Mein heutiger Interviewgast Helmut Metz hat seit mindestens 32 Jahren Multiple Sklerose und mittlerweile Pflegegrad 4, doch dank seiner Resilienz und moderner Technik gelingt es ihm selbstbestimmt in seiner Wohnung zu leben. Er ist nach wie vor berufstätig in Teilzeit und nutzt das Arbeitgebermodell für seine AssistentInnen. SmartHome Lösungen und diverse Hilfsmittel unterstützen ihn dabei, so komfortabel wie möglich die Symptome der MS zu kompensieren. Im Interview stellt er seine Umsetzungen vor, und regt andere Betroffene in einer ähnlichen Situation zum Nachahmen und gerne auch zum direkten Austausch an.
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Inhaltsverzeichnis
Im Podcast haben wir uns noch gesiezt. Da wir anschließend zum Du übergegangen sind, habe ich den Blogbeitrag auf Du umgestellt.
Vorstellung – Wer ist Helmut Metz?
Ich wohne in Dresden, wurde in Greifswald geboren, bin 64 Jahre alt und lebe allein (wobei korrekter gesagt 15 h am Tag meine Assistenten in meiner Wohnung sind).
Ich lese gerne und beschäftige mich mit Schach und Gedichten.
Diagnose und aktueller Status
Wann erhieltest du die Diagnose Multiple Sklerose und was war der Anlass dafür?
Die Diagnose erhielt ich 1993, als ich wegen einer BU-Versicherung bei meiner Neurologin vorstellig wurde. Der Radiologe, der es als Erster ein Jahr vorher feststellte, sprach mir gegenüber von einer „Nervenscheidewandentzündung“, von MS sagte er nichts.
Hattest du bereits vorher Symptome, die rückblickend mit Multipler Sklerose zu tun hatten?
Ja. 1986 hatte ich auf einer langen, anstrengen Fahrradtour nach Ungarn plötzlich einen Schleier vor einem Auge. Später fand man in der (Ost-) Berliner Charité eine partielle Netzhautdegeneration, was mit der eigentlichen MS aber nichts zu tun hatte.
Wie hast du die Diagnose aufgefasst und wie war es für deine Liebsten?
Ich hatte unmittelbar nach der Diagnose einen Zusammenbruch, der mich in die Notaufnahme des örtlichen Krankenhauses brachte. Meine damalige Frau entschied sich aber für unser erstes Kind, wofür ich ihr sehr dankbar bin. Meinen Eltern und allen Anderen erzählte ich nichts.
Wurden dir zu Beginn verlaufsmodifizierende Therapien empfohlen und wie hast du dich entschieden?
Außer Kortison und Imurek gab es 1993 noch keine Therapien.
1996 fand ich die alternative FRATZER-Therapie, die auf damals horrend teuren Nahrungsergänzungsmitteln und einer linolsäurearmen Diät beruht.
Diese Therapie wurde später von Dr. HEBENER übernommen und ist unter diesem Namen immer noch zu finden.
[Anmerkung Nele: Bitte wenn, dann nur an der mediterranen Diät orientieren. Die gilt erwiesenermaßen als positiv bei MS.]
Hast du bereits einen Therapiewechsel hinter dir und wenn ja, was war der Anlass dafür?
Ja. 1999 landete ich mit einem schweren Schub im Krankenhaus. Das zeigte mir, dass meine alternative Therapie nicht ausreicht.
Durch eine MS-Mailingliste fand ich das Medikament COPAXONE. Es gelang mir, dieses damals in der EU noch nicht zugelassene Medikament zu bekommen und spritze es bis heute.
Nutzt du symptomatische Therapieangebote? Wenn ja, welche?
Ja. Zweimal in der Woche behandelt mich Zuhause die Physiotherapie. Außerdem trainiere ich mit einem Impander und einem Motomed (Arme und Beine).
Wie hast du nach der Diagnose deinen Lebensstil angepasst?
Nein, nicht wirklich. Direkt nach der Diagnose habe ich nichts geändert.
Aber von dem auch körperlich sehr aktiven Menschen (Joggen, Fahrradfahren) 1992 bis zum Pflegefall mit Pflegegrad 4 2020 ist es ein weiter Weg, der natürlich laufende Anpassungen verlangte. Ohne auf alle Etappen einzugehen kann ich vielleicht Folgendes sagen: Ich habe immer versucht, im oberen Grenzbereich zu fahren. Ich habe das getan, was (noch) möglich war.
Welchen Einfluss hatte die Diagnose auf deine beruflichen und privaten Pläne?
Beruflich hatte die Diagnose zunächst keine Auswirkung, da ich dort 16 Jahre lang nichts gesagt habe. Der Schwerbehindertenausweis (am Anfang 50%) wurde nicht weiter hinterfragt. Die sich einstellenden Gangschwierigkeiten erklärte ich mit einem alten Sportunfall, was mir auch jeder glaubte. Schließlich galt ich als recht sportlich.
Als ich mich 2008 dann doch outete und meine MS veröffentliche, wurde mir unverzüglich von meiner Geschäftsführung befohlen, sofort Alles abzugeben. („Man wisse ja, wie das ausgeht.“) Ich war damals Produktowner und Softwareentwickler eines deutschlandweit angewandten Programmes.
Auch privat hielt ich mit dieser Diagnose lange hinter dem Berg. Nur engste Freunde wurden unter dem Siegel der Verschwiegenheit eingeweiht. Selbst meine Eltern erfuhren davon nur durch einen blöden Zufall – und nicht von mir.
Was war dein tiefster Punkt mit der Multiplen Sklerose und wie hast du dich wieder rausgekämpft?
Meine absoluten Tiefpunkte (schwere Depressionen, Gewichtsabnahme auf 55kg, Schlaflosigkeit) erreichte ich jeweils, als meine beiden Ehen zu Bruch gingen. Mittelbar spielte dabei sicher auch die MS eine Rolle. Sie war aber nicht der vordergründige Auslöser. Rausgekämpft habe ich mich damals mit langwierigen psychologischen Therapien.
Auswirkungen der progredienten MS auf den Alltag
Wie schränken MS-Symptome dein Leben ein und was unternimmst du dagegen?
Wegen der MS habe ich den Pflegegrad 4. Ich sitze seit 2014 fest im Rollstuhl. Meine Beine und meine rechte Hand kann ich nur noch wenig bewegen.
Um meinen Alltag zu bewältigen, setze ich einerseits auf professionelle Hilfe. Dazu zähle ich den Pflegedienst, Essen auf Rädern, Reinigungsfirma, Assistenten und Physiotherapeuten.
Auch Nachbarn helfen mir manchmal beim Rollstuhlwechsel.
Andererseits habe ich eine Vielzahl von technischen Produkten im Einsatz (sowohl Standardlösungen als auch Eigenentwicklungen), die mir an etlichen Stellen gute Dienste leisten.
Wie wichtig ist dir dein Beruf und welche Anpassungen waren nötig sowie Flexibilität ihres Arbeitgebers, um weiter arbeiten zu können?
Ich bin Softwareentwickler für ein Produkt (gewesen), das tägliche geistige Hochleistung verlangte. Das war natürlich eine enorme Herausforderung aber auch eine schöne Bestätigung für mich.
Bis etwa 2003 fuhr ich oft mit dem Fahrrad zur Arbeit. 2008 legte ich mir einen normalen Faltrollstuhl zu, für den ich 2010 einen elektrischen Zusatzantrieb fand. Beides finanzierte die Krankenkasse.
Als es mit dem Gehen und Heben immer schwieriger wurde, schaffte ich mir einen neuen PKW an, in dem ein kleiner Kran für meinen Faltrollie mit E-Antrieb eingebaut wurde. Für den PKW erhielt ich einen Zuschuss von der Rentenversicherung. Diese hat auch die Kosten für den Kran und neue Brandschutztüren mit Bewegungsmeldern zu meiner Gemeinschafts-Tiefgarage komplett übernommen.
Als ich 2014 mein Auto schweren Herzens stehen lassen musste (Das Risiko wurde zu groß!), engagierte ich einen Fahrdienst, der zu 80% von der Rentenversicherung finanziert wurde.
In den Räumen der Firma wurde auf Kosten des Integrationsames die Toilette für mich umgebaut. Dieses Amt bezahlte auch einen Kollegen täglich eine Stunde für Hilfe für mich.
Für meine Toilettengänge holte ich zeitweise auch einen anderen Pflegedienst in die Firma.
Seit 2020 (Corona) bin ich (fast) vollständig im Homeoffice.
Wie viel professionelle Unterstützung erhältst du durch Assistentinnen und welche Aufgaben übernehmen diese?
Die Assistentinnen sind quasi meine Arme und Beine. Sie tun alles das, was ich nicht mehr machen kann.
Sie kommen täglich um 16 Uhr und übernehmen dann das Essen machen, unterstützen mich beim Transfers in meinen Siesta-Sessel und auf die Toilette, das Einkaufen, aber auch Scanner bestücken, Abheften, Paket (aus)packen, Blumen gießen, Bierbecher bringen, dann abends das Ausziehen, Spitzen, Einschmieren und Zubettbringen.
Sie haben ein separates Zimmer mit TV, Audioanlage und Bett, von wo aus ich sie über meine Smartwatch holen kann.
Nachts schlafen sie im Assistentenzimmer und bleiben zur Bereitschaft bis 7 Uhr früh in meiner Wohnung.
Das morgendliche Aufstehen, Waschen bzw. Duschen und Anziehen und das Erwärmen und Servieren des Mittags übernimmt unabhängig von den Assistentinnen der Pflegedienst.
Wie funktioniert die Finanzierung deiner Assistentinnen?
Die Finanzierung der Assistentinnen erfolgt über ein Persönliches Budget. Dieses Konstrukt ist noch nicht sehr bekannt und kommt dementsprechend relativ selten zur Anwendung.
Im Vorfeld setzen sich alle beteiligten Kostenträger mit dem Betroffenen zusammen und der Bedarf wird als Zeit quantifiziert. Es folgt ein Antragsverfahren, für das man ein halbes Jahr einkalkulieren sollte. Im Falle eines positiven Bescheides schließt der Betroffene mit einem Träger eine sogenannte Zielvereinbarung ab und bekommt dann meist monatlich einen festgelegten Betrag überwiesen.
Als Betroffener hat man nun die Wahl zwischen einem Dienstleistermodell und einem Arbeitsgebermodell.
Beim Dienstleistermodell übergibt man den vollständigen Betrag einer Firma, die dann Assistenten im Rahmen der Zielvereinbarung schickt. Ich habe aber keinerlei Einfluss darauf, wer dann zu mir kommt und etliche Zeit in meiner Wohnung lebt.
Beim Arbeitgebermodell werde ich selbst zum Arbeitgeber und stelle selbst Assistenten ein. Damit habe ich zwar die Auswahl zwischen den Leuten, bin aber auch für die komplette Organisation und Verwaltung zuständig. Dazu gehören das Schalten von Anzeigen, Bewerbergespräche, Arbeitsverträge, Dienstpläne, Urlaubsverwaltung, Lohnabrechnung, Überweisungen an Assistenten, Krankenkassen, Finanzamt und Berufsgenossenschaft, aber auch Kündigungen.
Ich habe das Arbeitgebermodell gewählt. In den letzten 1,5 Jahren habe ich dazu sehr viel lernen müssen.
Um mir die Verwaltung zu erleichtern habe ich ein Windows-Programm geschrieben. Mit diesem Programm kann man Dienstpläne erstellen und an die Assistenten per Email versenden. Außerdem wird eine komplette Bruttolohnabrechnung erstellt, die man ebenfalls per Email an das Lohnbüro schicken kann.
Auf meiner Homepage helmutmetz.de kann man den AssistenzDienstplaner auch downloaden.
Ich bin sehr dankbar dafür, dass es das Persönliche Budget gibt! Ermöglicht es mir doch ein selbstbestimmtes Leben!
Hast du bereits Pläne, wie du nach Renteneintritt weiter geistig fit bleiben willst?
Pläne habe ich keine, nur ein paar Ideen…
Aber wie sagte doch ein bekannter Zeitgenosse: Schau‘n mer ma!
Welche Hilfsmittel nutzt du regelmäßig?
Als Standard verfügbar sind:
E-Rollstuhl (für draußen) – Krankenkasse
Im Februar 2017 erhielt ich nach 2 Jahren Kampf den Bescheid meiner Krankenkasse für die Bewilligung des E-Rollstuhls Paravan. Die Kosten werden geteilt: Die Kasse übernimmt 30.026,35 € und ich bin mit 10 € dabei. Das ist ein toller Deal! Und nun kommt mein Spruch: Für solche Bescheide liebe ich Deutschland!
Ja, ich gebe zu: Das ist mit seinen 7 beweglichen, elektrischen Funktionen quasi ein Rollsroys unter den E-Rollies.
Zimmerrollstuhl
(Eigenanschaffung, mit Umbau)
Dafür musste ich den kleinen und wendigen Zimmer-Rollie der Firma Bräunig komplett selbst finanzieren. Auch die notwendigen Umbauten habe ich selber bezahlt. Kosten etwa 2000 €. Meine Verwandten und Freunde haben da zusammengelegt.
Pflegebett – Krankenkasse
Ich habe ein Standard-Pflegebett, das von der Krankenkasse gestellt wurde.
Brandschutztür zur Tiefgarage mit Bewegungsmelder – Rentenversicherung
Der Zugang zur Gemeinschafts-Tiefgarage meines Mehrfamilienhauses erfolgt durch 2 schwere Brandschutztüren, die ich schon mit Gehhilfen nicht bewältigen konnte geschweige denn mit im Rollstuhl.
Ich habe mich deshalb damals – als ich noch selbst zur Arbeit gefahren bin – um Türen mit Bewegungsmeldern gekümmert. Im Rahmen der Teilhabe am Arbeitsleben wurden mir die notwendigen 8000 € von der Rentenversicherung bezahlt.
Deckenlifter im Bad (Rollie, Badewanne, Toilette) – Krankenkasse
Für den Transfer zwischen Zimmer-Rollie und Badewanne bzw. Toilette habe ich mir im Bad einen festen Deckenlifter einbauen lassen. Die Kosten übernahm die Krankenkasse.
Mobiler Lifter (ggf. für Transfer zwischen Zimmerrollstuhl und Pflegebett) – Krankenkasse
Für den Notfall habe ich für den Transfer zwischen Zimmer-Rollie und Bett seit Kurzem einen mobilen Lifter, den auch die Krankenkasse bezahlt hat.
Rampe zum Schieben auf den Balkon – Sozialamt
Das Sozialamt hat mir eine Rampe finanziert, über die ich auf meinen Balkon geschoben werden kann.
Badbeleuchtung mit Bewegungsmelder
Vor 16 Jahren habe ich mir eine Badbeleuchtung mit Bewegungsmelder gebaut. Weil mit Gehhilfen oder im Rollie hat man nie die Hände frei.
Knietablett (sowohl für unterwegs im Restaurant als auch für Zuhause im Sessel)
Ich hab 2 Knietabletts im Einsatz. Eins fährt immer in meinem E-Rollstuhl mit. Wenn ich also in einem Restaurant mit meinem Rollie nicht an den Tisch heranfahren kann, was mir leider öfter passiert, ist immer ein Knietablett vorhanden, auf dem man mir dann serviert.
Das zweite Knietablett steht Zuhause parat. Wenn ich abends in meinem Sessel sitze, kann mir auf das Tablett ein Bierchen gestellt werden.
Kostenpunkt 50 € pro Tablett.
Behindertengerechtes Besteck 2x
Ebenso verfahre ich auch mit meinem behindertengerechten Essbesteck: Ein Besteck fährt immer mit und eins bleibt Zuhause in der Küche. So ein Besteck ist relativ leicht und hat verstärkte Griffe. So kann ich das besser führen.
Leider kostet ein Teil bereits 25 €.
Spezialkugelschreiber
Ich habe einen Spezialkugelschreiber gefunden, den ich unter den Zeigefinger meiner linken Hand klemmen kann. So ist es mir noch möglich, meine Unterschrift zu leisten – wenn auch sehr langsam und mit schlechter Qualität.
Elektrisch verstellbarer und umklappbarer Sessel
Ich habe mir einen teuren Sessel (1700 €) geleistet, der 2 Motoren hat.
Mit einer kabelgebundene Fernbedienung kann ich 3 Funktionen ansteuern:
- Füße anheben
- Rückenlehne flach stellen
- Ganzen Sessel anheben
Die 3. Funktion ist sehr nützlich beim Transfer über das Rutschbrett zum Zimmerrollie.
Den Sessel nutze ich bei der Physiotherapie und für meine Siesta.
Einrastfunktion der Tastatur (Ab Windows 10)
Windows bietet ab der Version 10 die Einrastfunktion für die Tastatur an.
Man findet dieses Feature unter der „Erleichterten Bedienung“. Damit ist es möglich z.B. Strg C oder das Großschreiben einzelner Buchstaben mit 2 Tastendrücken nacheinander zu realisieren. Ich habe diese Funktion an einem PC immer aktiviert.
Klimaanlage für sehr heiße Tage
Damit ich im Sommer die ganz heißen Tage überstehen kann, hat mir mein Arbeitgeber eine Klimatruhe zur Verfügung gestellt.
Eigenentwicklungen
Verkürztes Rutschbrett mit Rutschhemmung an der Unterseite
Die käuflich überall zu erwerbenden Rutschbretter sind 60 oder 70 cm lang. Wenn ich aber einen Transfer von einem Rollstuhl auf den anderen vorhabe, die direkt nebeneinander stehen, sitze ich nach dem Rutschen vollständig auf dem Brett drauf. Wie soll das nun entfernt werden?
Deshalb habe ich mir ein handelsübliches Rutschbrett in der Mitte durchsägen lassen.
Bei diesem Brett fehlte auch noch die Rutschhemmung auf der Unterseite, die ich mit selbstklebenden Gummiematten einfach ergänzen konnte.
Fingerschiene Stack + Fingerlinge
(Ermöglicht die Tastaturbedienung des Zeigefingers der rechten Hand)
Die Finger meiner rechten Hand krümmen sich leider wie Regenwürmer.
Um den Zeigefinger zu versteifen, habe ich eine Fingerschiene nach Stack gefunden. Das Material ist Plaste. Um das Verrutschen auf der Tastatur zu verhindern, wird diese Schiene mit einem oder besser zwei Gummiefingerlingen überzogen. So kann ich wenigstens mit dem Zeigefinger auch die rechte Hand zur Tastaturbedienung einsetzen.
Kleinere Hilfsmittel z.B. Excel-Tabelle Medikamentenverbrauch
Ich nehme etliche Medikamente und Nahrungsergänzungsmittel ein. Dazu kommen noch Spritzen und urologische Artikel. Um mir den Überblick zu erleichtern, mit welchem Artikel reiche ich wie lange, was muss ich als nächstes bestellen, habe ich mir eine kleine Excel-Tabelle aufgebaut.
So sehe ich auf einen Blick, was ich als nächstes bestellen muss.
Anpassung des Wohnraums mit Smart Home bei progredienter MS
Welche bestehenden Angebote aus dem Bereich Smart Home, erleichtern dein Alltagsleben?
SmartHomeSystem Alexa, das ich über Sprachbefehle steuere
Timer, Wecker
Von Hause aus kann ich mit Alexa sprachgesteuert Timer und Wecker aktivieren. Das nutze ich täglich.
Rundfunk (Sender, Ein/Aus, Lautstärke)
Ebenfalls täglich nutze ich die Möglichkeit, sprachgesteuert beliebige Radiosender zu hören.
Stereoanlage (Ein/Aus, Lautstärke)
Meine Stereoanlage kann ich über Alexa Ein- und Ausschalten sowie die Lautstärke variieren.
TV (Kanal, Ein/Aus, Lautstärke)
Den Fernseher kann ich ebenfalls sprachgesteuert Ein- und Ausschalten sowie die Lautstärke variieren. Außerdem kann ich den gewünschten Kanal ansagen.
Alle Lampen (incl. Deckenleuchte)
Mittlerweile kann ich alle Lampen mit der Sprache steuern. Bei einigen beschränkt es auf das Ein- und Ausschalten, bei anderen kann ich auch die Helligkeit und die Farbe ansagen. Bei den meisten reichte es aus, die Lampe zu wechseln, nur für die Deckenleuchte musste ein neuer Unterputzschalter installiert werden.
Alle Steckdose (incl. PC)
Alle Steckdosen können mit Sprache gesteuert werden.
Alle Heizkörper (Temperatur, Programm)
Bei allen Heizkörpern ließ ich die Thermostatventile wechseln. Nun kann ich die Temperatur jedes Ventils per Sprache vorgeben oder ein in der Alexa-App hinterlegtes Programm fahren.
Thermometer
Eigentlich mehr ein Gag: Ich habe ein kleines WLAN-Thermometer gekauft und kann darüber Alexa fragen, welche Temperatur gerade auf dem Balkon herrscht.
Was hast du selbst entwickelt, um Probleme zu lösen?
SmartDeckenLifter
Da es kein vergleichbares Standartprodukt gibt, muss ich wohl etwas ausholen.
Wie war die Ausgangsposition? Ich bekam ein ganz normales Betttablett geschenkt. Das ist ein Gerät, das man vor sich aufs Bett stellen kann, um darauf wiederum etwas zum Essen, zum Lesen oder was auch immer in seiner unmittelbaren Reichweite zu platzieren.
Das ist eigentlich eine tolle Sache, zumal ich auch mein Notebook darauf abstellen kann und ich manchmal eher als normale Menschen ins Bett gebracht werde.
Nur hatte ich aber ein Problem: Wie kommt das Tablett samt Aufbau zu mir ins Bett und wie werde ich es dann wieder los?
Lange habe ich darüber nachgedacht und bin dann irgendwann auf die Idee gekommen: Wie wäre es, wenn das Tablett bei Bedarf von der Zimmerdecke auf mein Bett herabschweben würde? Nur wie sollte das gehen?
Ich will jetzt nicht alle Gedankengänge ausführen. Doch ich kam zu folgender Lösung: Das Betttablett wird an 4 Seilen aufgehängt. Auf einem Brett an der Decke befinden sich 4 Umlenkrollen und eine lange Welle. Durch das Drehen dieser Welle werden nun die 4 Seile auf- oder abgewickelt und das Betttablett damit hochgezogen oder heruntergelassen.
Diese Welle kann mit einer Fernbedienung gesteuert werden. Materialkosten ca. 150 €. Doch mein Ehrgeiz war gepackt und ich investierte etwas später auch noch die 280 € für eine Bridge (Ein kleines elektronisches Gerät.) zur Anbindung des Deckenlifters an mein SmartHome-System. Nun schwebt mein Betttablett mit meinem Notebook auf Befehl von der Decke herab.
Und mein geliebter SmartDeckenLifter war geboren.
SmartBett
Was ist denn damit gemeint?
Ich habe ein ganz normales von der Krankenkasse bezahltes Pflegebett. In diesem Bett kann man das Rückenteil, die Gesamthöhe des Bettes und die Beinstellung jeweils mit einem Motor verstellen. Dazu gibt es eine Fernbedienung, die bei Nichtbenutzung an das Geländer des Bettes gesteckt wird.
Als Patient interessiert mich eigentlich nur das Hochstellen des Rückenteiles, da ich diese Position zur Bedienung meines Notebooks und insbesondere nachts zum Handling der Ente benötige.
Eigentlich klappt das Fernbedienung. Nur taten sich für mich 2 Probleme auf:
- Ich habe Probleme nachts die richtige Taste auf der Fernbedienung zu finden und dann 15 Sekunden gedrückt zu halten, und
- Entglitt mir manchmal die Fernbedienung und lag dann für mich völlig unerreichbar vor dem Bett.
Deshalb habe ich mir ein kleines Zusatzgerät ausgedacht. Nun kann ich per Sprachbefehl das Rückenteil meines Bettes in meine Lieblingssitzposition oder die Schlafposition befördern. Per Sprache lässt sich die Position auch leicht verändern.
Diese Funktion ist bei mir jede Nacht im Einsatz.
Kostenpunkt für das Zusatzgerät sind ca. 140 €.
SmartFenster
Es gibt für etwa 500 € ein Gerät zu kaufen, das man an seinem normalen Klappfenster installieren lassen kann. Ein solches Gerät habe ich mir geleistet. So konnte ich über jeweils eine Funkfernbedienung am Schreibtisch und eine am Bett erstmals seit vielen Jahren zumindest ein Fenster selbst öffnen und schließen. Das war für mich ein innerer Vorbeimarsch, der mir ein Tränchen in die Augen trieb!
Doch wie viel geiler wäre es, wenn das auch noch per Sprache funktionieren würde?
Ein Anruf beim Hersteller ergab, dass eine Anbindung des Gerätes an ein SmartHome-System nicht vorgesehen sei.
Doch mein Ehrgeiz war geweckt!
Und so habe ich mir ein weiteres Zusatzgerät ausgedacht, das es ermöglicht, mein Fenster per Sprachbefehl anzuklappen und wieder zu schließen.
SmartSegel
Was meint denn das?
Ich habe einen wunderschönen, lichtdurchfluteten Balkon an der Süd-West-Ecke unseres Mehrfamilienhauses. Ich liebe diesen Balkon sehr. Doch kann es im Sommer auf dem Balkon und meinem Zimmer dahinter sehr, sehr heiß werden.
Deshalb habe ich mir schon vor Jahren Markisen angeschafft. Da diese jedoch mit Schnüren bedient werden, konnte ich sie selber leider noch nie handeln. Nun habe ich mir – mit den Erfahrungen vom SmartDeckenLifter – einen Umbau der Markisen ausgedacht.
Im Ergebnis dessen lassen sich nun mit der Funkfernbedienung oder per Sprachbefehl die Markisen runter und hoch fahren.
Um mal die Bedeutung für mich darzustellen: An einem durchschnittlichen Tag gebe ca. 50 bis 60 Kommandos an Alexa. Für Andere mag das vielleicht eine spielerische Komponente beinhalten, für mich bedeutet es eine gewisse Selbständigkeit und damit Lebensqualität. Gerade im Moment ist eine Assistentin erkrankt. Der Pflegedienst bringt mich um 20:30 Uhr ins Bett. Und dann kann ich das Bett nicht mehr verlassen und bin auf mich alleine gestellt. Ohne meine sprachgesteuerten Hilfsmittel wäre ich total aufgeschmissen.
An dieser Stelle möchte ich all Denen danken, die meine Ideen realisiert haben. Da sind mein bester Kumpel in Dresden Ingo Güttler, mein lieber Hausmitbewohner Dietmar Funke und mein Sohn Julius zu nennen.
Wenn jemand begabte Bastler kennt, stehe ich zu Fragen zum Nachbau gerne zur Verfügung.
Über welchen Zeitraum hast du dir diese Unterstützungen angeschafft und musstest du alle selbst finanzieren oder wurden sie teilweise von Kostenträgern übernommen?
2020 bekam ich einen Amazon Echo Dot und eine smarthomefähige Lampe geschenkt. Die Lampe ließ ich gleich bei meinem Bett installieren.
Nachdem ich diese Lampe als sehr nützlich für mich empfand, begann ich nach und nach weitere Elemente für Alexa zu ergänzen und auszutauschen. Und schließlich entwickelte ich auch eigene Anbindungen selbst.
Ich habe die Ausgaben auf meiner Steuerklärung angegeben. Eine weitere Förderung erhielt ich dafür nicht.
Wünsche und Ziele
Hast du einen großen unerfüllten Wunsch?
Mein Neffe regte an, eine gemeinsame Reise in die USA zu unternehmen. Das reizt mich sehr…
Welche Entwicklung wünschst du dir im Bereich Multiplen Sklerose in den kommenden 5 Jahren?
Vielleicht wird irgendwann ein Medikament entwickelt, mit dem man die MS heilen kann.
Blitzlicht-Runde
Was war der beste Ratschlag, den du jemals erhalten hast?
Das klingt jetzt etwas komisch: Ich habe kaum besonders nützliche Ratschläge erhalten – aber etliche gegeben.
Wie lautet dein aktuelles Lebensmotto?
Darf ich auch zwei?
- Stephen Hawking: „Meiner Meinung nach sollten sich behinderte Menschen auf die Dinge konzentrieren, die ihnen möglich sind, statt solchen hinterherzutrauern, die ihnen nicht möglich sind.“
(Hawking in seiner 2013 auf Deutsch erschienenen Autobiografie „Meine kurze Geschichte“ ). - Humor ist, wenn man trotzdem lacht.
Mit welcher Person würdest du gern einmal ein Kamingespräch führen und zu welchem Thema?
Malu Dreyer, Ministerpräsidentin von Rheinland-Pfalz und an MS erkrankt
Wie schaffen Sie das?
Vervollständige den Satz: „Für mich ist die Multiple Sklerose…“
„…eine sehr große Herausforderung.“
Welche Internet-Seite kannst du zum Thema MS empfehlen?
Besonders für das Persönliche Budget im Arbeitgebermodell empfehle ich
https://www.forsea.de/
Welches Buch oder Hörbuch, dass du kürzlich gelesen hast, kannst du uns empfehlen und worum geht es darin?
Matt Haig: „Die Mitternachtsbibliothek“
In diesem ungewöhnlichem Buch geht es darum, was aus Einem hätte werden können, wenn man sich an bestimmten Punkten seines Lebens anders entschieden hätte. Und es endet unerwartet und für mich sehr hoffnungsvoll.
Verabschiedung
Hast du einen Tipp, den du deinem jüngeren Ich geben würdest, für den Zeitpunkt der Diagnose?
Mach‘ es wieder so! Selbstreduktion würdest du irgendwann bereuen.
Möchtest du den Hörerinnen und Hörern noch etwas mit auf dem Weg geben?
Ich glaube, dass es bei einer so langwierigen Krankheit wie der MS eine Rolle spielt, welch ein Verhältnis man zu ihr und seinem Körper entwickelt. Man sollte seinen Körper als Träger dieser Krankheit nicht als Feind betrachten. Behandle ihn gut, er ist die Wohnung deiner Seele.
Wo findet man dich im Internet?
Ich lade alle Zuhörer auf meinen YouTube-Kanal ein, der unter Helmut Metz zu finden ist. Auf helmutmetz.de befindet sich auch ein Link zum YouTube-Kanal.
Dort kann man alle meine SmartHome-Erfindungen ansehen.
Und wer mit Gedichten etwas anfangen kann, der könnte sich dort auch meinen ersten Auftritt mit meinem Soloprogramm „Vorgartenspaziergang“ vom letzten Herbst ansehen. Auch das ist nach 37 Jahren MS und mit dem Pflegegrad 4 noch möglich.
Außerdem bin ich natürlich unter [email protected] zu erreichen.
Danke an Helmut für das Aufzeigen, dass man man auch mit starken Einschränkungen durch MS dank moderner Technik und geeigneter Hilfsmittel selbstbestimmt leben kann. Und bereits viel Freude bei der Planung und Durchführung der USA-Reise.
Bis bald und mach das Beste aus Deinem Leben,
Nele
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