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#151: Interview mit Dr. Eva Koch zum finanziellen Engagement der Hertie-Stiftung für Menschen mit MS

Vogelperspektive auf Frankfurt am Main, wo die Hertie-Stiftung ihren Hauptsitz hat

Heute begrüße ich Dr. med. Eva Koch als Interviewgast. Sie arbeitet für die Gemeinnützige Hertie-Stiftung als Leiterin der Multiple-Sklerose-Projekte im Bereich Gehirn erforschen. Seit 1974 unterstützt die Hertie-Stiftung Projekte rund um das Thema Multiple Sklerose und hat bisher rund 70 Millionen Euro dafür ausgegeben. Dennoch habe ich erst vor wenigen Jahren von der Hertie-Stiftung erfahren und da ich bestimmt nicht die Einzige bin, möchte ich mit diesem Beitrag zu mehr Sichtbarkeit und Wertschätzung beitragen. Und wer weiß, vielleicht kannst du eins der Angebote sogar direkt für dich nutzen oder möchtest dich für die jährliche Ausschreibung rund um den Preis für „Selbsthilfe und Engagement“ bewerben.

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Inhaltsverzeichnis

Der Text wurde basierend auf dem Podcast transkribiert.

Nele: Hallo Frau Dr. Koch, schön, dass Sie heute hier sind und mein Gast und mir Fragen rund um die Hertie-Stiftung beantworten. Einen ganz lieben Gruß nach Frankfurt.

Eva Koch: Hallo Frau Handwerker, ich freue mich sehr, dass ich hier mit Ihnen sprechen kann.

Persönliches und Motivation für den Beruf

Nele: Ich habe Sie schon ein kleines bisschen vorgestellt, was Sie bei der Hertie-Stiftung machen. Aber vielleicht geben Sie uns noch einen Einblick, wer Sie sind als Person, und wie Sie eigentlich zu dem Beruf gekommen sind, den Sie jetzt ausüben.

Eva Koch: Ja, sehr gerne. Ich komme aus Hamburg und ich lebe jetzt in Düsseldorf und arbeite in Frankfurt und habe zwei erwachsene Söhne, fotografiere gerne und pendle halt für meinen Job immer zwischen Düsseldorf und Frankfurt hin und her.

Und wenn Sie mich fragen, wie bin ich zu meinem Beruf bekommen, dann ist mein eigentlicher Beruf ja der der Ärztin. Tja, wie bin ich dazu gekommen? Ich glaube ehrlich gesagt, ausschlaggebend war, dass ich mit elf Jahren vier Wochen im Krankenhaus lag. Da muss irgendein Funke übergesprungen sein.

Auf jeden Fall habe ich schon alle Schulpraktika auch in dieser Richtung gemacht, und dann kam es zum Medizinstudium. Und dennoch habe ich dann im Studium gemerkt, hm, ich glaube, auf Dauer im Krankenhaus oder auch in einer Praxis arbeiten möchte ich doch nicht so gerne. Und dann zog es mich in die Pharmaindustrie.

Das war zumindest das Ziel. Dort gibt es eine Sparte von Mitarbeitenden in den Firmen, die Ansprechpartnerinnen und Ansprechpartner sind für die Medizinerinnen und Mediziner draußen, die behandeln. Die geben also, die Leute, die in der Industrie arbeiten und diese Jobs haben, geben Informationen zu den Erkrankungen, aber auch vor allem natürlich zu den Medikamenten, die von der Firma produziert werden.

Also, das war der grobe Plan. Und mit diesem groben Plan habe ich dann eine Stelle gesucht, bei der ich mich zwei Jahre lang – das gehörte damals noch zur Ausbildung, dass man zwei Jahre lang im Anschluss ans Studium noch im Krankenhaus arbeiten musste – also eine Stelle, wo ich mich zwei Jahre lang dann mit nur einer Erkrankung beschäftige.

Dr. Eva Koch lächelt den Betrachter an

Und insofern war das ein Zufall, dass mich das in die Multiple-Sklerose-Sprechstunde der Uniklinik Hamburg zu Professor Heesen gebracht hat. Und dort war ich dann zwei Jahre, habe sehr, sehr viel über die Erkrankung gelernt und viel, viele, viele Menschen kennengelernt, die mit ihr leben.

Ich hatte ja ausschließlich MS-Patienten, und es hat gut geklappt, mit dem Kontakt zu den Firmen. Aber letztendlich habe ich eine Anzeige der Hertie-Stiftung gesehen, die eine Projektleitung suchte für ihre MS-Projekte, und das fand ich dann doch sehr, sehr reizvoll. Und dann hat es mich sehr gefreut, dass es geklappt hat, dass ich diese Aufgabe übernehmen konnte.

Nele: Spannend. Danke für diese Hintergrundinformationen. Das zeigt mal wieder, dass man einen Plan vor Augen haben kann und auf der Strecke ergeben sich dann manchmal andere Dinge. Das ist ja gerade bei einer chronischen Erkrankung auch häufig der Fall, also gibt es keinen Grund, unglücklich zu sein.

Es passiert auch anderen Menschen und ist per se nichts Schlechtes.

Gemeinnützige Hertie-Stiftung

Logo der Hertie-Stiftung

Seit wann und wieso setzt sich die Hertie-Stiftung für Multiple-Sklerose-Projekte ein?

Eva Koch: Das tut sie tatsächlich schon seit ihrer Gründung 1974, also seit jetzt bald 50 Jahren. Und es ist auch so, dass in diesen ersten Jahren, ich meine, sogar in den ersten mindestens 15 Jahren, Multiple Sklerose der primäre Förderschwerpunkt war. Das liegt sehr wahrscheinlich daran, dass es wohl in der Familie des Stifters zwei Fälle gab, also zwei Menschen, die eine Erkrankung hatten, die zumindest einer MS sehr geähnelt hat.

Das klingt alles sehr vage, aber das ist das, was wir wissen, aus der Geschichte. Und daher hat die MS bisher immer eine große Rolle gespielt. Jetzt ist natürlich die Stiftung gewachsen, hat zwei große Förderbereiche, Demokratie stärken und Gehirn erforschen. Multiple Sklerose gehört zum Bereich Gehirn erforschen und spielt dort aber auch immer noch eine große Rolle und wird es, glaube ich, auch in den nächsten Jahren weiterhin so tun.

Nele: Gut für uns (lacht).

Welche Schwerpunkte werden in der Förderung gesetzt?

Eva Koch: Ach, das ist, das ist sehr bunt. Ich bin schon ein paar Jahre bei der Hertie-Stiftung, und wir haben viele, viele verschiedene Multiple-Sklerose-Projekte unterstützt und gefördert. Das sind wissenschaftliche Projekte, soziale Projekte, und dann ist auch der Bereich der Kommunikation immer wieder ganz wichtig, wo wir also ab und zu Akzente setzen.

Es ist ja immer noch so, dass es ganz feste Bilder von der MS in den Köpfen vieler Menschen gibt, die aber nicht so unbedingt der Wahrheit entsprechen. Und wir nutzen dann immer ganz gerne jede Gelegenheit, um solche Bilder zu korrigieren. Also insofern gibt es einen ganzen Blumenstrauß an Projekten.

Nele: Absolut. Ja, es gibt ja auch viele, die dann immer MS mit ALS verwechseln und auch viele andere interessante Vorstellungen (lacht).

In welcher Größenordnung hat die Hertie-Stiftung bis heute Forschung und Unterstützung geleistet?

Nur, dass man mal so eine grobe Idee hat.

Eva Koch: Da bin ich jetzt froh, dass ich das gerade neulich nochmal komplett zusammengerechnet habe. Insgesamt sind es tatsächlich rund 70 Millionen Euro, mit denen wir seit 1974 Multiple-Sklerose-Projekte unterstützten, und zwar sind das etwa zwei Drittel für wissenschaftliche Projekte und ein Drittel für die sozialen.

Nele: Das ist eine ordentliche Hausnummer. Lassen Sie uns jetzt ein bisschen genauer auf die wissenschaftliche Förderung eingehen.

Wissenschaftliche Förderung MS-Themen

Was wurde und wird im wissenschaftlichen Bereich gefördert?

Eva Koch: Total, ja. Wir haben viele wissenschaftliche Einzelprojekte gefördert, weit über 100. Jeweils so in der Größenordnung, sage ich mal, von 200.000 Euro, für Einzelprojekte, die jeweils so zwei Jahre gedauert haben – so kann man sich da mal eine Vorstellung machen.

Das hat dazu geführt, dass wir in der wissenschaftlichen MS-Szene recht bekannt sind als Förderinstitution, und zwar nicht nur national, sondern auch über die Grenzen hinaus, weil wir mit internationalen Begutachteten gearbeitet haben und ein schönes Netzwerk aufgebaut haben, zwangsläufig sozusagen, über dieses Einzelantragsverfahren.

Dann haben wir zwei Institute gegründet, jeweils mit den ansässigen Universitäten zusammen, und zwar eins in Hamburg und eins in Göttingen. Dann haben wir uns eine Zeit lang auf die forschenden Ärztinnen und Ärzte konzentriert. Und jetzt steht gerade, stehen im Mittelpunkt seit 2016 die Medizinstudierenden, und zwar in der Zeit ihrer Promotion. Ein sehr schönes Projekt, medMS nennt sich das.

Nele: Jetzt würde ich gerne ein bisschen noch mal was zu den gegründeten Instituten in Hamburg und Göttingen wissen.

Wie tragen die beiden gegründeten Institute in Hamburg und Göttingen dazu bei, Multiple Sklerose besser zu behandeln?

Was wird da genau erforscht?

Eva Koch: Also, zuerst haben wir gegründet das Institut in Göttingen. Das wird heute geleitet von Alexander Flügel. Das IMSF, das Institut für Multiple-Sklerose-Forschung. Das ist ein grundlagenwissenschaftliches Institut, also Grundlagenwissenschaft sagt ja, dass man sich Strukturen und Vorgänge anschaut, um sie zu verstehen.

Um dann mit diesem Verständnis, also zum Beispiel Vorgänge in einer Zelle, im nächsten Schritt sich diese Prozesse bei Erkrankungen anzuschauen und vielleicht dann wiederum in einem nächsten Schritt, ein Medikament zu entwickeln.

Am IMSF hat sich der Alexander Flügel viel mit einer ganz bestimmten Art von Zellen beschäftigt, die bei der MS eine große Rolle spielen. Und es ist ihm gelungen, mit einem bestimmten Mikroskop, dem Zwei-Photonen-Mikroskop, bestimmte Vorgänge im Hirn zu beobachten.

Das ist sehr, sehr faszinierend. Er hat darüber hinaus auch noch ganz andere großartige Dinge getan, so dass – ich erwähne das an dieser Stelle ganz gerne – die Sobek Stiftung ihm den Forschungspreis für das Jahr 2021 verliehen hat.

Das ist eine sehr, sehr besondere Auszeichnung für einen MS-Forscher.

Und in Hamburg kam dann ein paar Jahre später das Institut für Neuroimmunologie und klinische Multiple-Sklerose-Forschung. Dort spielt die Translation eine größere Rolle.

Translation heißt, dass Forschungserkenntnisse aus dem Labor, also grundlagenwissenschaftliche Ergebnisse, kommen in die Anwendung, in die Klinik. Und dieses Institut wird jetzt von Manuel Friese geleitet. Und auch er entwickelt verschiedenste Konzepte – und setzt sie natürlich um – für translationale Forschungsprojekte.

Wir haben diese beiden Institute gefördert in der Gründungszeit. Heute finanzieren wir sie aber nicht mehr. Also das ist eigentlich grundsätzlich auch so ein Modell der Hertie-Stiftung, wir wollen Projekte anstoßen, wir wollen Modelle schaffen, aber wir wollen diese Projekte dann auch nach ein paar Jahren der Grundförderung in die Selbstständigkeit begleiten, um auch wieder neue Mittel frei zu haben für neue Projekte und neue Ideen.

Nele: Klingt gut. Spannend. Das heißt sozusagen, die einen arbeiten ganz am Anfang, die anderen kommen ein bisschen später. Und dann kann man hoffentlich neue Behandlungsansätze wirklich auch irgendwann dem Patienten zugute führen.

Eva Koch: Ganz genau.

Nele: Meine Zusammenfassung drückt es natürlich sehr simpel aus (lacht).

Wieso werden mittlerweile einzelne Mediziner gefördert und wonach erfolgt die Auswahl?

Eva Koch: Weil wir in den letzten Jahren in Deutschland beobachten, dass weniger Medizinerinnen und Mediziner in der Forschung bleiben oder in die Forschung gehen, sondern sich mehr auf den Klinikalltag konzentrieren. Sicherlich auch aus guten Gründen.

Aber wir brauchen auch diese Berufsgruppe in der Forschung, weil der ärztliche Ansatz der Forschung einfach nochmal ein anderer und sehr gewinnbringend ist.

Und deswegen haben wir beschlossen, vor ein paar Jahren, wir möchten gerne Medizinstudierende für die Forschung begeistern und sie dabei unterstützen, indem wir ihnen Freiraum geben durch eine finanzielle Unterstützung innerhalb dieses medMS-Doktorandenprogramms.

Und das besondere an dem Programm ist zum einen noch einmal das, dass die Doktormutter und der Doktorvater auch nochmal einen Betrag bekommen, um sozusagen die Arbeit umzusetzen. Und, dass die Geförderten viel Freiraum haben in der eigenen Auswahl einer Summerschool, die sie besuchen können.

Das kann weltweit sein. Eine Summerschool ist ein, ja ich glaube so im Mittel zwei Wochen dauernder Forschungsworkshop, ganz intensiv. Häufig auch verbunden mit einem besonderen Ort, wo man sich dann auf eine ganz bestimmte Erkrankung oder tatsächlich auch nur einen ganz bestimmten Vorgang an einem Rezeptor in einer Zelle beschäftigt.

Ganz konzentriert. Das ist ein großer, großer, großer Anreiz. Dieses Förderprogramm mag ich sehr gerne. Ich mag sehr gerne mit diesen jungen Menschen zusammenarbeiten.

Es sind mittlerweile über 50, und wir versuchen, uns regelmäßig zu treffen, auf den Berichtsymposien in Frankfurt, wo sie ihre Arbeiten vorstellen, aber auch auf den internationalen Multiple-Sklerose-Kongressen, und wir versuchen sie auch, und das gelingt auch ganz gut, zusammen mit unseren Kollegen in Berlin, die dort im Berliner Büro der Hertie-Stiftung unser Alumni-Programm Fellows and Friends betreuen, sie zu motivieren, sich einzubringen, vielleicht noch einmal mit ganz anderen Themen, auf einer großen Veranstaltung der Hertie-Stiftung, die bei uns jeden Sommer stattfindet.

Und so haben wir, ich glaube, sieben Studierende in diesem Jahr dabeigehabt, die drei verschiedene Veranstaltungen konzipiert und umgesetzt haben. Unter anderem eine Diskussionsrunde zum Thema Gesundheitspolitik, an der auch unser Gesundheitsminister, Herr Lauterbach, teilgenommen hat.

Und das ist natürlich toll, dass wir dann an der Stelle auch wieder die großen Netzwerke unseres Bereichs Demokratie stärken nutzen können.

Auf der anderen Seite die von uns geförderten Studierenden motivieren und dabei unterstützen können, und sagen, schreibt ihn doch mal einfach mal an, versucht es. Also, lasst euch nicht abhalten von den großen Namen. Das ist eine sehr, sehr schöne Veranstaltung.

Nele: Super. Finde ich sehr gut, dass Sie motivierte junge Leute holen wollen, damit die sich intensiver mit der MS beschäftigen. Also ein großes Dankeschön auch von allen anderen MS-Patienten an der Stelle (lacht).

Eva Koch: Oh, Dankeschön (lacht).

Nele: Wenden wir uns nun der sozialen Förderung zu.

Soziale Förderung von MS-Themen

Welche Projekte bzw. Angebote der DMSG werden gefördert?

Weil, mit der arbeiten Sie ja auch recht intensiv zusammen

Eva Koch: Ja, mit der DMSG verbindet uns eine enge Zusammenarbeit, ich meine sogar, schon seit Bestehen der Stiftung. So lange bin ich natürlich noch nicht dabei. Aber die Jahre, die ich dabei bin, empfinde ich das als sehr enge Bindung.

Und das ist auch ein breiter Katalog. Also, wir haben über Jahre lang, eine Strukturförderung, auch der Landesverbände und des Bundesverbands – die DMSG hat ja 16 verschiedene Landesverbände – übernommen.

Dazu gehörte dann die Finanzierung von Mitarbeitenden, natürlich auch von Veranstaltungen, von Gruppenarbeit, von Selbsthilfegruppen. Also sehr breit. Wir sind jetzt seit ein paar Jahren…ich kann es noch mal in Zahlen fassen:

Alleine in den letzten 20 Jahren sind in der DMSG Projekte im Wert von 12 Millionen Euro gefördert worden von uns.

Wir springen auch mal sehr gerne spontan ein in Krisenzeiten, die wir jetzt ja in den letzten Jahren leider vermehrt haben.

So haben wir ein bisschen unterstützt beim Onlinegehen der Selbsthilfegruppen während des ersten Lockdowns, aber dann auch bei der Rückkehr der Selbsthilfe in die Gruppen.

Auch kein ganz einfacher Schritt. Und jetzt, gerade zuletzt, hat die DMSG sehr schnell reagiert auf den Krieg in der Ukraine und ein Projekt aufgebaut, in dem geflohene Menschen mit Multiple Sklerose Hilfe erhalten. Und da habe wir auch mit 66.000 Euro, nicht eingesprungen, sondern haben das sehr, sehr gerne unterstützt und freuen uns.

Ich schlage aber mal einen Bogen. In den vergangenen Jahren sind wir von dieser Strukturförderung in eine Projektförderung übergegangen. Das Projekt nennt sich mitMiSsion (mitmischen). Und in diesem werden wir jetzt im kommenden Jahr mehr als eine halbe Million Euro ausschreiben.

Der Verband, der sich am meisten bewirbt, ganz klar mit der Kompetenz und auch mit der Größe, ist natürlich die DMSG – aber dieses Projekt mitMiSsion, mit der Projektförderung, ist auch offen für andere Antragstellende.

Nele: Okay. Dazu würde ich gerne genauer nachfragen.

Können Sie ein oder zwei geförderte Projekte der Rubrik mitMiSsion nennen?

Eva Koch: (lacht) Im Kopf, da befinden sich ganz, ganz viele, und es sind, ach, das sind tolle Projekte. Ich fange tatsächlich mit einem DMSG-Projekt an, eins, das mich immer wieder begeistert, auch wenn die erste Förderung jetzt schon ein paar Jahre her ist.

Plan Baby bei MS

Das ist das Projekt Plan Baby bei MS. Und es richtet sich an Frauen, an Männer natürlich auch, an Menschen, die mit Multiple Sklerose leben und den Wunsch haben, ein Kind zu bekommen und Ängste haben, Zurückhaltung, viele Fragen, vielleicht auch eine gynäkologische Betreuung, in der man ihnen gesagt hat, dass das bei MS eine schlechte Idee ist.

Sowas kommt leider noch häufig vor. Und das ist ein Projekt, wo all diese Ängste genommen werden sollen, Lösungen aufgezeigt werden sollen, wo wirklich eine umfassende Beratung stattfindet, die jederzeit abrufbar ist.

Also im ersten Teil haben wir sozusagen den Aufbau dieses Projekts finanziert und dann jetzt, ich meine vor zwei oder drei Jahren nochmal. Wir nennen das bei uns dann ein Transferprojekt – es ist sozusagen ausgeweitet worden und es

spricht sozusagen Frauen, beziehungsweise werdende Familien, in ganz Deutschland an. Das ist wirklich ein sehr schönes, sehr, sehr schönes Projekt.

Nele: Absolut wichtig, ja. Darf ich mich ganz kurz einhaken?

Eva Koch: Ja, bitte!

Nele: Ich habe auch eine Bekannte, die gehört noch zu er bisschen älteren Kategorie. Da hat man ja wirklich den Frauen empfohlen, um Gotteswillen keine Kinder zu bekommen, also, was heißt empfohlen, regelrecht verboten Kinder zu kriegen.

Eva Koch: Furchtbar. Ganz furchtbar.

Nele: Das steckt ja mit Sicherheit auch noch in manchen Medizinerköpfen drin.

Eva Koch: Total!

Nele: Insofern super wichtiges Projekt und finde ich auch ganz, ganz toll.

Eva Koch: Also, ich erinnere mich da noch an viele Szenen, auch wenn es jetzt schon ein bisschen her ist, in der MS-Sprechstunde. Ach, das war immer ganz fürchterlich. Also dieses Projekt ist richtig, richtig wichtig.

Klar, es ist vielleicht nachvollziehbar: Es kann nicht jede Medizinerin, jeder Mediziner in der Gynäkologie auch noch ein so intensives Fachwissen über jede andere Erkrankung einer anderen Fachrichtung haben. Aber trotzdem ist es dann wieder ganz erstaunlich, welche Bilder hängen geblieben sind.

Und es sind halt immer die klassischen Bilder bei der Erkrankung Multiple Sklerose.

aMStart

So, und jetzt haben Sie mich nach einem zweiten Projekt gefragt, und da nehme ich tatsächlich eins, das wir in diesem Jahr anfangen werden zu fördern.

Es ist gerade ausgewählt worden von der Jury, und zwar heißt das aMStart (https://www.instagram.com/gemeinsam_amstart/ + https://www.linkedin.com/company/gemeinsamamstart/). Das ist von einer Gruppe junger Menschen konzipiert, die ganz unterschiedliche Hintergründe haben, und zwar unter dem Dach der Stiftung MyHandicap. Nein, Entschuldigung, der EnableMe-Stiftung. Entschuldigung, Stiftung MyHandicap hieß sie früher.

Und zwar ist das ein Projekt, wo Selbsthilfe neu definiert, anders definiert werden soll, nämlich jung, persönlich und digital. Es ist also ein zunächst ein rein digitales Projekt, bei dem ein Austausch jeweils von einem Menschen, der neudiagnostiziert ist mit Multiple Sklerose, und einem jungen Erwachsenen, der schon länger mit dieser Erkrankung lebt, stattfindet.

Und das Ganze auch für Angehörige. Und ja, da bin ich sehr, sehr gespannt, was daraus wird. Es ist einfach so, dass – das ist etwas, was wir natürlich beobachten, und auch nicht nur bei der Multiple Sklerose – dass Selbsthilfe sich in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten verändert.

Beziehungsweise, sagen wir es mal anders, der Bedarf für Selbsthilfe verändert sich, weil die Menschen, die neu diagnostiziert werden, sich verändern oder heute andere Ansprüche haben als vor 20, 30 Jahren.

Es gibt das Internet mit sehr vielen Informationen. Und es gibt Menschen, die das Wort Selbsthilfe für sich nicht benutzen möchten. Das ist jetzt vielleicht aus unserer Perspektive nicht ganz nachvollziehbar, aber es ist ja erst mal so.

Und jetzt gilt es sozusagen neue Wege zu finden, damit umzugehen, weil natürlich der gleiche Bedarf nach einem gewissen Austausch und Hilfe da ist.

Nele: Genau. Super, dass Sie das angesprochen haben. Also wir haben noch keinen konkreten Termin vereinbart, aber Jasmin Mir, die da ja auch federführend ist, mit ihr habe ich bereits besprochen, dass sie auf jeden Fall demnächst mein Podcast Gast wird. Da kann sie dann etwas genauer über das Projekt berichten, aber sie hat wahrscheinlich im Moment noch ganz viel damit zu tun, das alles ins Rollen zu bringen. Aber demnächst wird sie hier sein, weil ich das auch super spannend finde.

Eva Koch: Ach, das ist ja toll! Wie schön! (lacht) Da bin ich gespannt.

Wie werden Einzelpersonen mit MS in finanzieller Not unterstützt? Und an wen müssen sich Menschen mit akuten Sorgen wenden?

Nele: Wird ja nicht immer alles bezahlt, was man vielleicht braucht. Und dann leisten Sie ja auch Unterstützung.

Eva Koch: Ja, das machen wir seit über zehn Jahren jetzt in Zusammenarbeit mit dem Caritasverband. Und ich jetzt einfach kurz die Seite nennen, das ist https://www.caritas.de/ms. Und von dort aus wird man dann zu einer weiteren Seite geleitet, mit allen Informationen und Antragsformularen. Letztendlich ist es so, es gibt zwei Dinge, die man einreichen muss:

Ein Attest über die Erkrankung und einen Leistungsbescheid, sodass sozusagen klar ist, dass eine Notlage da ist. Und dann geht es eigentlich recht unkompliziert, dass man Dinge beantragen kann, wie, ich nenn jetzt mal vielleicht eine Waschmaschine oder auch Kleidung.

Aber auch – diese schöne Idee hatten wir vor drei Jahren, aber sie ist bisher kaum umgesetzt worden, was sicherlich sehr an der Pandemie liegt – möchten wir die Teilhabe fördern. Das heißt, wir möchten Menschen motivieren, zum Beispiel, auch jetzt aus der Luft gegriffen, ja, aber einen Volkshochschulkurs zu machen.

Also auch so etwas würden wir finanzieren, das haben wir vorher nicht gemacht. Vorher galt immer so ein bisschen die Regel, man muss es anfassen können. Aber nun ist es so: Nein, das Leben draußen und das Treffen mit anderen Menschen ist unglaublich wichtig. Stichwort soziale Armut. Und hier wollen wir unterstützen.

Nele: Super. Ganz wichtig. Ja, ich mache immer mal Vorträge für die DMSG in Thüringen und da kommt relativ oft der Einwurf. Aber ich habe ein Problem, wie soll ich das finanzieren, denn es wird es nicht von der Kasse bezahlt.

Und da würden Leute gerne in einen gewissen Austausch gehen und das wird ja gewiss repräsentativ für viele andere MS-Betroffene eine Problemstellung sein.

Eva Koch: Genau.

Nele: Gut zu wissen für alle Hörerinnen und Hörer, dass man da nachfragen darf.

Eva Koch: Ja! Unbedingt.

Wer kann sich für den Hertie-Preis für Engagement und Selbsthilfe bewerben und können Sie beispielhaft zwei Preisträger der Vergangenheit nennen?

Nele:  Also ich hatte ja auch schon mal das Glück und eine Preisträgerin zu Gast, aber natürlich habe ich mir nicht den Namen aufgeschrieben. Ich hatte, Anke….

Eva Koch: Anke Breuer.

Nele: Anke Breuer, die das Projekt…

Eva Koch: Spurwechsel.

Nele: Dankeschön. Projekt Spurwechsel hatte.

Eva Koch: Tolles Projekt, ganz toll, ja.

Nele: Genau. Also Anke Breuer hatte ich schon mal als Interviewgast da und da kann man auch gerne in das Interview reinhören. Vielleicht können Sie noch mal zwei andere benennen.

Eva Koch: Dann sage ich vielleicht erst mal zwei Sätze zum Preis. Also der, wir haben gerade letztes Jahr Jubiläum gefeiert, 30 Jahre Hertie-Preis für Engagement und Selbsthilfe. Und den schreiben wir aus für Menschen und Projekte, die etwas mit der Multiple Sklerose zu tun haben, oder, das ist das Besondere, mit einer neurodegenerativen Erkrankung.

Neurodegenerative Erkrankungen gibt es ganz viele. Die beiden größten, von denen wir auch die meisten Bewerbungen bekommen, sind der Morbus Parkinson und der Morbus Alzheimer. Und ähm, 25.000 Euro gibt es insgesamt, und die werden meistens aufgeteilt auf drei Projekte oder Preisträgerinnen beziehungsweise Preisträger.

Die Verleihung findet dann vor Ort am Ort des Engagements statt, das heißt, ich reise dann mit Urkunde und Blumenstrauß und Scheck los, und dann gibt es ganz unterschiedliche Veranstaltungen, und das ist immer, ähm, das ist immer sehr, sehr besonders, muss ich sagen.

Ganz schöne Tage.

Und wenn Sie mich jetzt nach zwei Projekten fragen, dann ist das ähnlich schwer wie vorhin bei mitMiSsion. Und ich würde jetzt einfach mal zwei Projekte aus dem vergangenen Jahr, aus dem Jubiläumsjahr nehmen.

Einmal ein MS-Projekt. Das nennt sich Mühlengärtle. Da haben drei junge Frauen, drei Schülerinnen, während des harten Lockdowns angefangen, am Haus ihrer Eltern – das ist eine Mühle, daher auch der Name – seltene Gemüsesorten zu züchten.

Und die Setzlinge haben sie dann an Wanderer, die an diesem Ort, also an diesem Haus, immer vorbeikommen, verkauft. Und das Geld haben sie gespendet für ein MS-Projekt. Und das ist natürlich großartig, darauf muss man erst mal kommen, im Alter von 14, 15, 16. Das hat die Jury sehr begeistert.

Und das zweite Projekt, beziehungsweise der zweite Mensch, das ist die Corinna Bernshaus. Corinna Bernshaus ist eine Künstlerin aus Düsseldorf, die hat ein Atelier und, einmal in der Woche öffnet sie dieses Atelier für Menschen mit einer Demenz und das ist das Besondere, ihre Angehörigen. Und alle, also nicht nur die Erkrankten, können sich dort, über Stunden mit verschiedenen Materialien beschäftigen, zur Ruhe kommen, in den Austausch kommen. Raum-D heißt das. Auch ein sehr besonderes Projekt mit einer sehr besonderen Frau.

Nele: Schön. Klingt total schön. Also ich habe, ja, meine Großeltern sind ja auch schon, also mein Opa ist leider nicht mehr und meine Oma ist 96. Da merkt man ja was vergessen und so dann noch bedeutet. Und über Emotionen und Farbe oder künstlerisches Arbeiten kann man da sicherlich noch mal eine ganze Menge positive Impulse setzen.

Und noch mal schöne Stunden, Momente geben. Klingt super.

Eva Koch: Absolut.

Nele: Sehr schön. Jetzt haben sie auch den Bereich, wo sie mit Projekten und Aktionen auf die MS aufmerksam machen.

Projekte und Aktionen, um auf MS aufmerksam zu machen

Wie gelingt Ihnen der Spagat zwischen positiver Aufmerksamkeit und repräsentativer Darstellung der MS-Community?

Wir hatten uns im Vorfeld vom Interview unterhalten und da haben sie mir gesagt, okay, es ist relativ schwierig, wenn sie die MS, in Anführungsstrichen, zu positiv darstellen, mit Leuten, wie mir zum Beispiel, die toi, toi, toi, recht wenig betroffen sind, dann sind diejenigen unglücklich, die stärker betroffen sind. Oder vielleicht deren Angehörige.

Wenn sie nur die Leute zeigen, die stärker betroffen sind, dann fühlen sich Menschen, wie ich nicht wirklich repräsentiert. Wie schaffen sie es die Vielfalt der MS Community darzustellen?

Eva Koch: Ja, das ist gar nicht so einfach. Also, Sie haben es jetzt schon ganz gut beschrieben. Das ist tatsächlich etwas, was mir in den letzten Jahren immer wieder begegnet ist.

Also, zum Beispiel haben wir eine vor zwei Jahren eine Kampagne gemacht, #MoreThanMS; das sind drei kurze Filme, jeweils eine Minute lang, wo drei verschiedene Menschen, die mit MS leben, in einer Szene ihres Lebens gezeigt werden.

Und unter anderem zwei junge Frauen, denen man auch auf den ersten Blick nichts ansieht, und wo dann aber im Laufe dieses kurzen Films klar wird, es gibt da aber doch etwas. Ich kenne diese Reaktion, dass von jemandem, der stärker betroffen ist, gesagt wird, naja, aber das entspricht ja jetzt gar nicht der Realität. Das ist dann immer, ja, aber es gibt halt verschiedene Realitäten. E

s ist halt die Erkrankung mit den 1000 Gesichtern. Und wir werden immer eine Schwierigkeit haben, sie alle, in einem Projekt alle abzubilden. Sondern dann gucken wir auch tatsächlich, wir gucken natürlich auch immer, wen wollen wir jetzt ansprechen mit dem, was wir machen, gerade in der Kommunikationsarbeit.

Sie hatten jetzt gerade selber schon die Frau Mir erwähnt, von aMStart, und die hat neulich ihr Projekt vorgestellt, in Berlin, auf dieser Veranstaltung, die ich gerade schon erwähnt habe, als ich von unseren Studierenden sprach.

Da stand sie auf der Bühne und hat das erste Mal öffentlich über ihre eigene Erkrankung, über ihre Multiple-Sklerose erzählt. Und ich werde das nicht wortwörtlich hinbekommen, aber mir ist das trotzdem sinngemäß gut im Kopf hängengeblieben, weil mich das sehr beeindruckt hat, was sie da gesagt hat.

Sie sagte, sie hat sich vorbereitet auf diesen Vortrag und dann überlegt, wie möchte sie jetzt sprechen, wie möchte sie das darstellen. Weil, sie möchte auf der einen Seite nicht zu rational klingen, aber auch nicht zu emotional. Und sie möchte nicht die Geschichte eines Opfers erzählen, aber auch nicht die Geschichte einer Heldin.

Sondern eigentlich möchte sie, dass es normal ist. Und das hat mich sehr berührt, muss ich sagen. Und  das ist so absolut richtig. Also so sollte es eigentlich sein, sozusagen gar nicht in diese verschiedenen Ecken zu kommen.

Aber ich glaube, es lässt sich nie so ganz verhindern, weil es natürlich auch sehr mit dem Blickwinkel der verschiedenen Menschen zusammenhängt, die auf ein Bild, auf eine Geschichte, auf einen Film, auf ein Projekt schauen.

Nele: Ja, ich finde ja auch, es gelingt Ihnen gut, zumindest aus meinem Blickwinkel.

Eva Koch: Das ist schön (lacht).

Nele: Was ich übrigens total schön fand und vorher nicht kannte, was das Video „Beautiful Day“. Ich habe mich in der Vorbereitung auf unser Interview damit beschäftigt und dann den Film auf YouTube gesehen.

Was ich darin klasse finde, man sieht was es bedeutet so eine chronische Erkrankung zu haben, was für ein Gefühlschaos so eine Diagnose auslöst. Und was für verschiedene Personen, in verschiedenen Lebenssituationen betroffen sein können.

Ein wirklich toller Film. Wenn du den da draußen noch nicht kennst, unbedingt mal anschauen. Beautiful Day auf dem YouTube-Kanal von der Hertie-Stiftung, ich werde es auf jeden Fall verlinken.

Eva Koch: Oder einfach googlen: Beautiful Day und Hertie (lange Version, 90-Sek-Version).

Welches Feedback haben Sie zum Film Film „Beautiful Day“ von 2009 erhalten und von welchen Personengruppen?

Eva Koch: Ja…das war ein sehr schönes Feedback, muss ich sagen. Also das ist immer…die Menschen sind…dieser Film hat eine – also ich sage es jetzt mal für mich – eine sehr starke emotionale Kraft.

Also einmal, weil schon die Story mit all diesen verschiedenen Charakteren, die da auftreten – das werden jetzt unsere Zuhörenden erst verstehen, wenn sie ihn anschauen – weil diese Story, vom Regisseur Burkhard von Schassen, ganz stark ist, aber halt auch, wie Sie gerade selber schon gesagt haben, das Lied, so bekannt ist und selber auch so emotional trägt.

Und bei vielen, vielen Menschen führt das zu einer, ja wirklich, zu einer Berührung. Ich habe jetzt gerade neulich mit einem Menschen, den ich gar nicht weiter kannte…dem habe ich kurz erzählt; ich arbeite in einer Stiftung, Multiple Sklerose, und kam dann schon früh auf diesen Film und hab ihm den kurz gezeigt, weil er mir nämlich gesagt hatte, dass seine Mutter MS hat.

Und dann fing er an zu weinen. Und wir kannten uns gar nicht. Also das wäre jetzt sicherlich nicht sein Bedürfnis gewesen, so viel Gefühl zu zeigen in meiner Gegenwart. Aber er war so berührt durch diese Geschichte, die sich da durchzieht, und der man so gut entnehmen kann, diese Angst vor der Unsicherheit.

Und insofern, um wieder zurück zu Ihrer Frage zu kommen, tatsächlich ist das die zentrale Reaktion eigentlich gewesen; jetzt gar nicht mal „Aufrüttelnd!“ oder „Wirklich sehr informativ!“ oder „Interessant“, sondern „Mensch, das hat mich total berührt.“

Und das ging auch durch verschiedenste Personengruppen. Kritische Stimmen gibt es natürlich auch immer, das ist gar keine Frage, und das ist auch völlig normal. Wir sind ja nicht alle gleich.

Nele: Also zu viel Kritisches kann es da ja fast nicht geben. Aber es gibt natürlich immer welche, die meckern.

Eva Koch: Das haben Sie schön gesagt, Frau Handwerker (lacht).

Nele: Ja, das ist wirklich, wirklich ein schöner Film, weil er nicht belehren will. Er stellt einfach nur dar. Man ist hin- und her gerissen zwischen Mensch, ich packe das und Zweifeln, aber das Leben ist ja irgendwie trotzdem schön. Vor allem wenn man jemanden hat, der an der Seite steht. Also wirklich ein schöner Film. Wirklich schöner Film.

Eva Koch: Ach toll. Das freut mich. Vielen Dank.

Nele: Sehr gerne. Jetzt haben Sie aber eine ganze Menge andere Videobeiträge.

Welche Videobeiträge und Reihen findet man auf dem YouTube-Kanal der Hertie-Stiftung?

Eva Koch: Oh, da haben Sie recht, das ist wirklich viel. Dann fange ich mal an: Ganz aktuell finden Sie dort aus unserer Kampagne, auf die wir bestimmt auch noch zu sprechen kommen, Multiple-Sklerose im Arbeitsleben…die Kampagne heißt Gemeinsam. Menschlich. Erfolgreich., und genauso heißt auch die Playlist, und dort finden Sie alle fünf Interviews mit Vertretenden der Firmen, die uns unterstützt haben, zum Beispiel von Siemens, von der Deutschen Börse und von L’Oreal.

Dann finden Sie dort aber auch diese Filme, die ich gerade schon kurz erwähnt habe, von unserer Kampagne, #MoreThanMS. Auch sehr schön.

Und dann erwähne ich vielleicht noch einen Kollegen, der gar nicht so viel mit der MS zu tun hat. Das ist nämlich unser Dr. Mondino. Der spielt bei uns eine große Rolle. Dr. Mondino ist eine Kunstfigur, aber nichtsdestotrotz sehr geliebt. Das sind, ich meine jetzt sogar schon 15 verschiedene Filme, die es gibt ein Projekt meiner Kollegin Alexandra Pötzsch – und zwar so relativ kurze, sehr kreative Erklärfilme, die auf verschiedene Funktionsweisen im Gehirn eingehen und immer einen Bezug herstellen zum Alltag. Sehr amüsant, also es lohnt sich sehr.

Nele: Absolut. Ich habe da mal einen Artikel im National Geographic gelesen, der sich ausführlich dem Thema gewidmet hat, was in der Pubertät im Gehirn passiert. Dr. Mondino bietet ebenfalls einen kurzen Clip dazu an. Vielleicht hilft dieser Clip Eltern und Teenagern selbst besser zu verstehen, was in der Pubertät im Gehirn geschieht.

In der Grafik im NG war es damals sehr ausführlich erklärt, aber kurz knackig zusammengefasst macht das Dr. Mondino und ich fand es köstlich. Also, ich habe mir ein paar angeguckt, längst nicht alle, aber eine sehr schöne Figur.

Was ist im Rahmen der Initiative „Gemeinsam. Menschlich. Erfolgreich“ alles an entstanden und wie haben Sie Unternehmen und Personalverantwortliche über die Videobeiträge hinaus erreicht?

Ich habe mir alle Videos angeschaut. Fand ich spannend, weil ich in meinem Arbeitsleben auch nie über die MS gesprochen habe bis kurz vor meinem Ausscheiden. Und da gab es auch immer noch durchaus Befindlichkeiten.

Also es ging ihnen ja bestimmt nicht nur darum fünf große Firmen dazu zu erreichen, sondern auch noch ganz viel mehr Personalverantwortliche und Firmen.

Eva Koch: Ja, absolut. Und die fünf Firmen, die wir da – beziehungsweise, vier Firmen sind es und eine Universität – oder die Vertretenen, die wir interviewt haben, die sollen sozusagen mit ihren Interviews ja auch weitere Menschen erstaunen und erreichen. Also Zielgruppe dieser Kampagne sind Arbeitgebende und Personalverantwortliche.

Weil wir natürlich davon ausgehen, dass die Vorurteile über die Multiple Sklerose in dieser Branche ganz genauso vorhanden sind. Und wenn wir uns anschauen: MS ist die häufigste neurologische Erkrankung des jungen Erwachsenenalters, die gerne in einem Alter auftritt, wenn es genau um diesen Faktor Beruf geht und Weiterkommen im Beruf – dann ist es natürlich fürchterlich, wenn Sie vor jemandem sitzen, der diese festen Bilder der MS im Kopf hat.

Also wenn Sie mich fragen, wie wir es noch darüber hinaus gemacht haben…die Kampagne hat vor allem stattgefunden, es ist eine Digitalkampagne, auf LinkedIn. LinkedIn ist ein großes berufliches Netzwerk, man kann es, glaube ich, ganz vereinfacht sagen Facebook für…

Nele: Business.

Eva Koch: …für die Arbeit, ja. Richtig, genau. Und wir haben zusätzlich zu dieser Kampagne, die halt sehr in der Welt dieser gerade beschriebenen Zielgruppe stattfindet, also sozusagen für uns jetzt erst einmal im Vordergrund gar nicht so sichtbar ist, weil wirklich mit so einem sogenannten Targeting diese Leute ausgewählt wurden, Arbeitgeber und Personalverantwortliche.

Aber zusätzlich haben wir natürlich auch andere Zielgruppen ansprechen wollen, über unseren LinkedIn Kanal, mit diesen Interviews, mit Statements von Menschen, die mit MS leben. Und wir haben, wenn wir jetzt hier das Medium LinkedIn verlassen, zum Beispiel in der Bundesagentur für Arbeit einen Partner gefunden, der in seinen riesigen Netzwerken – also denken Sie an Mailings an alle Mitarbeitenden der Jobcenter deutschlandweit – auch über diese Kampagne informiert hat.

Denn wenn wir jetzt zum Beispiel bei diesem Beispiel bleiben im Jobcenter: Die Menschen, die dort arbeiten und Arbeitssuchende unterstützen, haben ja in dem Moment auch eine Art Personalverantwortung, also eine ähnliche Rolle. Das heißt, dort ist es genauso wichtig, Vorurteile zu nehmen und sich einzubringen.

Nele: Klar, wenn jemand, der mich beraten soll, mich gar nicht erst zu einem bestimmten Job berät, weil er denkt, ich kann ihn eh nicht erfüllen, dann habe ich ja schon ein Problem.

Eva Koch: Genau.

Nele: Dann ist er sozusagen ein Gatekeeper.

Eva Koch: Genau.

Nele: Und der lässt mich nicht rein. Und wenn dieser Gatekeeper aber sieht das es doch geht. Und das es für die Unternehmen sogar Vorteile bringt, wie eine Bereicherung der Vielfalt und das es Unterstützungsmöglichkeiten gibt. Klar, dann geht die Person anders ran. Sehr interessant, finde ich gut, finde ich richtig gut.

Jetzt stelle ich Ihnen noch ein paar Fragen, die ich immer allen meinen Gästen stelle.

Verabschiedung

Welchen Durchbruch in der Forschung und Wahrnehmung der MS wünschen Sie sich in den kommenden 5 Jahren?

Eva Koch: Ja. Also ich bin sehr im Bann dieser noch relativ neuen Forschungsergebnisse rund um das Epstein-Barr-Virus und um eine mögliche Impfung. Ich hoffe sehr, dass das weitergeht, also dass es da jetzt einfach, dass es dort einen Durchbruch gibt. Das wäre bahnbrechend.

Und wir wissen ja durch die Corona-Pandemie, was möglich ist, und das wäre sehr schön.

Ich würde mich außerdem freuen, wenn es noch mehr Forschung geben würde zu Umwelt- und Lebensstilfaktoren bei der Multiplen Sklerose und wie man mit ihnen möglicherweise den Krankheitsverlauf beeinflussen kann, in größeren Studien.

Nele: Ja, zwei wichtige Themen. Zur möglichen Impfung hatte ich auch bereits Professor Dr. Dr. Henri-Jacques Delecluse im Interview zu Gast, der am Deutschen Krebsforschungszentrum arbeitet und mal dargestellt hat, wie komplex das leider mit dem Epstein-Barr-Virus und der Impfung ist. Aber es arbeiten wiederum ganz viele schlaue Menschen dran und zumindest sind ein paar klinische Forschungen schon in Phase drei, meine ich. Also könnte da was passieren.

Möchten Sie den Hörerinnen und Hörern noch etwas mit auf dem Weg geben?

Eva Koch: Auf der Seite der Hertie-Stiftung, da steht ein schöner Satz: Wer Anstöße geben und Veränderungen initiieren will, muss selbst beständig in Bewegung sein. Und ich mag diesen Satz ganz gerne, ich finde den sehr schön. Und das ist ein Satz, der mich selbst auch sehr bestärkt und mich immer wieder, mir Antrieb gibt und vor allem auch Antrieb, immer wieder zu hinterfragen.

Ich mache diesen Job jetzt ja schon recht lange. Und in diesen Jahren haben sich aber natürlich verschiedene Situationen verändert und auch Blickwinkel von mir und Perspektiven. Und ich möchte mich immer motivieren, sozusagen die Augen offenzuhalten und mich nicht zu verschließen den Veränderungen, die es dies nun mal gibt.

Und die es aber gilt, gerade in einer Stiftung, und so schließe ich den Kreis, dann auch wahrzunehmen für die Entwicklung neuer Projekte. Und das wäre etwas, ich glaube, das kann man auch über eine Stiftung hinaus sagen (lacht), das es immer ganz schön ist, in Bewegung zu sein. Ja, genau.

Nele: Das stimmt. Und das tut auch den kognitiven Leistungen gut, wenn man sich immer ein bisschen mit neuen Dingen auseinandersetzt.

Eva Koch: Auch das, genau.

Nele: In Diskussionen gehen, offen bleiben, die eigene Filterblase verlassen. Ist in vielerlei Hinsicht gut.

Wo findet man die Gemeinnützige Hertie-Stiftung und ihre Angebote?

Eva Koch: Ja. Auf unserer Website www.ghst.de. Dann haben wir einen schönen Instagram Kanal, der nennt sich neuro.logisch. Und dann finden Sie uns auf LinkedIn, auf Facebook. Und Unterkanäle haben wir auf Twitter, also es gibt eine Menge.

Nele: Sehr gut. Wunderbar. Frau Dr. Koch, es war mir ein Vergnügen, Sie hier zu haben. Bitte bleiben Sie persönlich und die Hertie-Stiftung weiter so engagiert. War ganz toll. Ich gebe zu, ich habe das Interview mit Ihnen auch nur gemacht, weil ich durch meinen Neurologen Prof. Dr. Tjalf Ziemssen auf die Hertie-Stiftung aufmerksam geworden bin, als ich den Podcast gestartet habe.

Damals sprach er von der Hertie-Stiftung als was, ganz selbstverständliches.

Eva Koch: Ach wie schön.

Nele: Ich war zwar zu dem Zeitpunkt schon seit 14, 15 Jahren an MS erkrankt, aber ich kannte sie nicht. Also vielleicht bringt es ein paar mehr Leute dazu ihre Angebote wahrzunehmen. Und noch einmal vielen, vielen Dank für das Engagement.

Eva Koch: Das war toll. Wie schön. Vielen, vielen Dank, Frau Handwerker, dass Sie mir und vor allem aber auch der Hertie-Stiftung da so viel Raum gegeben haben, freuen wir uns sehr. Und vielleicht ganz zum Schluss noch, wenn Sie jemanden kennen, der sich engagiert im Bereich der Multiplen Sklerose oder einer neurodegenerativen Erkrankung, Parkinson, Alzheimer, dann senden Sie uns doch bei der nächsten Ausschreibung gerne eine Bewerbung für den Hertie-Preis für Engagement und Selbsthilfe.

Nele: Genau. Das kann man, da kann sich jeder bewerben. Und da werden tolle Projekte ausgezeichnet. Super, vielen, vielen Dank.

Eva Koch: Ich danke Ihnen.

Linksammlung

Gemeinnützige Hertie-Stiftung

Institute

Soziale Projekte

Kampagnen etc.

Bis bald und mach das beste aus Deinem Leben,
Nele

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