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Diesmal interviewe ich MS-Patientin Corinna. Wir sprechen über das Bogenschießen, ihre Liebe zu Pferden und ihre sehr verspätete Diagnose.
Vorstellung
Corinna ist auf Instagram als @Peppercrumb und auf Facebook mit ihrem realen Namen Corinna Franz zu finden.
Diagnose und aktueller Status
Du hast die Diagnose erst vor Kurzem erhalten? Wie kam es dazu und hattest du rückblickend schon vorher Symptome?
Ich konnte im November eines Morgens meine Füße nicht mehr spüren, hatte überall ein Kribbeln, als wäre alles eingeschlafen, das zog bis in die Waden und in der Wirbelsäule hatte ich solch ein Ameisenlaufen, das ich bald wahnsinnig wurde. Ich bekam auch leichte Blasenstörung. Nach einem Ärztemarathon saß ich dann beim Neurologen, am nächsten Tag im MRT und kam dann umgehend ins Krankenhaus für weitere Tests.
Rückblickend weiß ich, dass mein Hörsturz vor 2 Jahren falsch eingeschätzt wurde, die Tests waren nicht eindeutig, aber da links mein Gehör ausgefallen war, blieb dem HNO nur diese Diagnose übrig. Gleichzeitig hatte ich ständig Gliederschmerzen in den letzten Jahren und wurde x-fach auf Borrelien getestet.
Wie hast du die Diagnose aufgefasst?
Erleichtert, ich hatte endlich die Antworten auf die diffusen Symptome.
Nimmst du eine Basistherapie und wie lange hast du dir Zeit für die Entscheidung gelassen?
Ja und ich habe am Tag nach der Entlassung beim Neurologen gesessen und ohne Zögern JA zur Therapie gesagt, für mich war klar, hier muss gegengesteuert werden.
Beeinflusst die Erkrankung deinen Alltag?
Jain, an manchen Tagen bin ich schneller kaputt, da ich immer am Limit gelebt habe, merke ich nun, dass diese Form von Vollgas nicht mehr so möglich ist, ich benötige tatsächlich etwas mehr Auszeiten. Das nervt mich ehrlich gesagt, es entspricht nicht meiner Lebensphilosophie. Achte ich aber ein wenig auf mich, dann ist alles in Ordnung. Bis auf Vollbäder bei mir den Uthoff hervorrufen und ich auf diese leidvoll verzichte, kann ich gut damit leben.
Lebensplanung, Beruf & Freizeit
Du bist sehr aktiv und erfolgreich im Bogenschießen. Kannst du uns mehr über deinen Sport erzählen?
Ich schieße 15 Jahre, Lang-/ und Primitivbogen auf Meisterschaften (Deutsch, Europa und Weltmeisterschaften und bin mehrfach Deutsche Meisterin, schönstes Erlebnis auf 2200m in Österreich zu schießen, mitten in den Wolken).
Welches Ziel hast du dir als Nächstes gesetzt?
Da meine Träume bisher alles in Erfüllung gingen, habe ich kein großes Ziel mehr, höchsten mein Level zu halten und noch ein paar schöne Meisterschaften zu absolvieren, ich strebe gar nicht danach, noch Gewinnerin von Europa- oder Weltmeisterschaften zu werden, mir ist es wichtiger so fit zu bleiben, dass ich überhaupt daran teilnehmen kann.
Wie viel Zeit bleibt dir für andere Sportarten?
Genug, ich besitze 2 Pferde und gehe viel ausreiten oder mache klassische barocke Dressur, meine Stute ist erst 8 und noch in Ausbildung, mein kleiner Mini-Shetlandpony Wallach ist nur Liebhaberei. Mittwochs mache ich dann immer Yoga wg. Corona derzeit online.
Konntest du dein Sportkonzept in der bisherigen Pandemie fortsetzen?
Sehr schlecht, da die Parcours für den Bogensport überall geschlossen waren und auch auf dem Vereinsgelände nichts erlaubt war, was das ein trauriges Jahr für den Sport, unsere Yogalehrerin ist nach einer längeren Pause auf online umgestiegen, das ist nett aber eben kein direkter Vergleich zum Präsenzyoga.
Auch durfte meine Trainerin für meine Pferde nicht kommen, sodass wir auch hier Einschränkungen hatten und uns mehr darauf konzentriert haben, gemütlich durch das Gelände zu zockeln, aber es schränkt ungemein meine Sportarten ein.
Man versucht daheim auszugleichen, aber es ist eben nicht so intensiv und vor allem kann es nicht den mentalen Bereich abdecken. Bogensport in der freien Natur baut auch den Stress vom Alltag ab, ich liebe Natur und die Jahreszeiten, genieße oft die Aussicht und das fokussieren. Das kann mir kein Laufband oder Joggen geben.
Haben sich deine Prioritäten für Beruf und Freizeit seit der Diagnose verschoben?
Ein wenig, da meine Kunden oft sehr zeitintensiv sind, habe ich vorher schon gemerkt, dass ich mich manchmal vor lauter Arbeit vergesse. Tatsächlich ist es nun so, dass ich mich ein wenig mehr auf mich fokussiere, und versuche besser zu planen als ständig sofort für alle präsent zu sein. Das bedeutet auch, dass ein Kundentermin im Moment vielleicht erst in 2 Wochen ist, damit ich mir nicht ganz die Luft nehme.
Ich lege im Moment ein wenig mehr den Fokus auf die Freizeit, dass es mir gutgeht, ich mich fit halte aber sonst, nein – ich mache weiter wie bisher, vielleicht nur etwas entzerrter.
Was war dein tiefster Punkt mit der MS und wie hast du dich wieder empor gekämpft?
Nach 2 Wochen, als ich das eine Medikament ausschleichen sollte. Mir ging es bis dahin top, nach der Klinik war ich so fit wie schon lange nicht mehr, hätte Bäume ausreißen können, aber irgendwann hört das Cortison ein wenig auf zu wirken und das Ausschleichen zeigte mir nach gut 1 Woche, da ist noch nicht alles top und die Symptome kamen leicht zurück.
Da bin ich erstmal 3-4 Tage abgestürzt, die typischen Selbstzweifel, habe sogar meinem Mann gesagt, er kann sich ohne Probleme scheiden lassen, was will er denn mit einem „kaputten“ Menschen?! Ich dachte echt, so kann mich keiner mögen und lieben und war bestimmt auch nicht nett in dieser Woche, aber dann machte ich mir wieder klar, dass ich alles selbst in der Hand habe und das Glück habe in einem Land zu leben, wo ich ja Medikamente habe, eine Krankenkasse, Freunde, Familie, 2 Jobs usw.. Alles, was ich mir wünsche.
Ich bin dann zu meiner Stute gefahren, habe mich auf ihren Rücken geschwungen und gemerkt, es ist alles noch wie vor der Diagnose und da meine MS sehr lange unentdeckt geblieben ist, schätzungsweise 25 Jahre, kann ich auch wieder genauso zufrieden und glücklich sein, wie davor.
Danach habe ich mich erstmal so richtig durchsortiert und seither ist es gut. Ich frage mich auch nicht, wieso ich? Sondern lebe mit der radikalen Akzeptanz. Das ist eigentlich seit Jahren mein Lebensmotto und seither fühle ich mich freier und demütiger, was mich aber auch viel glücklicher für die kleinen Dinge macht.
Wie offen gehst du mit der Diagnose um und welche Reaktionen erlebst du darauf?
Sehr offen, vom ersten Tag. Ich sage mir immer, „das bin ich, ob mit Defekt oder nicht“ jeder hat die Wahl sich für oder gegen mich zu entscheiden, wenn er es weiß. Es gibt immer Menschen die damit nicht umgehen können.
Tipps
Was machst du, wenn du Symptome der MS verspürst?
Ich versuche, mich dann mehr zu fokussieren, mehr nach innen zu horchen, was mir guttut und vor allem ist es bei mir meist in den Beinen und Füßen, da habe ich festgestellt, dass Kühlgel eine wunderbare Sache ist und die Symptome bei mir mildert.
Zukunft und Ziele
Gibt es einen großen unerfüllten Wunsch?
Ja, ich war oft in Amerika, weil mein Vater fast 20 Jahre in Florida gelebt hat, diesen Bundesstaat kenne ich vom Norden bis in den Süden, von Westen bis Osten, egal ob Key West, Miami, St. Augustin usw., aber mein großer Traum ist San Francisco.
Blitzlicht-Runde
Was war der beste Ratschlag, den du jemals erhalten hast?
Als mir eine Psychologin sagte, bei den fast 8 Milliarden Menschen auf Erden, die alle ihr Glück suchen, gibt es kein richtig oder falsch, man sollte sich nicht auf einen Weg prägen lassen, sondern sich selbst seinen Weg suchen, das hat mich befreit von dem Versuch, es anderen immer recht machen zu wollen, und ließ mich ein wenig mehr egoistischer werden. Tut gut.
Wie lautet dein aktuelles Lebensmotto?
Krönchen rücken, weitermachen.
Mit welcher Person würdest du gern einmal ein Kamingespräch führen und zu welchem Thema?
Madonna, sie war das Idol meine Jugend und ich bewundere ihre egozentrische Art.
Vervollständige den Satz: „Für mich ist die Multiple Sklerose…
…ein Teil vor mir und sowohl Fluch wie auch Segen gleichermaßen.“
Welche Internet-Seite kannst du zum Thema MS empfehlen?
Welches Buch oder Hörbuch, das du kürzlich gelesen hast, kannst du uns empfehlen und worum geht es darin?
Immer noch wach von Fabian Neidhardt
Verabschiedung
Hast du einen Tipp, den du deinem jüngeren Ich geben würdest, für den Zeitpunkt der Diagnose?
Da meine Diagnose ja erst wenige Monate alt ist und ich nicht wirklich Probleme mit ihr hatte, ist das schwer zu sagen, vielleicht die Angst und Sorgen vor Nebenwirkungen beim Medikament verlieren, davor hatte ich wirklich Angst.
Möchtest du den Hörerinnen und Hörern noch etwas mit auf dem Weg geben?
Es ist schwer was zu sagen, da nicht jeder in meiner Situation ist, manche Verläufe sind schwerer, da passt es nicht zu sagen, nehmt es gelassener, mein Kollege sitzt damit seit Jahren im Rollstuhl, sein Schicksal ist viel schwerer als meines. Mein Leben geht fast unverändert weiter, das ist nicht bei jedem so. Da hat man gut reden, wenn man sagt „macht euch nicht so viele Sorgen“. Den einzigen Ratschlag, den man jedem geben kann, ist die Krankheit absolut anzunehmen und den Teil zu akzeptieren mit all seinen Facetten, auch den weniger schönen.
Wo findet man dich im Internet?
Auf Instagram unter @Peppercrumb, auf meinem Blog www.peppercrumb-ms.de und auf Facebook unter meinem realen Namen.
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Vielen Dank an Corinna für das geführte Interview, die privaten Einblicke und die positive Einstellung! Alle Fragen und Antworten kannst du ebenfalls in der Podcast-Folge nachhören.
Alles Liebe und bestmögliche Gesundheit wünscht dir,
Nele
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