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#246: Ironman trotz MS. Interview mit Triathlet und MS-Patient Daniel

Triathlet Daniel machte sich früher nicht viel aus Sport. Durch die Diagnose Multiple Sklerose und einen Arbeitskollegen begann er zunächst mit kleineren Wettbewerben und steigerte sich immer weiter bis hin zu Ironman Distanzen. Der Sport hilft ihm auch gegen depressive Verstimmungen. Erfahre mehr über Daniels Weg, der sich trotz MS für die Selbstständigkeit und gemeinsam mit seiner Frau für ein zweites Kind entschieden hat.

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Inhaltsverzeichnis

Vorstellung – Wer ist Daniel?

Ich bin in Dortmund geboren und lebe dort immer noch. Ich bin 45 Jahre alt, verheiratet und habe zwei Kinder. Eins kam vor der Diagnose, eins nach der Diagnose. Zu meinen Hobbies zählen Sport, Hunde, Fotografie, Musik machen, und während Corona habe ich mich mit RC Modellbau beschäftigt.

Diagnose und aktueller Status

Wann erhieltest du die Diagnose Multiple Sklerose und was war der Anlass dafür?

Die Diagnose habe ich im September 2006 erhalten. Angefangen hat es mit einem angeblichen „Virusinfekt“. Nach 10 Tagen wurde ich über den Neurologen ins Krankenhaus überwiesen und im Anschluss erhielt ich die Diagnose.

Hattest du bereits vorher Symptome, die rückblickend mit Multipler Sklerose zu tun hatten?

Wahrscheinlich 2004. Damals war es auch Schwindel, und Übergeben, was damals für eine Magenschleimhautentzündung gehalten wurde.

Wie hast du die Diagnose aufgefasst und wie war es für deine Liebsten?

Mein erster Gedanke „Das Wars!“, und das neun Monate nach der Geburt meines ersten Sohnes. Wir waren hoch verschuldet, da wir ein Haus gekauft und ich eine Fortbildung zum Steuerberater begonnen hatten.

Wurden dir zu Beginn verlaufsmodifizierende Therapien empfohlen und wie hast du dich entschieden?

Nach dem zweiten Schub im Februar 2007 wurde mir dann eine Basistherapie mit Interferon empfohlen. Diese habe ich dann auch wahrgenommen.

Hast du bereits einen Therapiewechsel hinter dir und wenn ja, was war der Anlass dafür?

Im Dezember 2017 habe ich erkältungsbedingt eine Pause mit der Einnahme des Interferons gemacht. Anschließend war der Blutdruck zu niedrig, vorher hatte ich immer Bluthochdruck, und die Welt war auf einmal wieder bunt. Danach habe ich mit meinem Neurologen vereinbart auf den nächsten Schub zu warten und dann eine neue Therapieentscheidung zu treffen.

Mit dem Absetzen der Basistherapie habe ich angefangen Präparate für die Darmgesundheit zu nehmen. Dies ist meine aktuelle „Basistherapie“, die allerdings nicht vom Arzt verordnet wurde.

Nutzt du symptomatische Therapieangebote? Wenn ja, welche?

Ja, Physiotherapie gegen extreme Verspannungen im Nacken und Rücken.

Wie hast du nach der Diagnose deinen Lebensstil angepasst?

Im ersten Moment habe ich den Ernährungsstil angepasst und entsprechend versucht gesund zu leben. Sport war damals aus ärztlicher Sicht eher nicht empfohlen. Nicht Anstrengen hieß es. Maximal Nordic Walking.

Wie blickst du auf deine Zukunft und haben sich deine beruflichen und privaten Pläne verändert?

Bei Diagnosestellung war dies genau der Punkt, der mich runtergezogen hat. Mein Traum selbstständig zu sein, ist geplatzt. Mit der Krankheit hatte ich die erste Zeit keinen Mut den Sprung in die Selbstständigkeit zu wagen. Aber durch den „Stillstand“ habe ich mir im Juli 2019 diesen Traum erfüllt. Dadurch erhoffe ich mir nun ab 55 meine Arbeitszeit reduzieren zu können.

Was war dein tiefster Punkt mit der Multiplen Sklerose und wie hast du dich wieder rausgekämpft?

Ich saß nach der Geburt meines zweiten Kindes irgendwann nur noch rum und habe auf den nächsten Schub gewartet. Aus heutiger Sicht würde ich es als eine depressive Phase bewerten. Dann kam mein damaliger Arbeitskollege auf mich zu und hat mich motiviert mit Sport anzufangen. Und das war der Anfang des Thriathlons.

Wie geht es dir aktuell mit deiner MS?

Die MS lässt mich seit geraumer Zeit in Ruhe. In stressigen Zeiten erlebe ich öfters das Aufflammen alter Symptome, wie Missempfindungen und sehr selten Dreh-Schwindel.

Mein aktueller Feind ist die Allergie mit Asthma.

Triathlon trotz Multipler Sklerose

Seit wann trainierst du für Triathlons und wie kam es dazu?

2013 habe ich den ersten Volkstriathlon gemacht. Auch hier hat mein Arbeitskollege mich wieder angestiftet. Richtig trainiert habe ich hier nicht. Schwimmen lag mir schon immer gut, da ich groß bin und große eingebaute „Flossen“ haben. Radfahren war mein Hobby und das Laufen habe ich für diesen Triathlon begonnen. Damals bin ich einmal die Woche 30 Minuten laufen gewesen.

Der Knoten ist dann 2014 richtig geplatzt. Auch hier war mein Arbeitskollege die treibende Kraft. Es fing damit an, dass wir bei der DATEV einen Staffel Startplatz für die Challenge Roth (Größter und bekanntester Langdistanztriathlon) gewonnen haben. So bin ich vom Radfahren dann zum Joggen gekommen. Es fehlte ein Läufer. So kam es, dass ich in 7 Monaten vom 5 km-Läufer zum Marathonläufer geworden bin. Die Gesichter, die Freude, die Tränen der anderen Triathleten um mich herum beim Zieleinlauf haben mich endgültig mit dem Triathlon Virus infiziert. Da habe ich beschlossen eines Tages werde ich hier auch eine Langdistanz finishen. Ein neues Ziel war geboren.

Wie sieht dein Trainingspensum pro Woche aus? Und wie verändert es sich, wenn ein Wettkampf näher rückt?

Seit der ersten Ironman Vorbereitung bis zum Ende des letzten Jahres habe ich einen Trainer gehabt, der mir nach meinem Zeitbudget und Zielen einen individuellen Trainingsplan geschrieben hat. Hier habe ich mit ca. 6 Stunden die Woche begonnen und in Richtung Wettkampf bis zu 15 Stunden die Woche trainiert.

Wie beeinflusst die MS deine sportliche Leistungsfähigkeit bzw. welche Effekte hat der Sport auf deine MS?

Als sportlicher Spätzünder mit 33 Jahren, bin ich mit meinen erreichten Leistungen zufrieden. Da ich nur mit MS Sport gemacht habe, kann ich nicht sagen, ob die Leistungsfähigkeit beeinflusst wurde.

Aber: ich habe ein anderes Körpergefühl. Seit der aller ersten Einheit habe ich den positiven Effekt auf den Kopf gemerkt, die Glückshormone.

Wie war dein erster Triathlon und das Gefühl ein Finisher zu sein?

Total verpeilt, Fahrrad im falschen Bereich der Wechselzone abgestellt, Startnummer unter dem Surf Neo angehabt, den ich erst falsch herum anhatte. Beim Radfahren kam der Gedanke auf: Ich hör auf, dass ist nichts für mich. Aber dann habe ich doch durchgezogen und mich voll infiziert. Am selben Abend habe ich den nächsten Triathlon rausgesucht.

Nach dem ersten Ironman: Stolz und pure Freude es der MS gezeigt zu haben. „Nicht mit mir, das ist mein Körper, ich bin der Bestimmer!“ Ein riesiger Schub an Selbstbewusstsein.

An wie vielen Triathlons hast du bereits teilgenommen? Und was steht als nächstes an?

Insgesamt habe ich bislang 6 Langdistanzen und 9 Mitteldistanzen gefinisht. Dazu kommt noch eine große Anzahl an Olympischen und Volksdistanzen.

Für dieses Jahr steht der Ironman Frankfurt und der Ironman 70.3 Duisburg fest im Plan. Aber das Herzensprojekt für dieses Jahr ist die eine Staffel bei der Challenge Roth. Zwei weitere MS Patienten und ich gehen für die Besi and Friends Stiftung an den Start. Ziel ist es mehr Aufmerksamkeit für MS und die Stiftung zu erreichen. Ferner möchte ich einen Freund den Solarer Berg ermöglichen. 2021 bei unserem letzten gemeinsamen Start in Roth wurde dieser aufgrund Corona aus der Strecke genommen. Leider lässt die MS ihn derzeit nicht in Ruhe und daher steht sein Start noch in den Sternen.

Welche Tipps kannst du anderen geben, die ein großes sportliches Ziel anvisieren und noch ganz am Anfang stehen?

Wie läuft man einen Marathon? Man beginnt mit dem ersten Schritt. Und genauso musst Du es angehen. Schritt für Schritt. Ich habe irgendwann meinen ersten 5 KM-Lauf gemacht, dann der erste 10er, dann kam der Halbmarathon und nach dem Marathon der erste Triathlon.

Wünsche und Ziele

Hast du einen großen unerfüllten Wunsch?

Den Ironman auf Lanzarote finishen.

Welche Entwicklung wünschst du dir im Bereich Multiplen Sklerose in den kommenden 5 Jahren?

Eine Impfung gegen MS. Und eine schnelle Heilung von defekten Nervenzellen.

Blitzlicht-Runde

Was war der beste Ratschlag, den du jemals erhalten hast?

Wenn Du allen gefällst, machst Du etwas falsch.

Wie lautet dein aktuelles Lebensmotto?

Aufgeben ist keine Option.

Mit welcher Person würdest du gern einmal ein Kamingespräch führen und zu welchem Thema?

Mit Christian Lindner zum Thema Steuern.

Welche Internet-Seite kannst du zum Thema MS empfehlen?

Da habe ich tatsächlich keine bestimmte Seite, die ich bevorzuge.

Welches Buch oder Hörbuch, dass du kürzlich gelesen hast, kannst du uns empfehlen und worum geht es darin?

Sei einzig, nicht artig. Von Martin Wehrle. Es geht darum mehr Profil zu entwickeln und weg vom angepassten Ja-Sager zu kommen. Insbesondere werden die Folgen des ständigen es allen „Recht machen wollen“ wie Burnout und Depressionen beleuchtet.

Verabschiedung

Hast du einen Tipp, den du deinem jüngeren Ich geben würdest, für den Zeitpunkt der Diagnose?

Wie meine Oma immer sagte: nichts wird so heiß gegessen, wie es gekocht wird. Viele Sorgen, die ich mir gemacht habe, waren unbegründet.

Möchtest du den Hörerinnen und Hörern noch etwas mit auf dem Weg geben?

Gebt euch, eure Träume und Ziele nicht auf. Alles geht. Alles ist möglich. Hartnäckigkeit zahlt sich aus.

Wo findet man dich im Internet?

Instagram: @ironman_trotz_ms

Ich würde mich freuen, wenn Du es auch schaffst, mehr Sport in Dein Leben einzubauen.  

Bis bald und mach das Beste aus Deinem Leben,
Nele

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Nele Handwerker

Blogger & Patient Advocate

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