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#148: Interview mit MS-Patientin und Ehrenamtlerin Daniela Adomeit

Foto einer schwarzen Straßenlaterne in der Albstraße in Ettlingen

Diesmal berichtet Daniela Adomeit alias @daniela_a_ms_el über ihren Weg mit der Multiplen Sklerose. Daniela ist bereits zum zweiten Mal mein Gast. In der vorherigen Folge hat sie die Arbeit der Amsel e.V. näher vorgestellt.

Die MS hat Daniela recht zügig aus dem Arbeitsleben katapultiert, aber sie hat sich schnell neue Aufgaben gesucht und arbeitet an mehreren Projekten der Amsel.

Bemerkenswert finde ich auch, wie sie sich aus dem Rollstuhl wieder herausgekämpft hat. Denn mehrere Jahre so ehrgeizig an einem Ziel arbeiten, schafft nicht jeder. In diesem Sinne, viel Freude beim Lesen oder Hören!

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Inhaltsverzeichnis

Vorstellung

Ich bin 42 Jahre alt und gelernte Krankenschwester, befinde mich aber in Erwerbsminderungsrente. Geboren wurde ich in Karlsruhe-Rüppurr und lebe schon viele Jahre lang in Ettlingen.
Hier eine Liste meiner bisherigen AMSEL Ehrenämter:

  • AMSEL Vorstand (Vertreterin der Kontaktgruppen),
  • Kontaktgruppenleiterin der AMSEL Kontaktgruppe Karlsbad-Ettlingen,
  • Leitung der AMSEL Facebookgruppe „Leben mit MS“,
  • Moderatorin bei der AMSEL der „MS-Couchgespräche“ bei Instagram,
  • AMSEL MS-Bloggerin,
  • AMSEL MS-Kolumnistin,
  • AMSEL Lotsin,
  • Orgateam der „Ab auf die Insel“ Events

Neben der AMSEL bin ich außerdem noch:

  • Ehrenamtliche Richterin am Verwaltungsgericht,
  • Vorstand (Pressereferentin) in der Wählervereinigung „FE-Für Ettlingen“
  • Aktives Mitglied der „AGENDA Gruppe Barrierefreies Ettlingen“,
  • Kassenprüferin beim Tierschutzverein,
  • Mitglied im Tauchclub Ettlingen,
  • Gründerin eines Lesezirkels,
  • und Gitarristin.
Daniela Adomeit steht entspannt mit den Händen in den Taschen. Sie trägt einen schwarzen Blazer und einen dunklen Rolli und lächelt in die Kamera

Diagnose und aktueller Status

Was war der Anlass für die Diagnose MS und wie schnell stand sie fest?

Alles begann mit Drehschwindel immer mal wieder, dann Taubheitsgefühle im Rumpf und schließlich eine Sehnerventzündung immer in Kombination mit Drehschwindel. Ein kurzer Ärztemarathon und dann kam ich in die Klinik. Hier angekommen stand die Diagnose innerhalb von 3 Tagen fest.

Wie hast Du die Diagnose aufgefasst?

Ich war erleichtert. Bereits Jahre zuvor war ich immer viel zu schnell erschöpft, immer wieder krank, manchmal wusste ich gar nicht was genau das alles ist. Irgendwann dachte ich, ich würde mir das alles einbilden. Nun hatte das Kind endlich einen Namen.

Wie hat Dein Umfeld darauf reagiert – Familie, Freunde?

Die waren alle schwer geschockt. Mein Papa rannnte los und besorgte sich ein Buch „Mein Behindertes Kind“. Heute eine drollige Geschichte, damals ganz schlimm. Meinem damaligen Freund und heutigem Mann ließ ich die Wahl, jetzt noch zügig das Weite zu suchen, aber falls er es ernst meinte, sollte er für immer bleiben. Meine Freunde, die sich als solche nach der Diagnose entpuppten, stehen mir bis heute felsenfest zur Seite.

Wurde Dir eine verlaufsmodifizierende Therapie empfohlen und wie hast Du Dich entschieden?

Damals, 2005, gab es nur vier Medikamente zur Auswahl. Man musste alle spritzen. So entschied ich mich ein halbes Jahr nach der Diagnose für Rebif, dem ich 10 Jahre treu blieb.

Dann hatte ich ein Jahr Pause gemacht wegen Kinderplanung. Das war im Nachhinein gesehen eine ganz dumme Entscheidung. Anschließend bin ich auf Tecfidera umgestiegen, mit dem ich seither gut zurechtkomme.

Hast Du symptomatische Therapieangebote oder Reha genutzt oder machst das weiterhin?

Ich bekam bei meinen Schüben Cortison intravenös. Nach der Diagnose war ich gleich in der Reha und danach bekam ich Krankengymnastik und Ergotherapie und bin bis heute dabei geblieben. Bei der Ergotherapie mach ich ab und zu Pausen aber Krankengymnastik nutze ich dauerhaft.

Musstest Du bisher schon die Therapie wechseln? Wenn ja, warum?

Rebif wirkte nach 10 Jahren überhaupt nicht mehr. Ich hatte dann ein Jahr Pause gemacht und nehme seit 2016 Tecfidera.

[Anmerkung Nele Handwerker: Unter Therapie sollte es weder Schübe noch neue Läsionen im MRT geben. Wenn einer dieser zwei Parameter nicht erfüllt wird, sollte ein hochwirksameres Medikament eingesetzt werden.]

Wie geht es Dir aktuell mit der MS?

Nachdem ich schon 2 Jahre im Rolli mit einer Halbseitenparese saß geht es mir wieder prächtig. Die Fatigue macht sich besonders breit, jetzt zu den Zeiten [Anmerkung: Sommer] ist Uhthoff ein riesiges Problem. Eine Depression inklusive generalisierte Angststörung haben sich während der Pandemie ausgeweitet. Streckentechnisch bin ich inzwischen wieder recht gut dabei, kommt aber auf die Tagesform an. Messebesuche oder Konzerte mach ich lieber mit Rolli. Große Veranstaltungen mit Rollator oder Stock, da traue ich meiner Ausdauer dann leider doch nicht. Kognitiv habe ich schnell eine Reizüberflutung und bin überfordert. Meine Fatigue wirkt sich leider auch motorisch aus, darum ist festhalten, dann eben besser und stressfreier.

Ich habe Blasenprobleme und Spastiken. Zudem nerven mich Nervenschmerzen regelmäßig. Da bin ich aber inzwischen recht gut medikamentös eingestellt. Ich habe neben meiner MS noch 20 andere Diagnosen. Diese zu trennen, ist manchmal unmöglich.

Einfluss aufs Leben

Welchen Ausblick hat Dir Dein Neurologe zu Beginn gegeben und wie empfandest Du das?

Ich hatte eine vierteljährige Schubfrequenz am Anfang meiner MS, da sprachen wir aber nicht von Prognosen. Ich denke, dass konnte man damals auch nicht so gut einschätzen. Ich wusste „wer rastet, der rostet“ und hab mich dann ordentlich rangehalten um Defizite zu verbessern.

Hast Du Dinge in Deinem Leben aufgrund der Diagnose umgestellt?

Aufgrund meiner Diagnose und der schnellen Verschlechterung musste ich mein ganzes Leben relativ schnell besonders drastisch verändern. Ich hatte meine Ernährung umgestellt. Sport stand schon immer oben auf meiner Liste und bekam aber jetzt wieder neue Herausforderungen mit an die Hand und wurde zur Therapie ganz nach meinem treuen Motto „wer rastet, der rostet“.

Daneben hab ich noch 20 andere Diagnosen, die mir leider aufzwangen, mein Leben umzukrempeln und anzupassen.

Wie blickst Du auf Deine Zukunft und haben sich Deine beruflichen und privaten Pläne verändert?

Da ich Rentnerin bin und schon immer ehrenamtlich aktiv war, ist das auch weiterhin meine Haupt- und Lieblingsbeschäftigung. Das würde ich gern noch viele Jahre weiter machen. Meinen Beruf vermisse ich dennoch sehr…

Ich bin aber auch sehr viel reflektierter geworden und stürze mich nicht mehr ganz kopflos in neue Abenteuer, sondern bereite mich besser vor und denke zweimal mehr darüber nach.

Wie kam es zu Deiner Entscheidung ehrenamtlich in der Amsel aktiv zu werden?

Nach meiner Diagnose im Krankenhaus, hatte ich in Erinnerung, dass ein Arzt die AMSEL erwähnte. Als der erste Schock überwunden war, suchte ich nach Selbsthilfegruppen in meiner Nähe, die sich nicht Samstags zum Kaffee trafen, sondern unter der Woche am Abend zum Essen. So kam ich zur Jungen Initiative nach Karlsruhe. Eine damalige Kollegin aus der Anästhesie hatte die Leitung der Kontaktgruppe übernommen (kurz danach) und fragte mich, ob ich mir nicht vorstellen kann mit ihr zusammen ehrenamtlich was zu machen. Und dann war ich plötzlich Junge Initiativen Sprecherin in Karlsruhe und so kam eins zum anderen…

Was bedeutet und gibt Dir die ehrenamtliche Arbeit?

Sie ist ehrlich gesagt mein Arbeitsersatz. Ich kann dabei meine Grenzen berücksichtigen und mir einteilen, wie es mir tagesformtechnisch gerade geht. Sie füllt mein Leben aus, gibt mir Anerkennung, inzwischen sogar mit Auszeichnungen. 2018 bekam ich die Bundesverdienstmedaille des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland und wurde im vorletzten Jahr von der Ursula-Späth-Stiftung zur MS-Aktivistin ausgezeichnet.

Welche Rückmeldungen erhältst Du von Betroffenen bei Deiner ehrenamtlichen Arbeit?

Durch die Bank weg positive Rückmeldungen. Es freut mich, wenn ich helfen oder anderen Mut machen und Perspektiven aufzeigen kann.

Tipps

Was war der tiefste Punkt für Dich und wie hast Du Dich wieder herausgekämpft?

Da gab es nie diesen einen tiefsten Punkt, es gab immer viele davon. Denn es kommen auch nach so vielen Jahren immer wieder tiefe Punkte, die einen zur Verzweiflung bringen.

Was mir zu Gute kommt ist meine von Grund auf positive Einstellung, die mir ermöglicht meine Probleme nach außen zu kommunizieren und Hilfe zu besorgen oder anzunehmen. Ich packe Herausforderungen bei den Hörnen. Das liegt mir einfach.

Gibt es ein Symptom, dass Dich besonders belastet? Falls ja, was unternimmst Du dagegen?

Das schlimmste Symptom für mich ist immer und ausnahmslos der Drehschwindel. Ich hatte ja bisher fast alles, was man mit der MS erleben kann, aber Drehschwindel bekomme ich besonders schlecht weggesteckt. Da hilft leider nur Training im Sinne von Bewegung.

Was machst Du, wenn Du andere Symptome der MS verspürst?

Ich warte 24 Stunden, wäge ab ob das Symptom mich schwer einschränkt und gehe dann zum Neurologen und hole mir mein Cortison ab.

Wünsche und Ziele

Gibt es einen großen unerfüllten Wunsch?

Ja, Kinder. Auch dies wollte mein Körper mit aller Macht verhindern!

Welche Entwicklung wünschst du Dir im Bereich der MS in den kommenden 5 Jahren?

Das sie stabil bleibt und sich nicht weiter verschlechtert. Natürlich wünsche ich mir im Bereich der Therapie große Fortschritte und vor allem den Durchbruch, aber in 5 Jahren? Da müssen wir wohl oder über noch etwas länger warten müssen.

Verabschiedung

Hast du einen Tipp, den Du Deinem jüngeren Ich geben würdest, für den Zeitpunkt der Diagnose?

Halte immer durch auch wenn es schlimm kommt. Lächle, denn es wird auch wieder besser und diese besseren Zeiten zählen und wiegen mehr als die Schlechten!

Möchtest du den Hörerinnen und Hörern noch etwas mit auf dem Weg geben?

Ja! Lasst euch auf keinen Fall von einer Krankheit eure Träume kaputt machen, kämpft bis ganz zum Ende und macht erst dann Kompromisse, wenn ihr alles ausgeschöpft habt was geht. Wer rastet, der rostet und ausruhen kann man sich, wenn man tot ist 😉 Und einen Plan B kann man auch später machen!

Wo findet man dich im Internet?

Man kann mich googeln 😉 Dass nämlich aufzuzählen würde dann heute doch den Rahmen sprengen *gg*

Ein großes Dankeschön an Daniela für die gewärten Einblicke und den Tatendrang trotz aller Steine, die sie überwinden und umgehen muss.

Bis bald und mach das beste aus Deinem Leben,
Nele

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Hier findest Du eine Übersicht zu allen bisher interviewten MS-Patienten.

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Blogger & Patient Advocate

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