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Interview mit Dr. Petra Goergens zu gesunder Ernährung bei MS | Podcast #091

Porträtbild von Dr. Petra Goergens zum Beitrag "Gesunde Ernährung bei MS"

In dieser Folge spreche ich mit Dr. Petra Goergens über gesunde Ernährung bei MS – was es zu beachten gibt, welche Fakten in Studien bewiesen wurden und welche Fake News herumgeistern.

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Inhaltsverzeichnis

Sie sind Dipl.-Oecotrophologin. Was bedeutet das genau?

Der Begriff stammt aus dem Altgriechischen und steht für die Lehre vom Haushalt und der Nahrung.

Ich habe in Gießen studiert (Anm.: Erstes Institut für Ernährungswissenschaften in Deutschland wurde dort 1956 gegründet.), ein interdisziplinäres Studium, das medizinisch-naturwissenschaftliche und ökonomische, gesellschaftliche, soziologische und technische Aspekte beinhaltet.

Mein Schwerpunkt lag auf den Ernährungswissenschaften.

Wieso haben Sie sich für diesen Beruf entschieden?

Aus pragmatischen Gründen. Mein ursprünglicher Wunsch war Pharmazie. Das hätte ich aber nur mit langer Wartezeit (NC) studieren dürfen. Deshalb wählte ich die Oecotrophologie, auf die ich durch den Hinweis meiner Schwester gekommen war.

Mein heutiger Arbeitsschwerpunkt liegt in der Ernährungsberatung/-therapie und Dozententätigkeit. In den Anfängen, in Dresden, entwickelte und führte ich Projekte im Themenfeld Ernährung durch. Dazu gehörte beispielsweise die Akzeptanz funktioneller Lebensmittel oder die Ernährungssituation einkommensschwacher Haushalte. Des Weiteren organisierte ich viele Veranstaltungen für Verbraucher und Meinungsbildner und übernahm die dazugehörige Öffentlichkeitsarbeit.

Welche Aufgaben betreuen Sie bei der DMSG Niedersachsen?

Seit vielen Jahren arbeiten die DMSG Niedersachsen und ich zusammen. Ich biete Seminare, Workshops, in Präsenz und online, sowie Kochkurse an und bin Ansprechpartnerin in der DMSG Niedersachsen bei Ernährungsfragen.

2018 haben wir das Projekt „Lieblingsküche“ umgesetzt und aktuell – seit 1.3.2021 – bieten wir das regelmäßige online-Format „TeeZeit“ an.

Gesunde Ernährung bei MS

Gibt es eine spezielle gesunde Ernährung bzw. Diät, die bei MS ratsam ist? Oder gilt die Ernährungspyramide mit ihren Mengenverhältnissen auch für MS-Patienten?

Ja und nein.

Ja, weil die von mir und vielen anderen Experten empfohlene Ernährungsform einen konkreten Namen hat, und zwar eine entzündungshemmende Ernährung, d.h. eine mediterrane Kost.

Nein, weil es keine klassische Diät ist, wie z.B. eine Diät nach einer Operation am Darm oder eine Kost, bei der z.B. bestimmte Lebensmittel weggelassen werden müssen (Beispiel Zöliakie). Eine entzündungshemmende Kost ist eine mediterrane Kost und sie richtet sich nicht ausschließlich an MS-Betroffene. Eine entzündungshemmende Kost richtet sich an alle Menschen.

Auf Ihre Frage: Ja, die Ernährungspyramide gilt auch für MS-Betroffene. Gerade wenn ich mir die verzehrten Fleisch- und Wurstmengen in Deutschland ansehe, dann zeigt sich, dass wir weitaus mehr als die eine Portion am Tag essen. Nach Angaben der NVS II 700 g/Woche (Daten aus 2008); und aktuell 2020 sogar 1 kg/Kopf und Woche, Quelle: Statista). Allerdings geht der Fleischkonsum etwas zurück, v.a. begründet in einem Rückgang von Schweinefleisch.

Anmerkung: 1 Portion = ca. 100 – 125 g

Welchen negativen bzw. positiven Einfluss kann Ernährung auf den Verlauf der Multiplen Sklerose nehmen?

Nach aktuellen Erkenntnissen können Herz-Kreislauf-Erkrankungen bzw. die Risiken, wie Bluthochdruck, Fettstoffwechselstörungen und vor allem auch Übergewicht den Verlauf nachteilig beeinflussen.

Wie wichtig ist es, bereits länger bestehende Probleme mit der Ernährung anzugehen, wie Über- oder Untergewicht, Verstopfung, Durchfall, Blähungen oder Appetitstörungen?

Es ist sehr wichtig und nie zu spät! Und es ist unabhängig davon, seit wann die Beschwerden bereits vorhanden sind. Lebensqualität, Genuss, Wohlbefinden, etc. werden verbessert.

Was bedeutet antientzündliche Ernährung und welche Bausteine gehören dazu?

Eine antientzündliche Ernährung beeinflusst das Entzündungsgeschehen durch die Auswahl von Lebensmitteln bzw. deren Inhaltsstoffen. Dazu gehören z.B. bestimmte Fettsäuren (DHA/EPA oder kurzkettige FS), sekundäre Pflanzenstoffe sowie Bakterien in fermentierten Produkten.

Es handelt sich um eine mediterrane, d.h. überwiegend pflanzenbetonte Kost und basiert auf drei Schwerpunkten:

  • günstiges Fettsäuremuster (Arachidonsäure – DHA/EPA)
  • reich an Antioxidantien
  • darmgesund

Im Detail:

  1. tierische Lebensmittel in Maßen (300-600 g/Woche)
  2. regelmäßig Fisch (wöchentlich)
  3. täglich reichlich pflanzliche Lebensmittel, d.h. Gemüse, Hülsenfrüchte, Obst und Vollkornprodukte und damit auch ballaststoffreich und reich an sekundären Pflanzenstoffen (Gemüse, Obst und Vollkornprodukte, grüner Tee)
  4. täglich Sauermilchprodukte
  5. Pflanzenöle, wie z.B. Olivenöl, Raps- und Lein-/Hanföl
  6. Gewürze (z.B. Kurkuma, Zimt) als Zutat und nicht in Form von Nahrungsergänzungsmitteln
  7. Salz und Zucker in Maßen, d.h. nach den Empfehlungen der DGE (6 g/Tag) und WHO (max. 50 g Zucker z.B. aus Süßigkeiten, gekauften Fruchtjoghurts, Säften und in Fertiggerichten, denen Zucker zugesetzt wird)

     

Ergänzender Hinweis: Achten sie auf eine gute Küchenhygiene!

Sollten MS-Patienten regelmäßig fasten? Und wenn ja, was sollten sie dabei beachten?

Wir müssen hier zwischen medizinischem Fasten und beispielsweise intermittierendem Fasten unterscheiden. Ersteres gehört unbedingt in die Hände von begleitenden Ärzten und spezialisierten Fachleuten.

Beim intermittierenden Fasten oder auch Intervallfasten gibt es ein bestimmtes Zeitfenster am Tag, in dem gegessen und getrunken werden kann, z.B. 16 Stunden fasten und 8 Stunden „essen und trinken“. Auch hier gilt es eine entzündungshemmende Kost umzusetzen. Ob diese Art des Fastens etwas ist, kann nur jeder Einzelne für sich ausprobieren. Manche MS-Betroffene profitieren davon sehr und fühlen sich fitter und haben weniger stark eine Fatigue.

Was ist mit “oxidativen Stress” gemeint und wie kann gesunde Ernährung dazu beitragen diesen zu vermindern?

Oxidativer Stress bezeichnet ein Ungleichgewicht zwischen reaktiven Sauerstoffverbindungen im Körper und dem körpereigenen Schutzsystem. Das heißt, wir haben ein Übermaß an sogenannten Radikalen, die die Körperzellen schädigen können. Diese Radikale entstehen z.B. durch Rauchen, Smog, Ozon, exzessiven Sport, Medikamente, usw. und vor allem bei entzündlichen Prozessen!

Gesunde Ernährung kann insoweit helfen, das Gleichgewicht wieder herzustellen. Dafür ist eine Lebensmittelauswahl reich an Antioxidantien wichtig. Antioxidantien sind z.B. die Vitamine C, E und Beta-Carotin oder Mineralstoffe wie Zink, Selen und Kupfer sowie sekundäre Pflanzenstoffe. Eine entzündungshemmende Kost berücksichtigt die Aufnahme der eben genannten.

Was ist mit “oxidativen Stress” gemeint und wie kann gesunde Ernährung dazu beitragen diesen zu vermindern?

Oxidativer Stress bezeichnet ein Ungleichgewicht zwischen reaktiven Sauerstoffverbindungen im Körper und dem körpereigenen Schutzsystem. Das heißt, wir haben ein Übermaß an sogenannten Radikalen, die die Körperzellen schädigen können. Diese Radikale entstehen z.B. durch Rauchen, Smog, Ozon, exzessiven Sport, Medikamente, usw. und vor allem bei entzündlichen Prozessen!

Gesunde Ernährung kann insoweit helfen, das Gleichgewicht wieder herzustellen. Dafür ist eine Lebensmittelauswahl reich an Antioxidantien wichtig. Antioxidantien sind z.B. die Vitamine C, E und Beta-Carotin oder Mineralstoffe wie Zink, Selen und Kupfer sowie sekundäre Pflanzenstoffe. Eine entzündungshemmende Kost berücksichtigt die Aufnahme der eben genannten.

Milch und Milchprodukte werden ähnlich wie Getreide seit einigen Jahren zum Teil als gefährlich für eine gesunde Ernährung dargestellt. Stimmt das oder was sollten MS-Patienten beachten?

Nein, auf Milch und Milchprodukte muss nicht verzichtet werden. Bei einer Milchzuckerunverträglichkeit ist eine Reduzierung durchaus sinnvoll bzw. die Kombination milchzuckerhaltiger Lebensmittel z.B. mit milchfreien Lebensmitteln. Bei einer echten Allergie ist der Verzicht erforderlich. Die genannte These beruht auf sogenannten ökologischen Studien, also einem Ländervergleich, deren Aussagekraft jedoch eingeschränkt ist.

Auch auf Getreide, vor allem Vollkorngetreide, sollte nicht verzichtet werden, denn die Evidenz ist nicht gegeben. Vollkorngetreide trägt z.B. zu einer darmgesunden Ernährung bei, indem es u.a. auch die Vielfalt der Bakterien unterstützt (Diversität). Eine Ausnahme ist hier die Zöliakie, bei dieser Erkrankung ist ein lebenslanger Verzicht von glutenhaltigem Getreide unabdingbar.

Sie veranstalten einmal im Monat über die DMSG Niedersachsen eine Teezeit. Was genau beinhaltet Format? Und für wen ist es gedacht?

Die Teezeit ist ein online-Format das seit dem 1.3.2021 alle 2 Wochen montags von 15 – 16 Uhr stattfindet. Frau Grau (DMSG Niedersachsen) und ich, wir treffen uns mit MS-Betroffenen und haben immer ein zentrales Ernährungsthema als Schwerpunkt, zu dem wir dann gemeinsam ins Gespräch kommen. Jedes Treffen ist anders und: mit Überraschungen.

Blitzlicht-Runde

Was war der beste Ratschlag, den Sie jemals erhalten haben?

Umgib Dich mit Menschen, die Dir guttun.

Wie lautet Ihr aktuelles Lebensmotto?

Übe Dich in Geduld und Toleranz.

Mit welcher Person würden Sie gern einmal ein Kamingespräch führen und zu welchem Thema?

Mit Romy Schneider zu ihrem Leben.

Vervollständigen Sie den Satz: „Für mich ist die Multiple Sklerose... “

… eine Krankheit vor der man keine Angst haben muss.

Welche Internet-Seite können Sie zum Thema MS empfehlen?

DMSG (Bundesverband und natürlich auch DMSG Niedersachsen 😊)
Blog: Ernährungsmedizinblog (Prof. Martin Smollich, Lübeck)

Studien: pubmed (Datenbank)
Und zu Ernährungsthemen insgesamt das Bundeszentrum für Ernährung

Welches Buch oder Hörbuch, das Sie kürzlich gelesen haben, können Sie uns empfehlen und worum geht es darin?

Verabschiedung

Möchten Sie den Hörerinnen und Hörern noch etwas mit auf dem Weg geben?

Seien sie kritisch gegenüber dogmatischen Empfehlungen oder Einstellungen.

Das eigene Bauchgefühl hören lernen und dann zuhören.

Wie erreicht man Sie am besten?

Über meine Homepage petra-goergens.de und natürlich über Google.

Vielen Dank für das geführte Interview zur gesunden Ernährung an Dr. Petra Goergens!

Bestmögliche Gesundheit wünscht dir,
Nele

Mehr Informationen rund um das Thema MS erhältst du in meinem kostenlosen Newsletter.

Hier findest du eine Übersicht zu allen bisher veröffentlichten Podcastfolgen.

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