Willkommen zur Folge 291. Wie im letzten Podcast angekündigt, ist dies eine Wiederholungsfolge. Ich werde jetzt eine Weile alte Podcastfolgen ausspielen, die bei euch HörerInnen und LeserInnen besonders beliebt waren, um Zeit für mich zu haben, an der Masterarbeit zu schreiben. Aber vorher gibt es immer eine Einschätzung aus aktueller Sicht. Episode 291 ist also die eigentliche Episode 1. Wem erzähle ich von der Diagnose? Die Folge habe ich ganz am Anfang aufgenommen und als Beitrag veröffentlicht im März 2020.
Es geht um Pro und Contra bei der Frage, wem du von der MS-Diagnose in deiner Familie, dem Freundeskreis, deinen Liebesbeziehungen und im Arbeitsumfeld erzählst. Ich meine, das muss jeder selbst entscheiden. Im Beitrag teile ich meine Erfahrungen mit dir.
Inhaltsverzeichnis
Aktuelle Einschätzung aus der Perspektive von Februar 2025
Seither habe ich viele Interviews geführt. Seitdem ist auch in meinem Leben viel passiert. Ich habe meine Grundhaltung nicht geändert. Man muss sich das sehr gut überlegen. Ich habe von vielen positiven Beispielen gehört, wo Arbeitgeber sehr positiv reagiert haben.
Das private Umfeld, denke ich, das muss man sowieso nochmal anders sehen. Bei Angehörigen plädiere ich für einen offenen Umgang, aber das musst du natürlich selber wissen, wie das für dich ist. Bei mir, das wirst du auch gleich nochmal erfahren, mit meinen Eltern, mit meinen Großeltern war es ein bisschen schwierig. Die haben sich unglaublich Sorgen gemacht. Jetzt bin ich selbst Mama von zwei Kindern. Ich kann das verstehen. Trotzdem haben mir diese Ängste damals nicht gut getan. Deswegen müssen ein paar wenige Betroffene vielleicht darüber nachdenken. Allgemein denke ich, ist es richtig und wichtig, die enge Familie einzuweihen.
Was ich aber nach wie vor kritisch finde, ist, wie gesagt, die Arbeit. Weil man die einmal gegebene Information nicht zurücknehmen kann. Was ich aber auch sagen muss, wenn dein Arbeitgeber nicht positiv reagiert, dann ist es vielleicht auch nicht der richtige Ort, um dort zu bleiben. In meinem Fall hat der Arbeitgeber leider nicht nett reagiert. Es war gerade eine Umbruchphase in meiner damaligen Firma. Die Firma wurde verkauft und es ging darum, Mitarbeiter loszuwerden. Und meine zwei Chefs, mein alter Chef und meine neue Chefin haben nicht nett reagiert. Ob das was mit der MS zu tun hatte, die ich bei meiner Rückkehr öffentlich gemacht hatte, weiß ich nicht. Oder ob es daran lag, dass es für mich im Prinzip keinen richtigen Job mehr gab, weil meine Stelle wieder neu besetzt worden war in meiner Elternzeit. Ich weiß nicht, es war auf jeden Fall nicht schön, es hat mir einen Pseudoschub beschert, weil es extrem viel Stress war. Es war zum Glück kein richtiger Schub, aber es war wirklich nicht schön, und es ging mir wirklich schlecht.
Und wer weiß, wenn ich von Anfang an offen mit meiner Diagnose umgegangen wäre, hätte ich das verhindern können? Ich glaube, dann hätte ich viele schöne Fortbildungen, die ich hatte sowie die Möglichkeiten, ins Ausland zu reisen und einen verantwortungsvollen Job zu haben, nicht gehabt. Ich glaube es. Ich weiß es natürlich nicht. Wer weiß, vielleicht wäre es ganz anders gekommen, vielleicht ist das eine Fehleinschätzung.
Also überlege es Dir gut und lass Dich vielleicht zum Thema beraten. Es gibt dieses spannende Programm, das ich neulich vorgestellt habe, Mission Success. Ganz aktuell könntest Du vermutlich noch einsteigen und das verpasste vom Anfang nacharbeiten, da es in 2025 neu gestartet ist und daher etwas lockerer abläuft. Da geht es um das Thema Beruf und MS. Also wenn du unsicher bist, könntest du mitmachen und schauen, ob dein jetziger Job zu Dir passt, ob du glücklich und zufrieden bist.
Außerdem habe ich Hendrik Dahm interviewt, der zu Berufsthemen berät. Es gibt auch weitere Möglichkeiten sich zu informieren. Die DMSG hat Angebote und du kannst dich natürlich auch in den sozialen Medien mit anderen austauschen. Das sind dann immer persönliche Erfahrungen, aber sie können dir trotzdem ein Gefühl dafür geben, wie es laufen kann. Das ist natürlich keine professionelle Einschätzung, die bekommst Du nur von Leuten, die sich mit dem Thema beruflich beschäftigen.
Vielleicht setzt du dich einfach mal hin und nimmst Dir Zettel und Stift. Das kann ganz hilfreich sein, um mal Vor- und Nachteile aufzuschreiben, weil die Hand-Augen-Koordination teilweise dabei hilft in andere Bereiche unseres Gehirns vorzudringen
Oder Du nutzt das automatische Schreiben, dabei schreibst Du einfach los ohne darüber nachzudenken. Das kann spannend sein, weil du Zugang zum Unterbewusstsein bekommen kannst, vielleicht auch zu verborgenen Ängsten, mit denen du dich dann bewusst auseinandersetzen kannst. Wie auch immer du dich entscheidest, ich wünsche dir, dass es für dich die richtige Entscheidung ist. Setze dich mit der Entscheidung auseinander, triff sie bewusst und korrigiere sie, wenn nötig.
Es ist natürlich viel entspannter, wenn man das offen sagt. Als wenn du dir Gedanken machen musst, was Du sagst, wenn Du Deine Immuntherapie verabreicht bekommst oder Untersuchungstermine hast. Wenn es alle wissen, dass Du MS hast, musst du dir keine Gedanken machen. Dann kannst du einfach offen sagen, hier übrigens hat gerade mit meiner MS zu tun. Ich brauche ein bisschen Zeit für mich. Ich habe eine Krankmeldung, was auch immer.
Inhalte von März 2020: MS-Diagnose gegenüber Familie und Freunden
Bei mir haben es zum Zeitpunkt der MS-Diagnose, Sommer 2004, die Familie und alle guten Freunde erfahren.
Im Anschluss gab es etliche Bedenkenträger, die meine Angst zusätzlich geschürt haben: „Denk daran, du hast MS, du solltest besser nicht …“ Diesen Ausspruch habe ich in verschiedensten Varianten gehört und er hat selten dazu geführt, dass ich mich besser gefühlt habe.
Oder ich wurde mit einem mitleidigen Gesicht gefragt, wie es mir geht. Doch meiner Antwort: „Es geht mir gut, danke der Nachfrage.“, wurde kein Glauben geschenkt. Für manche Menschen war es schier undenkbar mir zu glauben, dass ich weiter aktiv am Leben teilnahm, zum Sport ging, weiter studierte und Pläne für meine Zukunft hatte. Die lieb gemeinte Frage, schien manchmal nur eine gruselige Zukunftsaussicht vorherzusagen. Es kann mir doch gar nicht mehr lange gut gehen, stand in manchen Gesichtern geschrieben.
Lass dich von der MS-Diagnose nicht einschüchtern
Damals galt noch viel mehr als heute, dass nur die besonders schlimmen Verläufe bekannt waren. Heute gibt es zum Glück mehr und mehr Aufklärung, sodass zumindest dem Interessierten schnell klar wird, dass die MS nicht umsonst die Krankheit der 1.000 Gesichter genannt wird. Denn es gibt eine Vielzahl an Symptomen, Kombinationen eben dieser und mehrere Verlaufsformen. Die Multiple Sklerose läuft bei jedem anders ab und es werden immer mehr Menschen mit einer leichten Verlaufsform diagnostiziert.
Pro Geheimhaltung der MS-Diagnose
Ich beschloss damals schnell, meine Diagnose für mich zu behalten, und bat auch alle Mitwisser, meine Privatsphäre zu schützen. Denn ich wollte weder bemitleidet, noch bevormundet oder diskriminiert werden. Wer weiß, ob ich auf all die Auslandsreisen nach Asien geschickt worden wäre, hätte mein Chef davon gewusst. Vielleicht wäre ich auch gar nicht erst nach der Probezeit übernommen worden. Denn selbst manch Arzt, dessen Schwerpunkt die Krankheit nicht ist, kennt nur die sehr negativen Verläufe.
Wie bei der Frage nach einer bestehenden oder geplanten Schwangerschaft kannst du an dieser Stelle einfach lügen, wenn du vom Arbeitgeber zu einem ärztlichen Check geschickt wirst. Das Recht steht dir zu.
Wichtig ist allein, dass du durch die MS und ihre Begleiterscheinungen weder dich noch andere Menschen gefährdest.
Mich brachte der Job unter anderem nach Japan, Südkorea, in die Türkei und nach Schottland. In meinem konkreten Fall wäre der offene Umgang mit der Diagnose damals hinderlich gewesen.




Liebesbeziehungen mit MS-Diagnose
In meinen Liebesbeziehungen bin ich immer komplett offen mit der Diagnose umgegangen. Ich wollte nicht, dass jemand unwissend eine Beziehung mit mir eingeht, die eventuell Belastungen durch die Krankheit mit sich bringen könnte. Natürlich kann in jeder Partnerschaft etwas Unvorhergesehenes passieren und plötzlich ist alles anders. Aber für mich hat es sich so besser angefühlt und das ist die Hauptsache.
Meinen Schwiegereltern habe ich es erst erzählt, als meine Tochter, ihre Enkeltochter, ein halbes Jahr alt war. Sie waren zunächst geschockt und nach den ersten Fragen zu meiner Gesundheit wollten sie wissen, ob es vererbbar ist. Völlig normal. Natürlich machen sie sich Sorgen um ihr Enkelkind und waren froh zu hören, dass die Wahrscheinlichkeit nur minimal erhöht ist, im Vergleich zum Durchschnittsbürger.
Plane genug Zeit für Fragen ein
Ich finde, für so eine Ansage braucht es den richtigen Moment und man kann damit eine lockere Stimmung schnell versauen. Meist hat das Gegenüber einige Fragen und diese Zeit solltest du einplanen. Ansonsten lässt du man einen Menschen mit vielen Fragen und Sorgen zurück, die er sich nur schwer selbst beantworten kann.
Daher lautet meine Empfehlung, entscheide dich nach deinem Bauchgefühl. Wenn du Hilfe und Unterstützung brauchst oder sie dir einfach guttut, dann ist es richtig, ganz offen mit der Diagnose umzugehen. Wenn du erstmal eine Weile brauchst, um mit dir und deinen Gefühlen klarzukommen, dann weihe nur die Menschen ein, bei denen du höchstwahrscheinlich positiven Zuspruch erhältst. Genau weiß man es vorher nie. Und wenn du wie ich für lange Zeit lieber nur einen kleinen Kreis Eingeweihter hast, dann ist das ebenfalls in Ordnung.
Es ist dein Leben. Jeder Mensch ist anders und geht entsprechend individuell mit den Widrigkeiten des Lebens um. Du musst dich dafür nicht rechtfertigen. Nicht für die Annahme von Hilfe und nicht für die Ablehnung.
Warum ich jetzt offen mit der MS-Diagnose umgehe
Bei mir hat es sich nun geändert, weil ich eine Tochter habe und ihr nicht irgendwelche Geheimnisse aufbürden will. Außerdem möchte ich gerade neu diagnostizierten MSlern Mut machen, dass man auch 15 Jahre nach der Diagnose und trotz verspätetem Einstieg in die Basistherapie (fünf Jahre nach der MS-Diagnose) ein sehr schönes Leben ohne Einschränkungen führen kann.
Bei meinem Arbeitgeber hätte der offene Umgang zu weniger beruflichen Möglichkeiten geführt. Davon bin ich absolut überzeugt. Und das wollte ich nicht. Ich wollte für die Firma reisen, Anstrengungen auf mich nehmen, mich einbringen und von den Kollegen in Asien lernen und aktiv mit ihnen zusammenarbeiten. Denn meist gab es zumindest kurze Zeitabschnitte, um etwas von den Städten zu sehen und einen kleinen Einblick in die Kultur zu erhaschen, wie hier in Kuala Lumpur, Malaysia.

Mittlerweile liegt mein Fokus auf dem Schreiben und meiner Tochter. Meine Stufe auf der Karriereleiter gefällt mir gut.
Höher will ich nicht. Doch vielleicht ist es bei dir anders. Und wenn du Vorgesetzte hast, kann ihre Meinung zu deiner Krankheit und deren Verlauf Einfluss auf ihre Entscheidung und deine Beförderung nehmen. Manche Menschen werden dir mit mehr Respekt begegnen, weil du offen und mutig bist, andere wollen dir nicht zu viel Stress zumuten und der nächste traut es dir nicht zu.
Du musst deinen Weg gehen, deine Entscheidungen treffen und sie bei Bedarf anpassen, wenn du es für richtig hältst. Ich wünsche dir ein gutes Händchen dabei!
Viel Spaß mit der Folge und bestmögliche Gesundheit wünscht dir,
Nele
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Falls Du Antworten zu aktuellen Fragen suchst, freue ich mich auf Post von Dir: [email protected].
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