Der folgende Beitrag ist ein Update zu Folge 5, in der es um die Basistherapie geht, ergänzt um meine Erkenntnisse aus den vergangenen fünf Jahren und meinem Multiple Sklerose Management Studium. Die Bedeutung der Immuntherapie ist heute klarer denn je: Sie kann das Fortschreiten der MS verlangsamen und mögliche Einschränkungen hinauszögern.
In diesem Beitrag teile ich aktuelle wissenschaftliche Erkenntnisse, neue Therapieoptionen und meine persönlichen Erfahrungen. Zudem erfährst du, warum eine frühzeitige Basistherapie so wichtig ist und welche Entwicklungen es in der MS-Forschung gibt.
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Update zur Basistherapie
Ja, das ist wieder eine Wiederholungsfolge. Ich hatte bereits 2020 viel zur Basistherapie gesagt – und heute möchte ich diese wichtigen Inhalte noch einmal aufgreifen.
Ein wichtiger Hinweis vorab:
Wenn ich in dieser Folge von Basistherapie spreche, dann meine ich die Immuntherapie bzw. die verlaufsmodifizierende Therapie. Das bedeutet eine vorbeugende Behandlung, die darauf abzielt, das Fortschreiten der Multiplen Sklerose zu verhindern oder zumindest zu verlangsamen.
Inzwischen habe ich dazu eine komplette Podcast-Serie aufgenommen.
Der Auftakt: Ein Gespräch mit Professor Tjalf Ziemsen
Die erste Folge dieser Serie ist ein Interview mit Professor Tjalf Ziemsen, in dem wir ausführlich über die Bedeutung der verlaufsmodifizierenden Therapie sprechen. Er erklärt unter anderem:
✅ Warum ist die Immuntherapie so wichtig?
✅ Was muss man dabei beachten?
✅ Was bedeutet es, wenn bioidentische Medikamente auf den Markt kommen?
✅ Welche Nebenwirkungen sind häufig, aber harmlos – und welche sind selten, aber ernst zu nehmen?
✅ Warum ist es gefährlicher, eine hochaggressive MS unbehandelt zu lassen, als sich vor möglichen Nebenwirkungen zu fürchten?
Denn eines ist klar: Wenn die MS ungebremst voranschreitet, sind die Folgen in der Regel deutlich dramatischer als unangenehme, aber kontrollierbare Nebenwirkungen.
Regelmäßige Tests und Untersuchungen nicht vergessen!
Gegen ernsthafte Nebenwirkungen gibt es heutzutage zahlreiche Sicherheitschecks und Tests. Diese sind wichtig und notwendig, und ich kann dich nur ermutigen: Nimm diese Untersuchungen wahr und halte dich an die Empfehlungen deines Neurologen!
Die Bedeutung der neurologische Reserve
Ein weiteres zentrales Thema, das ich immer wieder anspreche, ist die neurologische Reserve. Dazu gibt es einen eigenen Beitrag, den ich dir unbedingt empfehle.
Fortschritte in der Forschung
In meiner früheren Folge habe ich darüber gesprochen, dass man in den chronischen Verlauf wechselt, wenn die neuronale Reserve aufgebraucht ist. Das war damals mein Wissensstand.
Mittlerweile weiß man jedoch mehr:
Die Forschung hat gezeigt, dass von Anfang an – oft sogar schon bevor die ersten Schübe auftreten – eine schleichende Verschlechterung im Hintergrund stattfinden kann.
Das bedeutet nicht, dass es jeden MS-Betroffenen betrifft, aber es kann passieren.
PIRA – Progression unabhängig von Schüben
Im Prinzip tritt diese schleichende Verschlechterung irgendwann aus dem Schatten der Schubaktivität hervor. Das geschieht dann, wenn die Schübe seltener werden oder sogar ganz ausbleiben. Dann fällt plötzlich auf, dass sich die Krankheit trotzdem weiter verschlechtert – und das unabhängig von neuen Schüben.
Im Englischen spricht man dabei von PIRA – Progression Independent of Relapse Activity, also Krankheitsprogression unabhängig von Schubaktivität.
Warum hat man PIRA entdeckt?
Diese Erkenntnis stammt aus Studien zu verlaufsmodifizierenden Medikamenten.
Viele moderne MS-Therapien sind inzwischen so wirksam, dass sie Schübe nahezu vollständig unterdrücken und oft auch keine neuen MRT-Läsionen mehr zulassen. Trotzdem kam es bei einigen Patient:innen zu einer fortschreitenden Verschlechterung.
Das bedeutet: Schübe und MRT-Aktivität sind nicht die einzigen Faktoren, die die MS vorantreiben.
Würde man die Medikamente ganz absetzen, hätte man beides gleichzeitig – sowohl Schübe als auch die schleichende Verschlechterung.
Deshalb geht man heute davon aus, dass diese stille Progression möglicherweise von Anfang an vorhanden ist – zumindest bei einigen Betroffenen.
Neue Hoffnung: BTK-Inhibitoren
Gegen diese schleichende Verschlechterung wird aktuell intensiv geforscht. Eine neue Medikamentenklasse, die BTK-Inhibitoren, könnte hier eine vielversprechende Option sein.
Aktuell befindet sich bereits ein BTK-Inhibitor in der Schnellzulassung in den USA, und auch in Europa läuft das Zulassungsverfahren. Das könnte für viele MS-Patient:innen eine ganz neue Therapiemöglichkeit bieten.
Die Forschung versteht MS immer besser
Wie du vielleicht schon in einigen meiner vergangenen Podcast-Folgen gehört hast, beschäftigen sich immer mehr Forscher:innen mit dieser schleichenden Progression – auch bekannt als Progredienz oder chronische Behinderungszunahme.
Die Wissenschaft versteht diesen Prozess mittlerweile besser, auch wenn noch nicht alles vollständig erforscht ist. Doch die Entwicklung geht in die richtige Richtung, und ich bin optimistisch, dass es in den kommenden Jahren noch mehr Fortschritte geben wird.
Bedeutung der Präzisionsmedizin
Da die Schubaktivität heute so gut kontrolliert werden kann, rückt das Thema der schleichenden Progression immer stärker in den Fokus der Forschung. Ich bin mir sicher, dass es hier in den kommenden Jahren große Durchbrüche geben wird.
Wichtige Erinnerung: Jedes Medikament wirkt individuell!
Ich spreche in dieser Folge über mein Medikament und meine persönliche Erfahrung damit. Aber bitte bedenke:
➡ Jeder Mensch reagiert unterschiedlich auf eine Therapie.
➡ Es gibt nicht „das eine“ beste Medikament – sondern das Medikament, das für dich persönlich am besten wirkt.
Was bei mir funktioniert, muss nicht automatisch auch für dich das Richtige sein. Deshalb ist es so wichtig, mit deiner Neurologin oder deinem Neurologen eine individuell abgestimmte Therapie zu finden.
Mein persönlicher Therapie-Weg
Aktuell bin ich in einer Therapiepause, weil ich vor Kurzem meine zweite Tochter bekommen habe. Während des zweiten und dritten Schwangerschaftstrimesters habe ich bewusst auf Medikamente verzichtet. Auch in der intensiven Stillzeit habe ich vorübergehend ausgesetzt.
Doch demnächst werde ich meine Basistherapie wieder aufnehmen. Denn mir ist bewusst, wie wichtig es ist, die MS weiter aktiv zu kontrollieren.
Welche Therapie ist die richtige für dich?
Die Wahl des richtigen verlaufsmodifizierenden Medikaments hängt von verschiedenen Faktoren ab:
✔ Wie aktiv ist deine MS?
✔ Wie gut verträgst du das Medikament?
✔ Welche Darreichungsform passt zu dir? (Tablette, Infusion, Spritze)
✔ Wie hoch ist dein persönliches Risiko für Nebenwirkungen?
MS-Therapie bedeutet immer eine individuelle Abwägung zwischen Wirksamkeit, Verträglichkeit und persönlichem Lebensstil.
Die Zukunft der MS-Therapie: Präzisionsmedizin
Die Forschung geht immer mehr in Richtung Präzisionsmedizin – also hin zu maßgeschneiderten Therapien, die speziell auf die individuellen Bedürfnisse von MS-Patient:innen abgestimmt sind.
Noch sind wir nicht ganz dort, aber wir haben schon einen großen Vorteil: In Deutschland haben wir Zugang zu einer breiten Palette an MS-Medikamenten. Das bedeutet, dass wir – in Absprache mit unseren Neurolog:innen – eine Therapie wählen können, die wirklich zu uns passt.
Was passiert, wenn meine Therapie nicht mehr ausreicht?
Sollte sich meine MS irgendwann verändern, das Medikament nicht mehr ausreichend wirken oder ich Probleme mit chronischen Symptomen bekommen – und es gäbe dafür ein passendes, bereits zugelassenes Medikament – dann würde ich ohne zu zögern auf eine wirksamere Therapie umsteigen.
Denn das Ziel bleibt immer dasselbe: Die MS bestmöglich kontrollieren, um ein aktives und möglichst uneingeschränktes Leben zu führen.
Persönliche Erfahrungen mit Medikamenten
Ich betone das immer wieder, weil ich regelmäßig Fragen bekomme wie: „Oh, welches Medikament nimmst du, Nele?“
Meine Antwort darauf ist immer dieselbe:
➡ Nur weil ein Medikament bei mir gut funktioniert, heißt das nicht, dass es für dich genauso gut passt.
MS ist eine hochgradig individuelle Erkrankung, und das gilt auch für die Wahl der richtigen Therapie. Was bei mir wirksam und gut verträglich ist, kann bei jemand anderem ganz anders wirken. Deshalb ist es so wichtig, dass du gemeinsam mit deinem Neurologen oder deiner Neurologin die beste Therapie für deinen individuellen Verlauf findest.
Das wollte ich noch einmal klarstellen.
Einführung in die Basistherapie
Heute geht es um die Basistherapie, wie bereits erwähnt. Dazu gibt es verschiedene Meinungen – das ist mir bewusst. Ich persönlich lege jedoch immer großen Wert darauf, Studienergebnisse einzubeziehen. Denn für mich geht es nicht um eine bestimmte Glaubensrichtung, sondern darum, was die Fakten sagen. Und die Fakten zeigen ganz klar, dass eine Basistherapie derzeit der beste Weg ist, um gegen Multiple Sklerose (MS) vorzugehen.
Es gibt einen sehr empfehlenswerten Bericht dazu mit dem Titel Brain Health – Keine Zeit verlieren bei Multipler Sklerose. Dieser wertet zahlreiche Studien und Berichte weltweit aus. Viele Länder sowie die verschiedenen MS-Organisationen rund um die Welt haben daran mitgewirkt.
Zum Brain Health Bericht habe ich eine ausführliche Podcastfolge mit Blogartikel erstellt. Schau gern dort nach oder hör Dir die Folge an.
Rückblick auf persönliche Erfahrungen
Ich möchte damit beginnen, wie es bei mir war. Ich habe die Diagnose Multiple Sklerose im Sommer 2004 erhalten.
Damals war die Situation noch etwas anders. Im Bereich der Multiplen Sklerose und ihrer Behandlung hat sich seither viel getan – und diese Entwicklung wird auch weiterhin fortschreiten. Zu jener Zeit war es noch nicht üblich, sofort mit einer Basistherapie zu beginnen. Nach ärztlicher Einschätzung hatte ich keine hochaktive Form der MS und befinde mich bis heute im schubförmig-remittierenden Verlauf – toi, toi, toi.
Man bot mir damals lediglich die Möglichkeit, an einer Studie teilzunehmen. Dabei hätte ich mich regelmäßig spritzen müssen, wobei meine Chance auf ein tatsächliches Medikament bei zwei Dritteln gelegen hätte. Ich hätte entweder eine hohe Dosis, eine niedrige Dosis oder ein Placebo erhalten. Nach Beratung mit Familienmitgliedern, die selbst Ärzte sind – allerdings keine Neurologen –, entschied ich mich dagegen. So blieb ich bis zu meinem zweiten Schub Ende 2008 ohne Basistherapie.
Zu diesem Zeitpunkt dachte ich, alles sei in Ordnung. Mir ging es gut, ich hatte keine spürbaren Probleme – also war es für mich die richtige Entscheidung. Doch aus heutiger Sicht muss ich klar sagen: Das war sie nicht. Denn in diesen Jahren entstanden zahlreiche neue Läsionen. Rückblickend hatte ich auch schon damals mit Fatigue zu kämpfen.
Während meines Studiums fiel mir auf, dass ich in manchen, zugegeben langweiligen, Vorlesungen immer wieder einschlief – etwas, das anderen Studierenden nicht passierte. Selbst Kaffee half mir nicht viel. Dabei litt ich nicht an Schlafmangel, sondern an der typischen chronischen Erschöpfung, die mit MS einhergehen kann. Heute ist mir klar, dass das Fatigue war.
Später, während meines Praxissemesters, hatte ich ebenfalls große Probleme mit Müdigkeit. Das war für jemanden Mitte 20, der eigentlich fit und ausgeruht sein sollte, definitiv nicht normal. Und wer weiß, welche Auswirkungen die zusätzlichen Läsionen in meinem Gehirn hatten. Damals habe ich das nicht bewusst wahrgenommen. Erst im Nachhinein wurde mir klar, dass Fatigue bereits damals ein Problem für mich war.
Empfehlungen zur sofortigen Therapie
Aber aus heutiger Sicht ist es ganz klar: Es wird in jedem Fall empfohlen, sofort mit einer Basistherapie zu beginnen. Man geht sogar so weit, dass selbst bei einem klinisch isolierten Syndrom (KIS, englisch CIS – Clinically Isolated Syndrome) bereits ein Therapiebeginn empfohlen wird, wenn Anzeichen dafür vorliegen, dass sich daraus eine Multiple Sklerose entwickeln könnte.
Warum Basistherapie?
Die Basistherapie umfasst eine Vielzahl verschiedener Medikamente, und für jeden Patienten gibt es eine individuell passende Therapie. Denn wir alle sind unterschiedlich – und auch die MS ist äußerst individuell. Nicht umsonst wird sie als die Krankheit mit den tausend Gesichtern bezeichnet.
Das Ziel der Basistherapie ist es, das Fortschreiten der MS zu verlangsamen oder im besten Fall sogar zu verhindern. Meine persönliche Erfahrung zeigt deutlich: Ohne Basistherapie ist die Krankheit bei mir vorangeschritten – und das, ohne dass ich es bewusst bemerkt habe. Genau das ist das Tückische an MS: Sie schreitet oft im Verborgenen voran.
Gerade am Anfang, im schubförmig-remittierenden Verlauf, bekommt man nur einen Bruchteil der tatsächlichen Schäden mit. Studien zeigen, dass nur etwa 10 % der Zerstörungen im Gehirn oder im zentralen Nervensystem als Schub wahrgenommen werden. Das bedeutet: 90 % dessen, was geschädigt wird, bleibt unbemerkt.
Ich dachte damals: Mir geht es super, es passiert nichts, und falls doch mal ein Schub kommt, nehme ich einfach etwas Cortison – das war’s. Doch ich habe mich getäuscht. Die Krankheit hat sich weiterentwickelt, ohne dass ich es realisiert habe.
Wenn du denkst, dass es dir ohne Basistherapie gut geht, sei vorsichtig. Ich kann dir nur dringend empfehlen, regelmäßig MRTs sowie neurologische Untersuchungen durchführen zu lassen. Falls deine Neurologin oder dein Neurologe dir zu einer Basistherapie rät, dann versuche, dich zu überwinden und ein Medikament zu finden, das für dich am besten geeignet ist.
Denn momentan gilt leider: Schäden, die bereits entstanden sind, lassen sich nicht mehr rückgängig machen. Alles, was im Gehirn zerstört wurde, bleibt verloren. Die Tatsache, dass viele Betroffene ihre Funktionen dennoch zurückerlangen, liegt an der neurologische Reserve des Gehirns.
Die Neurologische Reserve
Diese Reserve ermöglicht es, dass gesunde Bereiche des Gehirns beschädigte Funktionen übernehmen. Doch diese Kapazität ist begrenzt – und irgendwann aufgebraucht. Niemand kann genau bestimmen, wie groß sie ist oder wie viel davon noch übrig ist. Vielleicht wird es in Zukunft möglich sein, das besser zu messen – aber im Moment geht das noch nicht. Sicher ist jedoch: Diese Reserve wird mit der Zeit aufgebraucht. Je mehr Läsionen entstehen, je mehr Schaden im Gehirn oder im zentralen Nervensystem angerichtet wird, desto schneller schrumpft sie.
Das bedeutet: Wenn du eine funktionierende Basistherapie hast, kann es durchaus sein, dass deine neurologische Reserve ein Leben lang ausreicht – und du möglicherweise nie bleibende Einschränkungen erleiden wirst. Das ist zumindest meine Hoffnung und mein persönlicher Ansatz.
Ich setze alles daran, meine neurologische Reserve durch meine Lebensweise, aber vor allem durch die Basistherapie so gut wie möglich zu schützen. Mein Ziel ist es, dass die wenigen Schäden, die trotz Therapie und gesundem Lebensstil entstehen, meine Reserve nicht vollständig aufbrauchen. Denn ich habe vor, alt zu werden – und dabei möglichst ohne bleibende Einschränkungen zu leben.
Das ist ein optimistischer Ansatz, aber er ist nicht unrealistisch.
Mein erster Schub ereignete sich 2003, und im Sommer 2004 wurde die Diagnose Multiple Sklerose bei mir gestellt. Ende 2008 hatte ich dann meinen nächsten Schub und habe im Januar 2009 mit der Basistherapie begonnen.
Der Weg mit meiner Basistherapie
Bei mir war es Copaxone (Glatirameracetat), aber das bedeutet nicht, dass es das einzige wirksame Medikament ist – ganz im Gegenteil. Es gibt viele verschiedene MS-Medikamente, und für jeden Patienten kann eine andere Therapie besser geeignet sein. In meinem Fall hat Copaxone hervorragend gewirkt. Ich habe es bis zum ersten Trimester meiner Schwangerschaft mit meiner Tochter genommen – insgesamt also fast neun Jahre lang.
Während dieser gesamten Zeit hatte ich keine neuen Läsionen – weder in meinem Gehirn noch in meinem zentralen Nervensystem. Das heißt, die Therapie hat bei mir perfekt funktioniert. Vorher, zwischen 2004 und 2008 (bzw. Anfang 2009, als ein MRT gemacht wurde), waren noch einige neue Läsionen hinzugekommen. Doch von 2009 bis Mitte 2018 gab es keine einzige neue Läsion mehr.
Ich war also durch Copaxone sehr gut geschützt. Allerdings ist Copaxone ein immunmodulierendes Medikament. Das bedeutet, wenn du eine aktivere Form der MS hast, ist es möglicherweise nicht die richtige Wahl für dich. Für Patienten mit hochaktiver oder mittelschwerer MS gibt es heute modernere Medikamente, die deutlich wirksamer sind.
Das Ziel dieser Therapien ist es, den Krankheitsverlauf zu verlangsamen oder – wenn möglich – sogar zu stoppen, sodass die neuronale Reserve geschont wird.
Während meiner Schwangerschaft und auch in der Stillzeit, also das erste Jahr nach der Geburt, habe ich keine Basistherapie mehr genommen. Ich konnte Copaxone bis zum ersten Trimester weiternehmen, da es als unbedenklich gilt. Aber: Bitte stimme dich in jedem Fall mit deiner Neurologin oder deinem Neurologen ab!
Heute gibt es einige MS-Medikamente, die sogar während der gesamten Schwangerschaft eingenommen werden können. Es gibt Patientinnen, die ihre Therapie durchgehend fortsetzen – das ist individuell möglich. Aber das sollte immer in enger Absprache mit dem behandelnden Arzt erfolgen.
In meinem Fall hatte ich mit meinem Neurologen abgesprochen, dass ich Copaxone bis zur 12. Schwangerschaftswoche weiternehme. Das habe ich getan – und meine Tochter kam kerngesund zur Welt. Alles verlief völlig normal, alles bestens.
Danach habe ich die Therapie pausiert. Etwa neun Monate nach der Geburt, als meine Tochter ein dreiviertel Jahr alt war, habe ich ein MRT gemacht.
Schwangerschaft und Therapieanpassungen
Bei meinem MRT wurde eine kleine Veränderung festgestellt. Das ist nicht ungewöhnlich, da nach einer Geburt häufig eine vorübergehende Krankheitsaktivität auftritt. Ich kann nicht genau sagen, wann diese neue Läsion entstanden ist, da ich während der Schwangerschaft kein MRT gemacht habe. Aber während der Schwangerschaft habe ich mich sehr gut gefühlt und hatte keine spürbaren Symptome.
Nach der Geburt bemerkte ich jedoch ein leichtes Taubheitsgefühl in zwei meiner Zehen am rechten Fuß. Im MRT konnte man eine kleine Veränderung sehen. Um sicherzugehen, wurde Anfang 2020 – genauer gesagt im Januar – ein weiteres MRT durchgeführt. Die Auswertung erhielt ich im Februar.
Das Ergebnis: Es gab keine neuen Läsionen mehr, sondern nur eine leichte Restaktivität an der zuvor entdeckten Stelle. Das spricht dafür, dass diese neue Läsion tatsächlich nach der Geburt entstanden ist – möglicherweise als Folge der Hormonumstellung oder des Schlafmangels. Das ist eine relativ typische Reaktion nach der Schwangerschaft.
Während der Schwangerschaft selbst nimmt die MS-Aktivität bei den meisten Betroffenen ab. Es gibt jedoch Ausnahmen: Wer eine sehr aktive MS hat, kann auch in der Schwangerschaft weiterhin Schübe oder neue Läsionen haben. Doch häufig kommt es nach der Geburt zu einem Rebound-Effekt, bei dem die Krankheitsaktivität vorübergehend wieder ansteigt.
Da mein zweites MRT keine starke Krankheitsaktivität zeigte, sondern nur eine geringe, entschied ich mich dazu, meine Basistherapie mit Copaxone (Glatirameracetat) wieder aufzunehmen. Hätte sich im MRT eine deutliche Zunahme der Aktivität gezeigt, hätte ich auf ein stärkeres Medikament umgestellt.
Wann sollte man die Basistherapie wechseln?
Die Wahl der Basistherapie hängt stark vom individuellen Krankheitsverlauf ab. Bei einem milden Verlauf kann eine immunmodulierende Therapie wie Copaxone ausreichend sein. Doch bei einem mittleren oder schweren Verlauf werden heute andere, stärkere Medikamente eingesetzt.
Moderne Erkenntnisse aus weltweiten Studien zeigen: Falls du trotz Basistherapie weiterhin Schübe hast, sollte die Therapie umgestellt werden. Früher hat man oft abgewartet – heute weiß man, dass eine frühzeitige Anpassung der Therapie wichtig ist, um langfristige Schäden zu vermeiden.
Anpassung der Therapie
Jeder Patient reagiert unterschiedlich auf die verschiedenen MS-Medikamente. Doch dank der Vielzahl an verfügbaren Therapien gibt es mittlerweile für fast jede Patientin und jeden Patienten eine passende Behandlung. Zudem befinden sich ständig neue Medikamente in der Test- und Zulassungsphase – in den kommenden Monaten und Jahren wird sich also noch viel tun. Deshalb ist es wichtig, regelmäßig mit der Neurologin oder dem Neurologen über die beste Therapieoption zu sprechen.
Das Ziel ist es, genau das Medikament zu finden, das für dich am besten wirkt. Ich hatte mich auch intensiv mit meinem Neurologen beraten. Er äußerte Bedenken, dass meine MS möglicherweise in einen aktiveren Verlauf übergegangen sein könnte. Deshalb haben wir zwei MRTs in relativ kurzer Zeit durchgeführt.
Da das zweite MRT jedoch keine weitere Krankheitsaktivität zeigte, entschieden wir, bei Copaxone (Glatirameracetat) zu bleiben. Ein wichtiger Grund dafür war auch, dass ich weiterhin meine Tochter stillte. Copaxone gilt als sehr sicher während der Stillzeit, und ich war froh, dass ich es weiternehmen konnte.
Gerade in der Corona-Zeit empfand ich das Stillen als Vorteil, da meine Tochter dadurch zusätzlich geschützt war. Natürlich ist das Stillen anstrengend, und sie bleibt dadurch in gewisser Weise abhängig von mir. Gleichzeitig ist es aber auch sehr praktisch und flexibel. Mittlerweile ist sie ein Jahr und drei Monate alt, und ich bin glücklich darüber, dass ich Copaxone bedenkenlos nehmen kann.
Der Wirkstoff ist sehr groß und wird im Körper rasch aufgespalten, sodass er höchstwahrscheinlich nicht in die Muttermilch übergeht. Bisherige Studien unterstützen diese Annahme. Zwar gibt es keine aktiven klinischen Studien zu diesem Thema, aber Daten aus bestehenden Untersuchungen deuten darauf hin. Ich mache mir deshalb keine Sorgen – meine Tochter ist gesund.
Während der Schwangerschaft hatte ich Copaxone bereits in den ersten drei Monaten genommen, und es gibt auch andere Medikamente, die in bestimmten Fällen während der Schwangerschaft eingesetzt werden können. Allerdings gilt das meist nicht für hochaktive Verlaufsformen. Deshalb nochmals meine dringende Empfehlung: Sprich immer mit deiner Neurologin oder deinem Neurologen, bevor du eine Entscheidung triffst!
Nachdem ich die Therapie wieder aufgenommen hatte, fühlte ich mich schnell wieder sicherer. Denn nach meinem ersten MRT nach der Geburt hatte ich zunächst ein mulmiges Gefühl. Zunächst hieß es, es sei keine Aktivität sichtbar, doch später wurde doch eine kleine Veränderung entdeckt. Das erfuhr ich mit leichter Verzögerung, sodass ich erst erleichtert war – nur um dann doch noch zu hören, dass sich eine kleine neue Läsion gebildet hatte.
Das zweite MRT bestätigte jedoch, dass keine weitere Aktivität mehr vorhanden war, was mich beruhigte. Trotzdem war mir klar: Ich wollte wieder unter den Schutz der Basistherapie, um mein Risiko bestmöglich zu minimieren.
Zu dieser Zeit hatte ich bereits mein Buch fertiggestellt, das nun am 1. April 2020 erscheinen wird.
Buchveröffentlichung und weitere Informationen
Mein Buch „Multiple Sklerose? Keine Angst! – Ein 15-jähriger Erfahrungsbericht“ ist überall im Onlinehandel erhältlich und kann auch im Buchladen bestellt werden.
Durch diesen Podcast, meine Webseite und das Schreiben meines Buches habe ich mich sehr intensiv mit dem Thema Multiple Sklerose auseinandergesetzt. Mein Neurologe empfahl mir außerdem den äußerst interessanten Bericht „Brain Health – Keine Zeit verlieren bei Multipler Sklerose“. Ich habe mich bereits intensiv damit beschäftigt und werde mich in diesem Podcast immer wieder darauf beziehen.
Die zentrale Botschaft dieses Berichts ist unmissverständlich:
Das beste Mittel, das wir aktuell gegen Multiple Sklerose haben, ist eine frühzeitige Basistherapie. Deshalb gilt die klare Empfehlung: So schnell wie möglich mit der Basistherapie beginnen!
Das gilt nicht nur für eine bestätigte MS-Diagnose, sondern auch für ein klinisch isoliertes Syndrom (KIS) – also die erste Episode mit MS-typischen Symptomen. Studien zeigen, dass sich aus einem KIS in 30 bis 70 Prozent der Fälle tatsächlich eine Multiple Sklerose entwickelt. Diese Schwankung ergibt sich aus unterschiedlichen Studienergebnissen weltweit.
Doch wenn alles darauf hindeutet, dass sich aus einem KIS eine MS entwickeln könnte, dann lautet die empfohlene Strategie: Nicht abwarten, sondern bereits frühzeitig mit der Basistherapie beginnen.
Medikamente und deren Wirksamkeit
Für den Beginn einer Basistherapie gibt es zunächst die milderen Medikamente, wie Copaxone (Glatirameracetat) oder die Interferone. Diese kommen vor allem bei weniger aktiven Verlaufsformen der MS zum Einsatz.
Bei einer aktiven MS hingegen sind in der Regel die neueren und wirksameren Medikamente die bessere Wahl. Wichtig ist: Jedes Medikament braucht eine gewisse Zeit, bis es seine volle Wirkung entfaltet.
Bei Copaxone dauert es beispielsweise etwa drei Monate, bis sich die volle Schutzwirkung einstellt. Falls aber trotz Therapie weiterhin Krankheitsaktivität im MRT sichtbar ist oder du Schübe bekommst, dann solltest du das Medikament nicht zu lange weiternehmen, sondern stattdessen auf eine wirksamere Therapie umsteigen.
Zeit nicht verstreichen lassen!
Das Ziel jeder MS-Therapie ist es, die Erkrankung zu verlangsamen oder bestenfalls aufzuhalten, damit wir – du, ich und alle anderen – so lange wie möglich ohne Einschränkungen aktiv am Leben teilnehmen können.
Ich selbst lebe jetzt seit fast 16 Jahren mit der Diagnose MS, mein erster Schub liegt inzwischen 17 Jahre zurück. Bisher habe ich keinerlei Einschränkungen, weil meine neuronale Reserve die Schäden immer ausgleichen konnte. Hoffentlich bleibt das noch lange so.
Ich wünsche mir, dass mein Medikament weiterhin gut wirkt, sodass ich nach den drei Monaten wieder den vollen Schutz durch Copaxone habe. Ich will weiterhin mit meiner Tochter spielen, ihr das Fahrradfahren beibringen, mit ihr schwimmen und wandern gehen – und wenn es soweit ist, sogar auf Bäume klettern.
Natürlich ist es auch völlig in Ordnung, wenn man solche Dinge irgendwann nicht mehr tun kann – das Leben bleibt dennoch lebenswert. Aber mein persönliches Ziel ist es, so lange wie möglich ohne Einschränkungen zu leben, und genau das wünsche ich dir auch!
Überwinde deine Ängste vor der Basistherapie!
Falls du noch Bedenken oder Ängste hast, kann ich das gut nachvollziehen. Bei mir war es damals vor allem die Angst vor dem Spritzen. Darüber werde ich in einer anderen Podcast-Folge noch ausführlicher sprechen.
Heute gibt es zum Glück verschiedene Therapieformen:
- Tabletten
- Infusionen
- Spritzen
Natürlich haben alle Medikamente mögliche Begleiterscheinungen, aber am Ende geht es immer darum, eine Abwägung zu treffen:
➡ Krankheitsverlauf verlangsamen oder sogar stoppen – oder weiterhin riskieren, dass die MS ungehindert Schäden verursacht.
Wichtige Erkenntnis zur MS und der neurologischen Reserve
Aktuell gibt es keine Möglichkeit, einmal entstandene Schäden durch MS rückgängig zu machen.
Die neurologische Reserve gleicht viele Schäden aus – vor allem am Anfang der Erkrankung. Deshalb können viele MS-Betroffene nach einem Schub ihre Funktionen weitgehend zurückgewinnen. Doch eines darf man nicht vergessen:
👉 Die beschädigten Bereiche im Gehirn bleiben irreversibel zerstört.
👉 Die neurologische Reserve wird mit der Zeit aufgebraucht.
Wenn diese Reserve erschöpft ist, geht die MS vom schubförmigen in den chronischen Verlauf über. Und im chronischen Verlauf nehmen die Einschränkungen zunehmend zu. Man kann sie dann zwar durch verschiedene Therapien noch zeitweise mildern, aber nicht mehr vollständig rückgängig machen.
Zukunftsaussichten: Hoffnung auf Remyelinisierung
Die Forschung arbeitet intensiv daran, die Myelinschicht im Gehirn wieder zu reparieren. Es gibt bereits Studien, die sich mit der Regeneration des Nervensystems beschäftigen. Ich bin überzeugt, dass es irgendwann Therapien geben wird, die geschädigte Nervenstrukturen wiederherstellen können.
Doch das wird noch viele Jahre dauern. Deshalb ist es jetzt entscheidend, alles zu tun, um die MS so früh wie möglich zu verlangsamen – mit der richtigen Basistherapie.
Plädoyer für die Basistherapie
Deshalb bitte, bitte, bitte – überwinde dich!
Sprich mit deinem Arzt oder deiner Ärztin, informiere dich und beginne eine Basistherapie. Und nicht nur das: Tu alles, was dazu beiträgt, dass du gesund bleibst!
Ich werde in diesem Podcast noch viele weitere Folgen dazu machen – über Ernährung, Bewegung, Stressmanagement und alles, was dir helfen kann, deine Gesundheit zu erhalten. Aber heute war es mir besonders wichtig, über die Basistherapie zu sprechen.
Zusammenfassung – Die wichtigsten Punkte auf einen Blick:
✅ Starte eine Basistherapie – so schnell wie möglich!
✅ Sprich mit deinem Neurologen oder deiner Neurologin über die beste Therapieoption für dich.
✅ Falls deine Krankheit trotz Basistherapie weiter fortschreitet, warte nicht zu lange: Wechsle das Medikament!
✅ Eine Basistherapie braucht zwar eine gewisse Anlaufzeit, aber wenn sie nicht wirkt, gibt es viele andere Medikamente, die du ausprobieren kannst.
✅ Ja, jede Therapie hat Nebenwirkungen – aber sie ist deine beste Chance, die Krankheit zu verlangsamen.
✅ Ziel ist es, so lange wie möglich gesund und aktiv zu bleiben – mit möglichst wenigen oder gar keinen Einschränkungen.
✅ Deine neurologische Reserve kann viele Schäden ausgleichen – aber sie ist nicht unendlich.
✅ Ist sie einmal aufgebraucht, wechselt die MS in den chronischen Verlauf, und die Einschränkungen nehmen zu – oft betrifft das zuerst die Gehfähigkeit, aber auch andere Symptome können sich verstärken.
Mein persönliches Fazit:
Das war heute mein dringendes Plädoyer für die Basistherapie. Ich wünsche dir, mir und allen anderen da draußen viel Gesundheit, viel Kraft und eine möglichst lange Zeit ohne Einschränkungen.
🧡Bleib so gesund wie möglich! 🧡
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