Vielleicht erinnerst du dich noch an mein Interview mit MS-Patientin Caroline Régnard-Mayer aus dem Jahr 2020? Caroline lebt seit 2004 mit Multipler Sklerose und hat in den letzten Jahren viel erlebt – von verschiedenen Therapieentscheidungen über persönliche Herausforderungen bis hin zu neuen Projekten.
Nun gibt sie uns ein persönliches Update darüber, wie es ihr heute, im März 2025, geht. In unserem Gespräch erfährst du, warum sie sich vor drei Jahren für eine neue Therapie entschieden hat, welche Hilfsmittel ihr den Alltag erleichtern und wie sie sich trotz der schleichenden Verschlechterung ihrer MS weiterhin aktiv hält.
Caroline spricht offen darüber, wie sie ihre Ernährung angepasst hat, warum sie sich bewusst ein Umfeld geschaffen hat, das nicht nur aus MS-Themen besteht, und wie sie es schafft, auch schwierige Phasen zu bewältigen. Außerdem berichtet sie über ihre neuesten Buchprojekte, darunter Kinderbücher, die MS auf eine einfühlsame Weise erklären.
Ob du selbst betroffen bist, AngehörigeR oder einfach mehr über das Leben mit MS erfahren möchtest – dieses Update und das ursprüngliche Interview sind inspirierende und ehrliche Momentaufnahmen, die zeigen, wie wichtig es ist, seinen eigenen Weg zu finden.
Ich freue mich, wenn du reinhörst oder den Blogartikel liest – und lass mich gerne wissen, was du aus Carolines Geschichte für dich mitnimmst! 😊
Inhaltsverzeichnis
Update März 2025
Caroline: Hallo liebe Nele, hallo liebe Zuhörerinnen und Zuhörer. Ich freue mich, hier ein Update geben zu dürfen. Ich finde das eine ganz tolle Idee, Nele. Es ist auch einiges passiert, seit ich bei dir im Podcast zu Gast war. Es sind inzwischen über fünf Jahre vergangen, und es hat sich viel verändert. Die Corona-Pandemie haben wir alle überstanden. Ich erzähle ein bisschen, was sich bei mir getan hat.
Nach einer langen Pause ohne Therapie habe ich mich vor knapp drei Jahren entschieden, mit Ofatumumab zu beginnen. Ich spritze es einmal im Monat, da ich nach einer Impfung damals sehr starke MS-Symptome hatte. Es ist nicht eindeutig, ob es sich um einen aufgesetzten Schub handelte.
Ich war lange im Krankenhaus und habe eine Plasmapherese erhalten. Zehn Tage war ich stationär in Karlsruhe. Jeden zweiten Tag wurden vier Liter Plasma ausgetauscht. Das hat mir sehr geholfen. Es hat zwar ein paar Wochen gedauert, bis ich wieder mit allem klarkam, aber trotz der Therapie merke ich, dass die MS langsam voranschreitet.
Klar, ich bin im sekundär chronisch-progredienten Verlauf, aber ich nehme es, wie es kommt. Es ist natürlich nicht einfach, wenn man weiß, dass es immer schlechter wird. Ich habe mittlerweile weitere Hilfsmittel erhalten – vor Kurzem eine Orthese und ein Zuggerät für meinen Rollstuhl, das von der Krankenkasse übernommen wurde.
Ich habe auch meine Therapien optimiert. Mittlerweile mache ich wieder eine Psychotherapie, weil mein Vater letztes Jahr die Diagnose einer sehr aggressiven Leukämie erhalten hat. Ich begleite ihn oft ins Krankenhaus nach Heidelberg in die Onkologie. Dann liegt es an mir, mit den Ärzten zu sprechen und alles mit dem Krankenhaus sowie der Versicherung zu regeln, da er mit seinen 80 Jahren damit überfordert ist.
Das prägt mein Leben seit Monaten. Mein soziales Leben ist ziemlich zum Erliegen gekommen, aber es ist einfach eine Phase, durch die ich jetzt durchmuss. Ich bin psychisch relativ stabil, was mich manchmal überrascht, aber vielleicht bin ich einfach gut eingestellt, und die zusätzliche Psychotherapie gibt mir Halt. Ich habe mir auch eine Art Tunnelblick angewöhnt, weil ich sonst nicht alles bewältigen könnte.
Meine Kinder sind mittlerweile erwachsen. Mein Sohn ist jetzt Geoökologe und macht noch seinen Master. Meine Tochter arbeitet weiterhin in einem großen Unternehmen in Heppenheim/Bensheim und ist BWLerin. Sie hat ihren Weg toll gefunden, und mein Sohn wird das sicher auch noch tun.
Ich nehme weiterhin Nahrungsergänzungsmittel, aber nicht ziellos, wie es oft empfohlen wird. Ich lasse regelmäßig meine Blutwerte kontrollieren, zum Beispiel den Vitamin-D-Spiegel, und passe die Einnahme entsprechend an.
Ich bin weiterhin als Gruppenleiterin in einer Selbsthilfegruppe aktiv. Wir gehören zur DMSG Rheinland-Pfalz. Außerdem mache ich meinen Reha-Sport. Speziell für MS gibt es da zwar nichts, aber ich bin Mitglied der Rheumaliga. Unsere Gruppe besteht vor allem aus älteren Damen, die mindestens 75 oder 80 Jahre alt sind, aber ich fühle mich dort sehr wohl.
Eine Veränderung in meinem Leben war, dass ich mich nicht mehr ausschließlich mit MS und kranken Menschen umgebe. Seit letztem Jahr bin ich bei den Landfrauen in Zieweldingen aktiv – einem Vorort von Landau, wo ich lebe. Das gibt mir viel Kraft, weil ich dort auch mit gesunden Menschen in Kontakt komme, darunter auch welche in meinem Alter. Mittlerweile bin ich 59.
Diese neue Erfahrung gibt mir frischen Input und neue Stärke. Ich reise weiterhin – einmal im Jahr mit einem meiner Kinder, immer abwechselnd. Dieses Jahr, weil meine Tochter 30 wird und ich 60, reisen wir eine Woche nach Österreich. Dort gibt es ein Hotel mit einer Umgebung, die so ausgebaut ist, dass auch Rollstuhlfahrer bis zu 15 Kilometer durch die Berge rollen können. Ich freue mich riesig darauf. Ich plane viel weniger als früher und lasse vieles einfach auf mich zukommen – außer natürlich die Reise Ende Mai, die ist schon gebucht.
Meine Ernährung habe ich noch weiter angepasst. Ich ernähre mich entzündungshemmend – teilweise nach dem Wahls-Protokoll, aber auch linolsäurearm. Mein Kochbuch Guten Appetit mit MS habe ich neu aufgelegt. Ich glaube, das hilft vielen Menschen, besonders denen, die neu mit der Diagnose konfrontiert sind und nicht wissen, wie sie sich ernähren sollen. Eine Ernährungsumstellung erfordert Geduld, aber es lohnt sich.
Vor zwei Jahren habe ich endlich mein Herzensprojekt umgesetzt und mein erstes Kinderbuch geschrieben: Mama ist anders gesund – Kindern Multiple Sklerose erklären. In der Geschichte besucht der Traktor Fridolin den achtjährigen Florian und erklärt ihm die Krankheit Multiple Sklerose. Das Buch enthält viele bunte Illustrationen einer australischen Illustratorin.
Mein Sohn hat ein ganzes Kapitel über seine Kindheit und Jugend mit einer Mama, die MS hat, geschrieben. Er gibt den Kindern darin wertvolle Einblicke und macht ihnen Mut. Am Ende des Buches gibt es auch eine Rätselecke. Dieses Buch war wirklich mein Herzensprojekt.
Doch dann kamen die Papas mit MS auf mich zu und sagten: „Wir wollen auch ein Buch über Papas mit MS!“ Also habe ich das Buch umgeschrieben und Papa ist anders gesund veröffentlicht. Letztes Jahr habe ich gemeinsam mit zwei anderen MS-Betroffenen ein weiteres Kinderbuch herausgebracht.
In diesem Buch trifft der Drache Fridolin auf das Eichhörnchen Missy. Missy stand bereits im Mittelpunkt des ersten Kinderbuchs meiner beiden Mitautorinnen Conny und Anne-Kathrin. In unserer neuen Geschichte unterhalten sich Missy und Fridolin über verschiedene chronische Erkrankungen – darunter Diabetes, Darmerkrankungen, ME/CFS, MS, Alzheimer und Parkinson.
Das waren meine Projekte der letzten Jahre, und ich freue mich, dass du zugehört hast. Du kannst mich weiterhin auf meinem Blog besuchen – er existiert nun schon seit acht Jahren, und ich veröffentliche dort regelmäßig neue Artikel: www.frauenpowertrotzms.
Ich freue mich über jeden Kontakt und Austausch. Viele Menschen, die ich über Instagram kennengelernt habe, habe ich inzwischen persönlich getroffen. Das gibt mir Kraft und Energie.
Ich bedanke mich ganz herzlich für die Einladung, liebe Nele, und wünsche dir und den Zuhörerinnen und Zuhörern alles erdenklich Gute.
Tschüss!
Vorstellung
Caroline Régnard-Mayer ist Autorin und Bloggerin, die regelmäßig über das Thema Multiple Sklerose schreibt, an der sie selbst erkrankt ist. Sie hatte im schubförmigen Verlauf eine hochaktive MS und befindet sich mittlerweile im sekundär-progredienten Verlauf.
Ihren Blog gibt es seit 2018. Mit dem Bücherschreiben begann sie bereits 2009.
Einstellung zur MS
Für mich ist die Multiple Sklerose eine Chance in der Krise gewesen. Anders gesund bedeutet nicht das Ende, sondern kann oft ein Neubeginn sein.
Mein Krankheitsverlauf und Therapien
Nele: Seit wann bist du im sekundär progredienten Verlauf?
Caroline: Das begann vor etwa acht Jahren, nachdem ich verschiedene Eskalationstherapien durchlaufen hatte. Meine MS war hochaktiv, und ich habe mehrere Medikamente ausprobiert. Eine Infusionstherapie, die damals neu auf dem Markt war, habe ich drei Jahre lang genutzt. Danach ging die Krankheit in einen schleichenden Verlauf über.
Nele: Konntest du durch die Medikamente den Verlauf verzögern?
Caroline: Leider nicht wirklich. Aber ich muss sagen, dass ich mit dem jetzigen Verlauf besser zurechtkomme als früher mit den häufigen Schüben. Damals hatte ich bis zu fünf Schübe im Jahr, die alle mit Cortison behandelt wurden. Heute weiß ich, was mich erwartet, und kann mich darauf einstellen.
Nele: Welche Medikamente hast du ausprobiert?
Caro: Zwei Interferone, zwei orale Basistherapien und eine Infusionstherapie. Heute gibt es viel mehr Therapieoptionen, aber für mich kommt nur noch eine Chemotherapie infrage, die ich allerdings ablehne, da sie tief in den Stoffwechsel und das Immunsystem eingreift.
Nele: Gibt es andere Therapieansätze, mit denen du deine MS-Symptome behandelst?
Caroline: Ja, ich mache vor allem Symptombehandlung. Ich nehme Medikamente gegen Blasenstörungen, Depressionen und Gehprobleme. Darüber hinaus habe ich meine Ernährung umgestellt und esse seit über zehn Jahren kein Fleisch mehr. Ich orientiere mich an einer linolsäurearmen und entzündungshemmenden Ernährung und nehme gezielt Nahrungsergänzungsmittel, basierend auf meinen Blutwerten.
Therapie, Sport und Psychische Gesundheit
Nele: Machst du auch Physiotherapie?
Caroline: Ja, ich habe zweimal wöchentlich Neurophysiotherapie und einmal Ergotherapie. Vor zehn Jahren bin ich zum Feldenkrais gekommen, eine Methode, die mir hilft, alte Bewegungsmuster neu zu lernen und meinen Körper zu entspannen.
Nele: Du gehst sehr offen mit dem Thema Depression um, was ich toll finde. Machst du Psychotherapie?
Caroline: Ja, ich nehme Antidepressiva und gehe alle drei Wochen zur Psychotherapie. Leider habe ich nicht mehr viele Sitzungen übrig und muss sie gut einteilen. Meditation und progressive Muskelentspannung helfen mir ebenfalls.
Arbeit, Familie und Freizeit
Nele: Wie sah dein Leben vor der Diagnose aus?
Caroline: Ich hatte alles durchgeplant: Beruf, Weiterbildung, Familie. Ich habe geheiratet, wir sind umgezogen, und meine Tochter kam zur Welt. Doch nach meiner Diagnose war nichts mehr planbar. Ich habe lange gebraucht, um zu verstehen, dass ich mein Leben umstellen muss. Heute plane ich weniger und lebe im Hier und Jetzt.
Nele: Du bist auch Bloggerin und Autorin. Wann hast du damit begonnen?
Caroline: 2009 kam mein erstes Buch Frauenpower trotz MS heraus. Danach folgten weitere Bücher, darunter Kochbücher und Ratgeber. Seit 2018 betreibe ich meinen Blog Frauenpower trotz MS, wo ich offen über Themen wie Blasenstörungen, Depressionen und Ernährung schreibe.
Leben mit MS – Herausforderungen und Chancen
Nele: Was war dein schlimmster Tiefpunkt?
Caroline: 2008/2009 konnte ich überhaupt nicht mehr laufen. Ich war auf Hilfe angewiesen, hatte eine Familienhelferin und musste monatelang Cortison nehmen. Nach viel Disziplin und Therapie habe ich mich zurückgearbeitet.
Nele: Was hat sich an deinem Lebensglück und deiner Einstellung verändert?
Caroline: Ich sehe das Positive: Ich habe meine Kinder allein großgezogen, reise immer noch, gehe klettern und fotografiere. Es gibt Dinge, die ich nicht mehr kann, aber ich habe vieles Neues entdeckt.
Nele: Gibt es einen großen, unerfüllten Wunsch?
Caroline: Ja, eine Wohnmobilreise durch Norwegen. Ich war bereits dort, aber es hat die ganze Zeit geregnet. Ich würde es gerne nochmal erleben!
Umgang mit der Erkrankung
Heute achte ich auf mich. Ich habe die MS schon lange akzeptiert und führe ein „neues“ Leben. Zu Beginn schrieb ich einige Bücher, nun blogge ich regelmäßig. Außerdem leite ich eine Selbsthilfegruppe und bin im Behindertenbeirat der Stadt Landau. Ich möchte meine Geschichte Menschen erzählen, die in einer ähnlichen Situation sind und vielleicht ähnlich denken und handeln. Vielleicht kann ich sie ein klein wenig davon überzeugen, rechtzeitig auf ihre innere Stimme zu hören und sich nicht zu verlieren.
Durch die MS lebe ich bewusster. Ich nehme meine Bedürfnisse und Wünsche ernst und versuche, mit Menschen in Kontakt zu bleiben, die mir gut tun.
Es gibt Tage, da geht es mir nicht gut und ich brauche Hilfsmittel. An anderen Tagen könnte ich Bäume ausreißen, zumindest in meinem Kopf. Von vielen Gewohnheiten habe ich schon Abschied nehmen müssen. Doch es gibt Dinge, die ich vor der Erkrankung nie getan hätte, wie beispielsweise zu klettern.
Mein Motto lautet „Als weiter!“ ̶ für mich heißt das, nach vorne zu schauen und nicht zurückblicken. Es geht immer weiter, egal wie. Positiv zu denken, loszulassen, sich neu erfinden und auf das eigene Bauchgefühl zu hören, das wünsche ich mir für die Leser, Mitbetroffenen und ihre Familien.
Größter Traum
Eine ausführliche Reise mit dem Camper durch Norwegen. Die erste mit dem Schiff war leider sehr verregnet.
Gute Internetquellen zum Thema MS
Generell möglichst nur gut recherchierte Webseiten, besonders zu Beginn der Erkrankung, wie von:
- amsel.de – Landesverband der DMSG in Baden-Württemberg e.V.
- dmsg.de – Deutsche Multiple Sklerose Gesellschaft
- trotz-ms.de – von der Firma Roche
Einige ausgewählte Links zu Blogartikeln von Caroline
Blasenstörungen bei MS: Ursachen – Behandlung – Selbstkathetisierung und Wie gehe ich mit Blasenschwäche und Depressionen um
Meine 6 Impulse zur Krankheitsbewältigung mit MS in der Krise
MS und Depressionen – Ich helfe euch sie zu verstehen
Buchtipps
Buchtipp: „Stark durch Krisen“ von Marc Wallert
Abschluss und Tipps
Nele: Welchen Tipp würdest du deinem jüngeren Ich geben?
Caroline: Sich Zeit für die Akzeptanz der Krankheit nehmen. Sich informieren, Eigenverantwortung übernehmen und mitentscheiden. Die richtige Balance zwischen Therapie, Ernährung und psychischer Gesundheit finden.
Nele: Wo kann man dich finden?
Caroline:
Blog: Frauenpower trotz MS
Instagram: @frauenpowertrotzms
Facebook: Frauenpower trotz MS
Nele: Vielen Dank für das tolle Gespräch, Caro!
Caroline: Danke dir, Nele! Ich freue mich auf den Austausch mit den Lesern!
Viel Spaß mit dem Interview und beste Gesundheit wünscht dir,
Nele
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Hier findest Du eine Übersicht zu allen bisher veröffentlichten Podcastfolgen.
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