Thomas Strube ist in Folge 171 mein Interviewgast. Als ausgebildeter Handelsfachwirt war er beruflich sehr aktiv und arbeitete häufig 50 Wochenstunden und mehr bis die Multiple Sklerose dieses Arbeitsleben nicht länger zuließ.
Wir unterhalten uns über seine Diagnose und wie er mit dem Schock und allen einhergehenden Auswirkungen auf sein Leben zurechtgekommen ist. Außerdem geht es um sein ehrenamtliches Engagement. Denn Thomas ist sowohl innerhalb der MS-Community sehr aktiv, als auch auf politischer Ebene. Demokratie bedeutet für ihn, dass man sich gern aktiv einbringen darf.
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Inhaltsverzeichnis
Vorstellung - Wer ist Thomas Strube?
Thomas ist glücklich verheiratet, lebt bei Wolfenbüttel und bringt sich ehrenamtlich an verschiedenen Stellen ein, da er der Gesellschaft gern etwas zurückgeben möchte. Dafür hat er bei Instagram zum einen seinen MS-Account @ms_anders_gesund und einen zweiten, der sich mit seinem politischen Engagement beschäftigt @thomas_strube_niedersachsen.
Diagnose und aktueller Status
Wann erhieltest du die Diagnose MS und was war der Anlass dafür?
Am 13. April 2018, ein Freitag. Nein, ich bin nicht abergläubisch. Dennoch ist es etwas verrückt. Zwei Wochen zuvor, in der Nacht von Karfreitag auf Karsamstag ging es mir ziemlich schlecht, ich hatte erst das Gefühl dass ich eine Magen-Darm Grippe bekomme, ich musste mich übergeben und was sonst noch alles damit einhergeht.
Als ich am Samstagmorgen aufgestanden bin und aus der Dusche kam, bemerkte ich dass irgendetwas nicht in Ordnung ist, ich konnte auf einmal auf dem linken Auge nichts mehr sehen, das Gehen fiel mir schwer und das Gleichgewicht war gestört.
Im Krankenhaus ist man zunächst von einem Schlaganfall ausgegangen, weil die Symptome mit einem heftigen MS Schub sehr ähnlich sind. Darauf hin wurde ich entsprechend untersucht und auch behandelt. Als man für für einen Schlaganfall keine Erklärung gefunden hat hat man mich nach einer kurzen Entlassung zurück in das Klinikum geholt und nach weiteren Untersuchung die Diagnose gestellt.
Hattest du bereits vorher Symptome, die du rückblickend mit der MS zu tun hatten?
Aufgrund der Schwere des MS Schubes und Den Bildern aus dem MRT sind sowohl mein Neurologe den ich zwischenzeitlich hatte und mein Hausarzt der einige Jahre zuvor die Praxis von seinem Vorgänger übernommen hatte in die Spur gegangen und anhand vorangegangener Behandlungen und Krankschreibungen zu dem Entschluss gekommen dass ich die MS schon über zehn Jahre habe.
Wie hast du die Diagnose aufgefasst und wie war es für deine Liebsten?
Obwohl ich wusste was MS bedeutet (zumindest theoretisch) war es dennoch ein ziemlicher Schock und hat einem und auch mir den Boden unter den Füßen weggezogen. Am Abend, dem Tag der Diagnose, besuchte mich meine Frau und mein Bruder, sowie mein Neffe der damals 15 war. Diese Waren eben so geschockt.
Wurden dir zu Beginn verlaufsmodifizierende Therapien empfohlen und wie hast du dich entschieden?
Meine erste Basistherapie war ein Interferon, dass ich mir gespritzt habe. nach dem Krankenhausaufenthalt und einer Anschlussheilbehandlung hatte ich Ende Mai meinen ersten Termin beim Neurologen. Ich hatte die Auswahl zwischen drei Medikamenten, bevor wir uns allerdings Entschieden, kam ein zweiter Schub hinzu, so dass der Einstieg erst Anfang August statt fand.
Hast du bereits einen Therapiewechsel hinter dir und wenn ja, was war der Anlass dafür?
Knapp anderthalb Jahre nach meiner ersten Basistherapie musste das Medikament gewechselt werden. Ausschlaggebend war der Rat der Studienärztin aus der NAMS Studie an der Charité in Berlin, an der ich teilnahm. Da sich mein Gesundheitszustand durch immer wiederkehrende Schübe verschlechterte, wurde mir dringendst angeraten die Basistherapie zu ändern und auf ein hochwirksames Infusionsmedikament (Ocrelizumab, auch Ocrevus genannt) zu wechseln. Im Laufe der ersten drei Jahre nach Diagnose wechselte die MS von der RRMS auf die SPMS, die Progredienz nahm unaufhörlich zu.
Nutzt du symptomatische Therapieangebote? Wenn ja, welche?
Einmal abgesehen von der Reha, die ich im Februar und März 2022 (fünfeinhalb Wochen) in der Westerwaldklinik machen durfte, es war meine erste Reha nach Diagnosestellung, bin ich zweimal in der Woche zur Physiotherapie (manuelle Therapie und Bobath/Voitja) weiterhin je einmal zur Ergotherapie und zur Logopädie, da meine komplette linke Seite von der Haar- bis zur Fußspitze betroffen ist. Darüber hinaus versuche ich ein- bis zweimal die Woche noch Sport zu machen.
Wie hast du nach der Diagnose deinen Lebensstil angepasst?
Das war schwer, war ich doch vorher beruflich ziemlich viel und auch sehr lange unterwegs, selten gab es Wochen unter 50 Stunden, habe ich mir nach drei Jahren die Aufgabe gestellt, mein Leben entsprechend zu ändern. Da ich Vollerwerbsminderungsrentner bin und somit dem Arbeitsmarkt nicht mehr zur Verfügung stehe, um meinen Job ausüben kann, habe ich mir Ehrenämter gesucht. Meine Einstellung dazu ist, die Gesellschaft hat mir jede Menge gegeben, jetzt bin ich dran die Gesellschaft etwas zurückzugeben.
Wie blickst du auf deine Zukunft und haben sich deine beruflichen und privaten Pläne verändert?
Das ist eine gute Frage. Im Rahmen der Ehrenämter hat sich nun die Chance eröffnet, dass ich einige Stunden in der Woche arbeiten kann. Auch wenn es zum Einstieg zunächst einmal über die Ehrenamtspauschale läuft, ist es doch so dass auf der einen Seite die Beschäftigung steht und auf der anderen Seite noch ein kleiner finanzieller Anreiz gegeben ist.
Ich sehe das so, wenn nach Abzug der Kosten eine Woche Urlaub dabei herausspringt, bin ich schon sehr zufrieden. Darüber hinaus engagiere ich mich politisch, die Demokratie liegt mir sehr am Herzen, und seit einigen Monaten betreibe ich ParaSport.
Wie geht es dir aktuell mit der MS?
Momentan geht es mir sehr gut, die Reha Anfang des Jahres hat mir sehr geholfen mit der MS gut umzugehen, ein weiteres Medikament (Fampyra) und darauf folgend die verordneten FES, L300 Go von Otto Bock erleichtern mir erheblich das Gehen und vor allem das Treppensteigen.
Warum sollte deine Therapie gestoppt werden und wie hast du dich dagegen gewehrt?
Auch die neue Basistherapie griff nicht sofort, sowohl Ärzte als auch Kliniken müssen den Krankenkassen Erfolge dokumentieren. Bei mir hat es anderthalb Jahre gedauert, bis sich endlich eine spürbare Verbesserung einstellte. Über alle Kanäle hinweg, Neurologen, Trotz MS, und Medikamentenhersteller habe ich entsprechend Druck aufbauen können, so dass ich bis heute die Infusionstherapie bekomme.
Was möchtest du durch deinen Instagram Account ms_anders_gesund erreichen?
Das ist eine gute Frage, eigentlich nichts, der Account ist aus einem ursprünglichen Erst-Account abgeleitet worden, weil einige Offensichtlich nicht mit meiner MS umgehen konnten. Das hat mich dazu veranlasst den zweiten Account aufzubauen, was auch dazu geführt hat dass ich mich im privaten Umfeld neu aufgestellt und auch von einigen Personen getrennt habe.
Was schätzt du an der MS-Community und dem Austausch mit anderen Betroffenen?
In erster Linie versuche ich zu geben. Natürlich ist mein Account mittlerweile enorm angewachsen, es dreht sich allerdings fast alles um das Thema MS und Behinderung. Mittlerweile hat sich ein guter Kontakt zu einigen entwickelt, man tauscht sich aus und gelegentlich entsteht auch mal ein Telefonat oder auch ein Treffen. Ich habe das Gefühl, man ist etwas unter sich und hat auch etwas von einem Familiencharakter.
Tipps
Was war dein tiefster Punkt mit der MS und wie hast du dich wieder rausgekämpft?
Vor gut einem Jahr, ich hatte die Diagnose jetzt nun schon drei Jahre, habe ich einen Antrag auf Rehabilitation gestellt, war mein körperlicher und auch seelischer Zustand nicht der Beste. Als die Genehmigung zur Reha kam war ich sehr glücklich und spürte in mir mein altes ich, strategisch die Reha vorzubereiten und möglichst meine Ziele alle umzusetzen. Ich hatte einen ziemlich vollen Therapieplan, bei dem ich permanent die Ärzte gefragt haben ob das so in Ordnung ist. Für mich stand fest, die Reha ist kein Urlaub, wer weiß wann ich die nächste bekomme, daher habe ich jede Minute für meine Gesundheit genutzt.
Welchen Tipp kannst Du anderen geben, die im tiefen schwarzen Loch sitzen?
Nicht den Kopf hängen lassen, Hilfe suchen sich unterstützen lassen und vor allem auch mit der MS umgehen.
Engagement bei der DMSG Niedersachsen
Wie engagierst du dich bei der DMSG Niedersachsen?
Ich habe vor über zwei Jahren (vor Corona) eine Kontaktgruppe in Wolfenbüttel gegründet, die mittlerweile von der DMSG Niedersachsen unterstützt wird.
Wie viel Zeit und Energie investiert du in dein Ehrenamt als Kontaktgruppenleiter?
Das ist schwierig zu sagen mal mehr mal weniger, seit Mitte des Jahres versuchen wir in der Kontaktgruppe auch Themenabende anzubieten. Mal sehen was 2023 bringt.
Was kannst du für dich selbst daraus mitnehmen?
Ideen, Offenheit und das Gefühl man ist unter sich und versteht sich.
Wünsche und Ziele
Gibt es einen großen unerfüllten Wunsch?
Ich wünsche mir, dass noch viele weitere Medikamente auf den Markt kommen, damit für alle Formen der MS Medikamente zur Verfügung stehen und das jedem Patienten eine ganzheitliche Behandlung ermöglicht werden kann, wie bei uns im MS-Zentrum.
Welche Entwicklung wünschst du dir im Bereich der Forschung und Behandlung der MS in den kommenden 5 Jahren?
Das ist die MS schnell erkannt wird, Das ist ein gutes Medikament für den Einstieg gibt, so dass möglichst wenige Einschränkungen und Behinderungen bis keine auftreten können.
Blitzlicht-Runde
Was war der beste Ratschlag, den du jemals erhalten hast?
Lass den Kopf nicht hängen.
Wie lautet dein aktuelles Lebensmotto?
Wo wir sind da ist vorne, und wenn wir mal nicht vorne sind dann ist hinten vorne.
Mit welcher Person würdest du gern einmal ein Kamingespräch führen und zu welchem Thema?
Da mir das Thema Arbeitswelt für chronisch Kranke sehr am Herzen liegt, würde ich mich gerne mit unserem Bundesminister Hubertus Heil (SPD) darüber austauschen.
Vervollständige den Satz: „Für mich ist die Multiple Sklerose... “
Anders gesund.
Welche Internet-Seite kannst du zum Thema MS empfehlen?
Die Seiten der DMSG.
Welches Buch oder Hörbuch kannst du uns empfehlen und worum geht es darin?
Aktuell angefangen habe ich das Buch „Unter Nazis“ von Jacob Springfeld.
Verabschiedung
Hast du einen Tipp, den du deinem jüngeren Ich geben würdest, für den Zeitpunkt der Diagnose?
Informiere dich über die MS, nimm Kontakt zu anderen MSler:innen auf und wenn es dir möglich ist gehe in eine Kontaktgruppe vor Ort.
Möchtest du den Hörerinnen und Hörern noch etwas mit auf dem Weg geben?
Wenn es mal nicht so gut läuft, Pack dich am Schopf und zieh dich aus dem Sumpf.
Wo findet man Dich im Internet?
Bei @ms_anders_gesund und unter @thomas_strube_niedersachsen.
Danke an Thomas Strube für die gewährten Einblicke, das Engagement im Rahmen der Multiplen Sklerose, aber auch für die Demokratie. Weiterhin alles Gute auf dem Weg!
Bis bald und mach das Beste aus Deinem Leben,
Nele
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