Aufgrund der angespannten Corona-Lage gibt es wieder einen neuen Beitrag von Matthias Horx, dessen Blick in die Zukunft und auf all das Erreichte, unabhängig von Corona, ich immer sehr wohltuend finde.
Dennoch meine große Bitte. Lass Dich Impfen. Hol Dir die Auffrischung. Und halt nochmal durch, auch wenn erneute Einschränkungen nicht schön sind. Gesellschaft vor Individualismus. Wissenschaftlich fundierte Fakten vor Meinungen und Gefühlen.
Der nachfolgende Text stammt aus der Zukunfts-Kolumne von Matthias Horx:
www.horx.com/die-zukunfts-kolumne
Siehe auch: www.zukunftsinstitut.de.
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Eine kleine Zukunfts-Meditation
Nun ist es wieder passiert. Zu grauen und nebeligen Tagen hebt wieder der große Angst- und Schreckens-Gesang an, diesmal mehr mit Wut vermischt. Viele Menschen fallen wieder in einen Taumel von Angst und Verwirrung. von Vorwurf und Verzweiflung. Wir kehren in die Spirale des destruktiven Streits zurück.
Destruktiver Streit, wie wir ihn heute wieder über Corona pflegen, zeichnet sich dadurch aus, dass man in innerhalb des Streites nicht mehr weiterkommt. Man tappt sozusagen im Nebel. Destruktiver Streit basiert auf dem Prinzip des Gegenruhms: Eine endlose Mühle von Meinungen und Schuldzuweisungen, die in sich selbst festgefahren sind und sich gegenseitig hochschaukeln.
Staatsversagen!
Die Politik ist schuld!
Freiheitsberaubung!
Ich dreh gleich durch!
Alles Idioten!
Meinungskriege sind in ihrem Wesen narzisstisch, weil sie nicht dem Finden eines Weges dienen, sondern dem Inszenieren der eigenen Konstrukte. Destruktiven Streit erkennt man daran, dass er nur Erregungen, keine Reflexion zulässt. Re-flexion heißt ja, dass man miteinander Aspekte der Wirklichkeit »re-flektiert«. Also sich gegenseitig auf dem Weg in eine gemeinsame Wirklichkeit begleitet.
So haben es, wie es aussieht, die Neo-Koalitionäre in Deutschland gemacht. Es geht also, auch bei hochkomplexen Dingen!
„Reflektieren erfordert eine unterstützende, sanfte Einstimmung auf das Selbst statt einer urteilenden Haltung, die verhört und abwertet. Reflexion ist ein mitfühlender Geisteszustand.”
So formulierte es der Transformationspsychologe Daniel J. Siegel in seinem Buch „Mindsight” (Goldmann-Verlag, S. 71).
Aber was tun man, wenn man mit einem aussichtslosen fraktalen Meinungskrieg konfrontiert ist? Dann ist es ratsam, sich bewusst zu entziehen. Sonst wird man unweigerlich hineingezogen in die Mühle der Erregungen. Und steckt plötzlich in einem Shitstorm, den man selbst mit angerührt hat.
„Manche Probleme sind so komplex, dass man hochintelligent und gut informiert sein muss, um bei ihnen unentschieden zu sein.”
Das stammt von Laurence J. Peter, dem Erfinder des Peter-Prinzips.
Neben Heiterkeit und Liebe wäre ein mögliches Mittel, aus dem Nebel herauszukommen, die Erweiterung unseres Wahrnehmungs-Horizontes. Ein Blick über die Dächer. Machen wir also ein kleines Experiment. Hier einige Meldungen aus der »weiten Welt«, die Sie wahrscheinlich noch nicht gelesen oder wahr-genommen haben:
- Die größte und erfolgreichste Impfkampagne der Menschheitsgeschichte geht in die nächste Runde. Indien meldet die Verabreichung von einer Milliarde Covid-Vakzin-Dosen, China führt diese Liste mit zwei Milliarden an, während Brasilien 258 Millionen Dosen verabreichte und Indonesien 172 Mio.
Global wurde bis Ende dieses Jahres knapp die Hälfte der Menschheit gegen Covid geimpft, und es geht schnell weiter…
Quartz - Ein Rollout eines neuen Polio-Vakzins in sechs afrikanischen Ländern hat dazu geführt, dass 80 Millionen Kinder nun geschützt gegen Kinderlähmung sind. Mit verringerten Seiteneffekten war das Mittel das Erste, dass von der WHO für Noteinsätze freigegeben wurde und dadurch gegen Ausbrüche schneller schützen konnte. The New Vaccine
WHO - Ruanda konnte seine jährliche Zahl von Malariafällen von 4,8 Millionen im Jahr 2016 auf 1,8 Millionen in 2020 reduzieren, schwere Fälle mit Todesfolge reduzierten sich um 70 Prozent. Die Regierung erprobt nun Drohnen, die Anti-Moskito-Präparate versprühen.
Blasting mosquitoes with drones
RBC - Einer der größten Killer in hochentwickelten Ländern ist der Schlaganfall – zweithäufigste Todesursache weltweit. Ein neuer Report in The Lancet zeigt, dass weitgehend unbeachtet die Opferzahlen deutlich reduziert werden konnten – weltweit. Zwischen 1990 und 2019 ging die standardisierte Anzahl der Schlaganfälle um 17 Prozent zurück, und die Todesfälle um 36 Prozent.
The Lancet
- Die Anzahl der weltweiten Kriegsopfer sank im Jahr 2020, das zweite Jahr in Folge. Die Gesamtzahl der in bewaffneten Konflikten gestorbenen betrug 120.000, das sind 30 Prozent weniger als 2018. Die Rückgänge gingen vor allem auf Veränderungen in Asien, Ozeanien und dem mittleren Osten zurück.
SIPRI - Eine immer größere Anzahl von Menschen in den wohlhabenden Ländern glaubt, dass Diversität gut für die Gesellschaft ist. In den USA, Kanada, UK, Australien, Neuseeland und Taiwan steigt die Akzeptanz für kulturelle und ethnische Unterschiedlichkeit, sogar in kulturell homogenen Ländern wie Japan und Griechenland.
Pew
- Bereits vor dem Start von COP26 konnten Aktivisten gegen den Klimawandel eine gewaltige Welle von DECARBONISIERUNGS-INVESTMENTS verkünden – 40 Billionen Dollar in großen Portfolios und Pensionsfonds haben eine Abkehr von Öl- Kohle und Gas-Investitionen vollzogen. Das ist mehr als das BSP von USA und China zusammen.
NYT - Ein bemerkenswerter Teil des Globalen Zement-Sektors hat sich zu einer deutlichen Verringerung von Emissionen bekannt. Ein Viertel bis 2030, Karbon-Neutralität im Jahr 2050.
Global Cement and Concrete Association - Die Regierung von Chile hat das Verbot der meisten Verbrennungsmotoren von 2035 an angekündigt. Unter der neuen Elektrik-Transport-Strategie werden alle Fahrzeuge, Züge, auch schwere Lastwagen Zero-Emission sein müssen.
We Go Electric - Malawi hat die Wilderei und den Tierhandel drastisch reduzieren können – dank strengerer Gesetze. 90 Prozent aller verurteilten Wilderer brachte 4 Jahre oder mehr im Gefängnis zu. Seitdem gibt es keinen Fall von Elfenbeinhandel oder Rhino-Horn mehr, auch der Schmuggel seltener Wildtiere nach China konnte weitgehend abgestellt werden.
NYT - Im Ostpazifik wird ein 500.000 Quadratkilometer großes Meeresschutzgebiet entstehen, das auch die Galapagos-Inseln umfasst. Die Präsidenten von Ecuador, Kolumbien, Costa Rica und Panama verkündeten in der letzten Woche den Vertrag. Das Gebiet soll mehrere bestehende Schutzzonen miteinander verbinden und wäre damit so groß wie Deutschland, Österreich und die Schweiz zusammen. Innerhalb der geschützten Flächen soll es zukünftig unter anderem verboten sein, Fische zu fangen.
The Guardian
- Die Population des östlichen Flachlandgorillas hat sich verdoppelt, von 3800 auf 6800. Das ist die gute Nachricht aus dem Oku Community Conservation Center im Kongo. Die Fortschritte konnten durch konsequente Habitat-Konservation mit lokalem Community-Engagement erzielt werden.
Mongabay - New Yorks Stadtregierung verabschiedete einen Plan, alle 885 Diesel-Busse der Stadt in vollelektrische Modelle zu konvertieren. Gleichzeitig wurde ein Zero-Emission Gesetz vor alle Passagierautos und leichten Transportfahrzeuge ab 2035 verabschiedet.
We Go Electric - 100 der weltgrößten Konzerne werden ab 2022 eine Minimalsteuer von 15 Prozent auf Gewinne zahlen. 136 Länder haben das neue Abkommen unterzeichnet, das mindestens 150 Milliarden mehr für die Bürger anstatt für die Konzernprofite abzweigen wird.
Politico - Globale Energiespeicherung wächst so schnell und in solchen Dimensionen, dass das Argument, erneuerbare Energien wären „zu unregelmäßig”, bald hinfällig sein wird. 12,4 Gigawatt Batteriespeicher werden im Jahr 2021 installiert, gegenüber 4,2 im Jahr 2020 (und 1 GW 2016). Für die nächsten Jahre werden exponentielle Entwicklungen auch mit neuen, chemischen und mechanischen Speichertechniken erwartet.
Inside Climate News - China hat mit der Konstruktion des größten weltweiten Erneuerbare-Energien-Projektes begonnen. 100 Gigawatt Wind und Solar-Kapazität werden in der Wüste installiert, was mehr als viermal so viel Energie wie der Dreischluchtendamm produzieren wird.
Bloomberg - Das Kolonialzeitalter geht endgültig zu Ende: Anfang November wurden Lebensgroße, aus Tropenholz geschnitzte Königsstatuen, handgewebte Teppiche, kleine Glockenspiele aus Metall, insgesamt 26 Kunstwerke aus Paris zurück nach Benin gebracht. Die Werke wurden dort vor 130 Jahren von der französischen Kolonialarmee gestohlen. Mit der Rückgabe der Stücke begann Präsident Emmanuel Macron, sein 2017 gegebenes Versprechen einzulösen, geraubte Kunstwerke aus den früheren französischen Kolonien in ihre Herkunftsländer zurückzubringen.
- In Irland startet ein Grundeinkommen-Versuch für Künstler:innen und andere Kulturschaffende. Die waren seit Beginn der Pandemie besonders stark von finanziellen Einbußen betroffen. In der geplanten Testphase erhalten 2.000 Kunstschaffende 3 Jahre lang jede Woche 325 Euro. Ab März 2022, spätestens ab April solle das Pilotprojekt starten, verkündete Kulturministerin Catherine Martin. 25 Millionen Euro stellt der irische Staat für das Vorhaben zur Verfügung.
- Die Bevölkerungs-Explosion, die zum festen Narrativ unserer Zukunftsängste zählt findet nicht statt. Die Menschheit wird zwischen 9 und 11 Milliarden Menschen – Tendenz zu 10 Milliarden, ihren „Peak-People” zwischen 2060 und 2080 erreichen. Die Geburtenraten sinken weiter, auch in den Armutsländern, und die Bevölkerungszahl Chinas ist bereits derzeit auf dem TIPPING POINT. In dreißig Jahren könnte es 200 Millionen weniger Chinesen geben.
ZEIT ONLINE
Was geht in Ihnen vor, wenn Sie diese Meldungen lesen? Sie könnten sagen: Was gehen mich Impfungen in Ruanda an? Oder: Wo stammen die Zahlen eigentlich her?
Ist das nicht geschönt?
Ist doch viel zu wenig!
Wie soll denn das die Welt retten?
Nein, es geht hier nicht darum, „ein bisschen Optimismus” zu erzeugen. Es geht nicht um Stimmungen oder Meinungen. Es geht auch nicht darum, ob es »genug« ist, damit wir Hoffnung haben »dürfen«.
Es geht um die Art und Weise, wie wir Realität und Wirklichkeit, also die Zukunft, konstruieren.
Wir schließen das, was wir für »die Welt« halten, immer in einem engen Tunnel ein. In diesem Tunnel selektieren wir meistens die negativen Signale, weil unser Hirn durch Jahrmillionen der Evolution dazu geprägt ist, das Gefahrvolle überzubetonen. Das hypermediale System, in dem wir leben, befördert diese Tunnelsicht. Auf diese Weise verengen wir uns in der Angst. Aus diesem negativen Narzissmus heraus entsteht leicht eine Paranoia – typisches Anzeichen dafür sind Verschwörungs-Narrative.
Eine besondere Nörgel-Neigung, die zur Bösartigkeit tendiert.
Ein Misstrauen, das auf Selbstverwerfung basiert.
(Die Meldungen stammen übrigen überwiegend von Plattformen, die sich dem Konstruktiven Journalismus verschrieben haben. Der Medienwissenschafter Bernhard Pörksen nennt das den „Planetarischen Journalismus”.)
Komplexe Probleme sind nicht auf der Ebene ihres Entstehens lösbar. Sondern nur dadurch, dass wir neu über sie denken lernen. Paul Watzlawick, einer der Begründer des Konstruktivismus, nennt das „die Sanfte Kunst des Umdenkens”.
„Die eigentliche Ursache des Leids”, schreibt Watzlawick in seinem Weltbestseller „Anleitung zum Unglücklichsein”, „liegt in unserer Unwilligkeit, Tatsachen als reelle Tatsachen und Ideen als bloße Ideen zu sehen, und dadurch, dass wir ununterbrochen Tatsachen mit Konzepten vermischen. Wir tendieren dazu, Ideen für Tatsachen zu halten, was Chaos in der Welt schafft.”
Die 87jährige Naturforscherin und Schimpansen-Expertin Jane Goodall hat gerade ein wunderbares Buch veröffentlicht, in dem Sie ihre Erfahrungen mit ihrem lebenslangen Kampf gegen den Artenschwund und den Tierschutz beschreibt. In Das Buch der Hoffnung erörtert sie vier Gründe, weshalb sie an die Zukunft der Menschheit glaubt:
- Den erstaunlichen menschlichen Intellekt.
- Die Resilienz der Natur.
- Die Kraft junger Menschen.
- Den unbezähmbaren „Human Spirit”.
Wenn wir den Glauben an die Zukunft verlieren, verlieren wir die Wirklichkeit.
Wenn wir in die Wirklichkeit nur im verengten Blickwinkel unserer Angst wahrnehmen, verlieren wir uns selbst.
Hier noch eine kleine Zusatzübung: Machen Sie den neuen GAPMINDER-Global-Wirklichkeitstest von Ola Rosling, einem guten Freund des Zukunftsinstituts, der sich auf die neuesten Daten und die „Global Goals” der UNO bezieht. Probieren Sie es. Es lohnt sich. Sie werden merken, wie sich auch ihre Haltung zum »Corona-Problem« verändert.
P.S. Auch diese Corona-Welle wird vorbeigehen. Wir werden dann viel gelernt haben. Über uns selbst. Die Gesellschaft. Und das Leben.
Ein großes Dankeschön an Matthias Horx für den tollen Beitrag und die freundliche Erlaubnis ihn teilen zu dürfen!
In diesem Sinne, bleib frohen Mutes. Wende Deinen Blick auf all das Gute, Schöne und Positive, was wir als Menschheit erreicht haben und trage bitte durch Vernunft und Impfbereitschaft dazu bei, dass Covid-19 endlich in den Status von Influenza herabrutscht.
Alles liebe und bestmögliche Gesundheit wünscht Dir,
Nele
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