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Podcast #096 – Interview mit Oberärztin Anna-Katharina Eser zur Immunadsorption

Foto der Oberärztin Anna-Katharina Eser zum Thema Immunadsorption

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Im Interview erklärt Oberärztin Anna-Katharina Eser, wie eine Immunadsorption abläuft, wann sie eingesetzt wird und die Vorteile der Behandlung. Ich habe die Antworten von Frau Eser sinngemäß und verkürzt wiedergegeben.

Wichtigste Stationen bis zur jetzigen Position?

Seit 2018 ist Anna-Katharina Eser Oberärztin in Mainkofen. Davor war sie bereits als Assistenzärztin in Mainkofen beschäftigt.

Persönliche Motivation für Beruf?

Anna-Katharina Eser war sechs Monate in den Favelas von Brasilien und erlebte dort die schlechte medizinische Versorgung der Menschen. Das motivierte sie dazu, statt Jura, doch Medizin zu studieren.

Wann kommt die Immunadsorption zur Anwendung?

Die Immunadsorption ist eine Nische. Sie wird angewendet, wenn MS-Patienten einen akuten Erkrankungsschub haben und die übliche Stoßtherapie mit Kortison nicht anschlägt.

Immunadsorption wird umgangssprachlich als Blutwäsche bezeichnet. Welcher “Schmutz” wird herausgewaschen und wie funktioniert die Immunadsorption?

Man versucht das Blut von den krankheitsverursachenden Antikörpern reinzuwaschen.

Dafür legt man zunächst einen Shaldon-Katheter (eine Art Infusionsnadel) an einem größeren Gefäß, z.B. an einem großen Halsgefäß oder unter dem Schlüsselbein. Im nächsten Schritt wird das Blut gereinigt. Dafür wird das Blut über den Katheter in ein Gerät geführt, wo die krankheitsverursachenden Antikörper adsorbiert werden, sprich sie bleiben in einem speziellen Filter hängen. Die restlichen Bestandteile des Blutes können den Filter passieren.

Wie anstrengend ist die Immunadsorption für den Körper und welche Nebenwirkungen können auftreten?

Generell ist es möglich, die Immunadsorption an fünf aufeinanderfolgenden Tagen durchzuführen, weil sie gut verträglich ist.

Es kann zum Blutdruckabfall kommen, da die Behandlung im Liegen durchgeführt wird und ca. 5 Stunden dauert. Man sollte dem Kreislauf ein bisschen Zeit geben und nicht sofort von der Liege springen.

Außerdem kann es zu einem leichten Frösteln kommen während der Behandlung, was mit zwei bis drei Decken mehr behoben werden kann.

Wie lange dauert eine Blutwäsche? Erfolgt sie stationär oder ambulant?

Die Immunadsorption wird immer stationär durchgeführt. Dabei hängt die Dauer von ein paar Faktoren ab, wie Größe, Gewicht und ob der Patient raucht oder nicht. Bei Rauchern geht die Behandlung meist einen Tag länger. Außerdem werden noch ein paar weitere Bestandteile des Blutes überprüft und für die Berechnung herangezogen.

Bei einer jungen schlanken Nichtraucherin dauert die Behandlung ca. vier Stunden pro Tag an fünf aufeinanderfolgenden Tage und bei einem großen gewichtigen Raucher eher sechs bis sieben Stunden täglich für sechs Tage. Das soll aber nur ein grobes Beispiel sein.

Was ist der Unterschied zur Plasmapherese und welchen Vorteil haben Patienten davon?

Bei der Immunadsorption werden nur die krankheitsverursachenden Antikörper ausgewaschen. Bis heute weiß man nicht genau, welche Antikörper das sind, aber sie gehören zu den IgG- Antikörpern.

Bei der Plasmapherese werden mehr Elektrolyte herausgewaschen und andere Bestandteile des Blutes. Dadurch wird die Gerinnung stärker beeinträchtigt.

Ist eine Immunadsorption nur im schubförmigen Verlauf sinnvoll?

Ja, die Immunadsorption ist nur im schubförmigen Verlauf zugelassen und auch dann nur, wenn sich die Symptome eines akuten Schubes unter der Kortisonstoßtherapie nicht verbessern. Ausnahmen bestehen, wenn auf vorangegangene Kortisonbehandlungen eine massive Unverträglichkeit bestand. Dann kann gleich die Immunadsorption angewendet werden.

Kann man mehrfach eine Immunadsorption erhalten?

Ja, man kann theoretisch jederzeit wieder eine Immunadsorption erhalten, wenn die oben genannten Bedingungen eintreten – ein Schubereignis, dass sich unter der Kortisonbehandlung nicht bessert.

Warum wird nicht gleich die Immunadsorption bei MS-Patienten angeboten?

Zum einen ist die Behandlung teurer. Außerdem ist eine Kortisonbehandlung weniger invasiv. Es reicht ein kleineres Gefäß am Handrücken oder in der Armbeuge. Bei der Immunadsorption wird ein deutlich größeres Gefäß für den Shaldon-Katheter benötigt, was eine höhere Gefahr von Entzündungen oder Verletzungen birgt. Daher wird immer zuerst das risikoärmere Verfahren mit Kortison probiert.

Wann haben Sie die Behandlungsform in Mainkofen eingeführt und was musste dafür getan werden?

Im Herbst 2016 wurde mit der ersten Immunadsorption begonnen bei einem Patienten mit einer anderen Erkrankung. Es musste einiges vorbereitet werden. Das Personal musste intensiv geschult werden. Fortbildungen wurden absolviert.

Während die Immunadsorption läuft, muss eine Pflegekraft komplett für den Patienten abgestellt werden. Daher mussten neue Pflegekräfte eingestellt und geschult werden.

Zudem wurden spezielle Maschinen angeschafft, wobei zunächst die verschiedenen Geräteanbieter auf ihre Vor- und Nachteile verglichen wurden. Wochen vollgestopft mit Bürokratie, die neben der eigentlichen Arbeit am Patienten stattfand.

Für welche anderen Erkrankungen wird die Immunadsorption ebenfalls angewandt?

In der Neurologie gehören Polyneuropathie (Entzündungen der peripheren Nerven) und andere Autoimmunerkrankungen (entzündliche Erkrankungen des Gehirns – limbische Enzephalitiden) dazu.

Bei der Kardiologie wird die Behandlung ebenfalls für verschiedene Herzerkrankungen genutzt, sowie in der Nephrologie bei verschiedenen Nierenerkrankungen.

Wie oft führen Sie eine Immunadsorption durch und wie viele der Patienten haben Multiple Sklerose?

Pro Monat werden in Mainkofen zwei bis fünf Patienten mit Immunadsorption behandelt, gut ein Drittel davon sind MS-Patienten.

Blitzlicht-Runde

Vervollständigen Sie den Satz: „Für mich ist die Multiple Sklerose…

… eine Erkrankung mit 1001 Gesichtern, die man heutzutage sehr gut prophylaktisch behandeln kann und man findet für jeden Patienten in seiner Lebenssituation das passende Medikament.“

Welche Internet-Seite können Sie zum Thema MS empfehlen?
Welchen Durchbruch in Forschung oder Behandlung der MS wünschen sie sich in den kommenden 5 Jahren?

2013 bis 2016 kamen 5 neue Medikamente auf den Markt. In den letzten 5 Jahren kamen 1-2 weitere Medikamente pro Jahr hinzu. Gerade wurden wieder zwei neue Medikamente zugelassen und weitere sind in der Pipeline, sodass es immer mehr Auswahlmöglichkeiten für Patienten gibt. In der Stammzelltherapie steckt ein großes Potenzial und dort könnte es große Fortschritte geben. Und in etwas weiterer Ferne gibt es dann vielleicht sogar die Impfung gegen ein Fortschreiten der MS.

Möchten Sie den Hörerinnen und Hörern noch etwas mit auf dem Weg geben?

Jeder MS-Patient sollte wissen, dass die Diagnose MS keine Sackgasse ist. Leben sie ein bisschen nach dem Motto von Albert Einstein: „Alle müssen wir Schweres tragen, denn es ist ja mit dem Leben untrennbar verbunden. Eines aber gibt es, freundschaftlich zusammenzuhalten und einander Tragen zu helfen.“

Wie erreicht man das MS-Zentrum Mainkofen?

Am besten unter der Nummer des Bettenbelegungmanagements unter der 09931-8727930. Oder eine E-Mail schreiben an neurologie[at]mainkofen.de.

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Vielen Dank für das geführte Interview an Oberärztin Anna-Katharina Eser! 

Bestmögliche Gesundheit wünscht dir,
Nele

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