben Kontinente. Um dieses Ziel zu erreichen, trainierte sie intensiv, kündigte ihren Job als Lehrerin, trennte sich von ihrem Ehemann und nahm ein Darlehen auf, um die Kosten dieses Vorhabens zu decken. Sie erreichte ihr Ziel und hat seitdem viele Menschen mit Multipler Sklerose sowie die breite Öffentlichkeit auf ihre persönliche Reise mitgenommen – unter anderem in Vorträgen, einschließlich eines TED-Talks, in dem sie eindrucksvoll beschrieb, welche Kraft es kostete, sich Schritt für Schritt den Weg auf den Mount Everest zu erkämpfen.
Im Interview gibt sie Einblicke in ihr Leben mit MS und ihre Philosophie, ihre eigenen Träume zu leben und das Selbstvertrauen in ihre körperliche und mentale Stärke zurückzugewinnen.
Hinweis: Dies ist eine übersetzte Fassung des Originalinterviews, das im September 2023 auf Englisch erschien. Vielen Dank an die Gemeinnützige Hertie-Stiftung für die Unterstützung des englischsprachigen Podcasts in der Aufbauphase.
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Vorstellung – Wer ist Lori Schneider?
Im Alter von 52 Jahren wurde Lori Schneider die erste Person mit Multipler Sklerose, die den Mount Everest bestieg. Zudem ist sie die erste mit MS, die die höchsten Gipfel aller sieben Kontinente erklomm, bekannt als die Seven Summits. Sie erreichte die Gipfel des Kilimandscharo, Elbrus, Denali, Aconcagua, Vinson-Massivs, Mount Kosciuszko und Mount Everest.
Heute, mit 67 Jahren, führt Lori weiterhin ein aktives Leben zusammen mit ihrem Ehemann. Gemeinsam genießen sie Wanderungen in Arizona, Bootstouren auf dem Lake Superior in Wisconsin, Skifahren in den Bergen und Reisen. Sie hält weltweit Vorträge und setzt sich weiterhin für Menschen mit neurologischen Erkrankungen ein.

MS-Diagnose und aktueller Gesundheitszustand
Wann wurdest du mit Multipler Sklerose diagnostiziert und was hat zur Diagnose geführt?
Im Januar 1999 wollte ich wie gewohnt sportlich in den Tag starten. Doch mein Fuß fühlte sich taub an – als wäre er eingeschlafen. Dieses Gefühl breitete sich auf die gesamte rechte Körperhälfte aus. Es dauerte Monate, bis ich die Diagnose Multiple Sklerose erhielt.
Gab es rückblickend Symptome, die du heute der MS zuordnen würdest?
Ja, viele meiner Beschwerden in den 80er- und 90er-Jahren – wie Taubheitsgefühle in den Beinen und Muskelschwäche – wurden als „Autoimmunerkrankung“ abgetan. Heute weiß ich: Das war bereits MS.
Wie hast du dich gefühlt, als du die Diagnose erhalten hast – und wie hat dein Umfeld darauf reagiert?
Als die Ärzte „MS“ sagten, war ich geschockt. Meine Welt brach zusammen. Innerhalb von zwei Monaten war auch die andere Körperseite taub, und die Ärzte sprachen von einer rasch fortschreitenden Form. Die Angst, bald im Rollstuhl zu sitzen, war riesig. Auch meine Familie war erschüttert – niemand wusste etwas über Multiple Sklerose.
Was war dein Tiefpunkt im Umgang mit MS – und wie hast du dich wieder herausgekämpft?
Die MS-Behandlung half, aber die Angst blieb. Ich habe alles hinter mir gelassen: Ehe, Beruf, Haus, Freunde. Ich bin aufgebrochen, um meine Träume zu verwirklichen, solange ich noch gehen konnte. Das Bergsteigen wurde mein Weg zurück zu mentaler und körperlicher Stärke. Ich habe mir selbst bewiesen, dass ich nicht nur mit MS lebe, sondern meine Träume verwirklichen kann.
Wurden dir zu Beginn verlaufsmodifizierende Therapien empfohlen – und wofür hast du dich entschieden?
Ich erhielt eine fünftägige Kortison-Infusion im Krankenhaus. Die Symptome verschwanden nach etwa sechs Monaten. Jeder MS-Verlauf ist anders – wichtig ist die enge Zusammenarbeit mit Neurolog*innen. Regelmäßige Kontrolluntersuchungen sind für mich selbstverständlich.
Hast du im Laufe der Zeit deine Therapie angepasst – und aus welchem Grund?
Mein Ziel war immer, meine Mobilität zu erhalten. Ich ernähre mich gesund, trainiere regelmäßig und nehme Vitamin D3, Kalzium und Omega-3-Fettsäuren.
Wie geht es dir heute mit deiner MS?
Ich gehöre zu den Glücklichen. Meine Krankheit ist seit 16 Jahren stabil, aber ich lasse weiterhin jährlich Gehirnscans durchführen. Ich bin jetzt 67 Jahre alt und habe mich dafür entschieden, körperlich aktiv zu bleiben. Ich hebe immer noch dreimal pro Woche leichte Gewichte im Fitnessstudio, mache Yoga-Dehnübungen und gehe viel spazieren und wandern. Es ist wichtig, eine Aktivität zu wählen, die einem selbst Spaß macht, damit man sich mehrmals pro Woche bewegt. Es ist auch sehr wichtig, sich sozial zu engagieren, um sich geistig zu beschäftigen. Um meinen Geist zu beruhigen, meditiere ich auch und versuche, eine positive Einstellung zum Leben und zu meiner Gesundheit zu bewahren.
Grenzen überwinden – deine Bergbesteigungen mit MS

Hast du direkt nach der Diagnose beschlossen, alle Seven Summits zu besteigen – oder hat sich dieser Plan mit der Zeit entwickelt?
Ich hatte bereits vor meiner Diagnose den Kilimandscharo in Afrika bestiegen. Damals hatte ich noch keine Pläne, wusste aber, dass ich gerne mit meinem Vater kletterte. Nachdem ich die Diagnose MS erhalten hatte, musste ich mir selbst beweisen, dass mein körperliches Leben nicht vorbei war.
Zwanzig Jahre lang unterrichtete ich Grundschulkinder und Kinder mit Behinderung. Mein Ziel als Lehrerin war es, Kindern zu helfen, an sich selbst zu glauben und keine Angst zu haben, etwas zu versuchen. Jetzt war ich an der Reihe, diese Lektion zu lernen. Ich musste über die Diagnose MS hinauswachsen. Mit dem Versuch, ein so hochgestecktes Ziel wie den Everest zu erreichen, gab ich mir selbst die Erlaubnis, es zu versuchen. Ich musste an mich glauben, um meine Träume zu leben. Sicher, ich werde vielleicht nicht immer Erfolg haben, aber das ist kein Scheitern. Der Erfolg liegt in der Reise – immer in der Reise.
Wie hast du dich körperlich, mental und finanziell vorbereitet?
Körperlich habe ich fast ein Jahr lang für die große Bergbesteigung trainiert. Mein Training umfasste Kraft- und Ausdauertraining. Ich bin fast jeden Tag etwa 5 km gelaufen und habe auch einige Hügel erklommen. Ich habe mich beim Wandern bis auf 20 kg Gewicht in meinem Rucksack hochgearbeitet. Außerdem habe ich Gleichgewichtsübungen gemacht, zum Beispiel auf einem großen Gymnastikball gesessen oder auf einer Balance-Scheibe gestanden. Das hat mir geholfen, meine Rumpfmuskulatur zu stärken. Mental habe ich mich darauf vorbereitet, indem ich mir gesagt habe, dass es okay ist, es zu versuchen. Ich weiß nicht, wie das Ergebnis aussehen wird, also muss ich einfach rausgehen und es tun. Finanziell hatte ich nur sehr wenige Mittel, also habe ich für einige der teuren Besteigungen einen Bankkredit aufgenommen. Später konnte ich meine Kredite durch öffentliche Vorträge zurückzahlen.
Wie lange hast du gebraucht, um dein Ziel zu erreichen – und gab es Rückschläge?
Eine epische Reise kann Jahre dauern, und ich habe 16 Jahre gebraucht, um endlich alle „Seven Summits“, also die höchsten Gipfel aller Kontinente, zu besteigen. Im Jahr 2006, einige Jahre nachdem ich mit dem Bergsteigen begonnen hatte, hatte ich erneut Probleme mit einer Optikusneuritis. Nach einer körperlich anstrengenden Besteigung des Denali in Alaska verschwamm meine Sicht und wurde auf einem Auge dunkler. Die Ärzte verordneten mir erneut eine Steroidbehandlung intravenös, und meine Sehkraft normalisierte sich wieder. Seitdem hatte ich keine MS-Symptome mehr.
Wie entstand die Idee, mit anderen MS- und Parkinson-Betroffenen den Kilimandscharo zu erklimmen?
Nach 16 Jahren, in denen ich mein Ziel, die 7 Gipfel zu besteigen, verfolgt hatte, war es für mich an der Zeit, mir einen neuen Traum zu setzen. Für mich liegt die Freude am Bergsteigen darin, zu erkennen, dass man stärker ist, als man denkt. Das war eine Lektion, die ich lernen und GLAUBEN musste, als bei mir MS diagnostiziert wurde. Jetzt war es an mir, anderen diese Lektion der Selbstermächtigung zu vermitteln. Es war an der Zeit, Menschen mit neurologischen Erkrankungen wie MS und Parkinson zu helfen, wieder an sich zu glauben und keine Angst zu haben, etwas zu versuchen. Bei unserer MS- und Parkinson-Besteigung des Kilimandscharo waren 10 Menschen mit MS und 4 Menschen mit Parkinson dabei. Außerdem waren 14 Begleitwanderer dabei, sodass jeder Betroffene einen Wanderpartner hatte. Am Ende erreichten sieben der zehn MS-Patienten den Gipfel, und alle vier Parkinson-Patienten erreichten zusammen mit ihren Begleitern den Gipfel. Alle erreichten ihr Ziel, sich selbst zu stärken und ihren Mut und ihre Kraft wiederzufinden.
Erfahrungen und Bewältigungsstrategien
Was sind deiner Erfahrung nach die effektivsten Bewältigungsstrategien oder Selbsthilfemaßnahmen, um die täglichen Herausforderungen des Lebens mit MS zu meistern?
Für mich war es wichtig, mich selbst zu vertreten. Viele Menschen verstehen nicht, was wir Tag für Tag durchmachen, deshalb müssen wir uns selbst pflegen und uns um unsere eigenen Bedürfnisse kümmern. Wenn das bedeutet, dass wir Ruhe brauchen, dann sollten wir uns eine Auszeit nehmen. Wenn das bedeutet, dass wir unsere Verantwortung und unseren Stress im Leben reduzieren müssen, sollten wir Menschen finden, die uns dabei helfen, unseren Alltag und den Druck etwas zu verringern. Lerne Bewältigungsstrategien wie Yoga oder Meditation, um den Geist zu beruhigen und den Körper zu stärken. Nimm dir Zeit für dich selbst, aber genieße auch die Gesellschaft von Freunden und Familienmitgliedern, die dich auf deinem Weg mit MS lieben und unterstützen.
Wie wichtig sind psychische Gesundheit und emotionales Wohlbefinden für Menschen mit MS, und was sind deine Tipps?
Ich glaube, dass ein Mensch, der mit einer Krankheit lebt, auf vielen Ebenen leiden kann. Für mich war die Angst vor meiner Krankheit der schwierigste Teil der MS. Sie führte zu Depressionen, Traurigkeit und Sorgen. Ich musste wieder Frieden finden, und das gelang mir in den Bergen und in der Natur. Es ist wichtig, dass wir Wege finden, unsere Seele zu beruhigen, denn unser emotionales Wohlbefinden und eine positive Einstellung helfen uns auch, innerlich und äußerlich stärker zu werden.
Bildung, Aufklärung und Interessenvertretung
Welche Initiativen unterstützt du, um das Bewusstsein für MS zu stärken und die Öffentlichkeit über die Krankheit aufzuklären?
Als ich die Diagnose MS erhielt, hatte ich Angst, darüber zu sprechen. Ich hatte Angst, dass die Leute mich für schwach halten würden. Ich brauchte einige Zeit, um um mein früheres Leben zu trauern, aber dann wurde mir klar, dass meine Zukunft in meiner Hand lag. Ich begann, in der Öffentlichkeit und bei MS-Veranstaltungen über meine Krankheit zu sprechen. Ich engagierte mich ehrenamtlich und nahm an MS-Spendenläufen und -Radtouren teil, um Geld für die Forschung zu sammeln. Ich hielt weltweit Vorträge vor Gesundheits- und MS-Organisationen, um das Bewusstsein für unsere Krankheit zu schärfen. Ich begann, Veranstaltungen für andere MS-Betroffene zu organisieren, um ihnen zu helfen, ein stärkeres Netzwerk aufzubauen. Ich hörte zu, gab Ratschläge, wenn ich konnte, und ließ sie wissen, dass sie nicht allein sind.
Kannst du Empfehlungen geben, wie Menschen mit MS sich aktiv für sich selbst einsetzen und sicherstellen können, dass sie angemessene Pflege, Unterstützung und Anpassungen erhalten?
Ich halte es für wichtig, Kontakt zu lokalen, nationalen und internationalen MS-Gesellschaften aufzunehmen. Diese verfügen über einen reichen Informationsschatz und können oft einen Gesundheitspartner vermitteln, an den man sich bei Fragen wenden kann.
Welchen Rat würdest du Menschen mit MS geben, die sich überfordert oder entmutigt fühlen? Wie können sie eine positive Einstellung bewahren?
Sei widerstandsfähig. Das Leben wird besser, wenn du es zulässt. Schaffe dir ein erfülltes Leben, unabhängig von deinen körperlichen Fähigkeiten. Glaube an die Möglichkeiten des Lebens und definiere dein Leben nicht durch das, was du für unmöglich hältst.
Schnellfeuer-Fragen-Runde
Vervollständige den Satz: „Für mich ist Multiple Sklerose ...“
Eine Krankheit, die Angst vor dem Unbekannten hervorrufen kann, aber dieses Unbekannte kann dir auch die Kraft geben, deine Angst zu überwinden und ein Leben voller Entdeckungen und Abenteuer zu führen.
Welche Website kannst du für Menschen mit MS empfehlen?
Welche Entwicklungen wünschst du dir in den nächsten 5 Jahren im Bereich Multiple Sklerose?
Ich denke, wir müssen weiterhin Wege finden, um den Menschen ganzheitlich zu unterstützen, sowohl körperlich als auch geistig. Es ist sehr wichtig, ergänzende Therapien anzubieten, die das Leben der Menschen bereichern. Tanz, Yoga, Musik, Bewegung und Sport können die Medikamente ergänzen und dazu beitragen, unseren Körper und Geist zu stärken.
Verabschiedung
Zum Schluss: Welche Botschaft der Hoffnung oder Ermutigung möchtest du Menschen mit MS mit auf den Weg geben?
Gib deine Träume niemals auf. Es geht darum, deine „vorgefassten“ Grenzen zu überwinden und deine innere Stärke zu finden. Es geht um deine Einstellung und darum, dich für Widerstandsfähigkeit zu entscheiden und mit Dankbarkeit für alles zu leben, was du noch in deinem Leben hast. Eine positive Einstellung führt zu positiven Ergebnissen.
Wie und wo können Interessierte dich online finden?
E-Mail: L[email protected]
Webseite: www.LoriSchneider.net
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„Mein Ziel ist es, andere zu befähigen, ihre Schubladen und Grenzen zu überwinden und ihre Träume zu leben.“
~Lori Schneider Empowerment durch Abenteuer
Ich hoffe, Lori hat dich inspiriert und du findest die Kraft in dir, deine Träume zu verwirklichen, egal wie lange es dauert. Und wie Lori gesagt hat: Mach einen Schritt nach dem anderen. Auf diese Weise sind unglaubliche Reisen möglich.
Bis bald und versuche, das Beste aus deinem Leben zu machen,
Nele
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