#230: Interview mit Lea Beutnagel über ihr Leben als Redakteurin, freie Lektorin und MS

Heute spreche ich mit Lea Beutnagel über den hochaktiven Verlauf ihrer Multiplen Sklerose und welchen Einfluss die Auswirkungen auf ihre beruflichen Entscheidungen hatten. Lea kennt die MS bereits von ihrem Großvater. Mittlerweile hat sich die MS dank Therapie zum Glück beruhigt, dennoch musste sie den Job als Redakteurin aufgeben und widmet sich nun einem neuen, ebenfalls spannenden Aufgabengebiet, wo sie mit reduzierter Stundenanzahl mehr Zeit und Energie hat, sich um ihr Privatleben und ihre Gesundheit zu kümmern.

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Inhaltsverzeichnis

Vorstellung – Wer ist Lea Beutnagel?

Ich bin Lea, komme aus der Nähe von Hildesheim (bei Hannover), bin 25 Jahre alt und lebe hier gemeinsam mit meinem Verlobten. 

Diagnose und aktueller Status

Wann erhieltest du die Diagnose Multiple Sklerose und was war der Anlass dafür?

Die Diagnose habe ich im Mai 2019 im Zuge meines ersten Schubs bekommen. Da habe ich noch studiert und es sind während der Prüfungsphase die typischen Doppelbilder aufgetaucht. Als dann noch meine komplette rechte Seite taub war, wusste ich, dass etwas nicht stimmt.

Hattest du bereits vorher Symptome, die rückblickend mit Multipler Sklerose zu tun hatten?

Nicht, dass ich wüsste. Aber ich konnte noch nie so schnell laufen wie meine Klassenkamerad:innen und wusste nie, warum meine Beine so schwer sind, egal, wie sehr ich mich anstrenge. Vielleicht war das schon ein Hinweis.

Wie hast du die Diagnose aufgefasst und wie war es für deine Liebsten?

Als ich die Diagnose bekommen habe, war das natürlich erstmal ein Schock. Andererseits war ich aber auch froh ─ so komisch sich das anhören mag ─ weil ich dann wusste, was mit mir los ist und dass man etwas dagegen tun kann. Mein Opa lebt schon sehr lange mit MS, daher bin ich mit dieser Krankheit aufgewachsen. Er hat mir und meinen Geschwistern schon immer eingetrichtert, dass das die „Krankheit der 1.000 Gesichter“ ist.

Daher wusste ich, dass die MS bei allen Betroffenen individuell verläuft und das nicht bedeutet, dass mein Leben jetzt vorbei ist.

Wurden dir zu Beginn verlaufsmodifizierende Therapien empfohlen und wie hast du dich entschieden?

Meine Neurologin hat mir Therapien empfohlen. Da ich nach meiner Diagnose innerhalb weniger Monate fünf Schübe hatte, das Laufen und vieles anderes erst einmal neu lernen musste und mein Verlauf insgesamt ein schwerer ist, blieben da aber nicht viele Möglichkeiten übrig. Nach zwei Blutwäschen gab es nur noch ein Medikament, dass für mich in Frage kam. Daher war die Entscheidung eher zwischen: dieses Medikament nehmen oder gar keins.

Hast du bereits einen Therapiewechsel hinter dir und wenn ja, was war der Anlass dafür?

Das Medikament nehme ich seit meiner Diagnose und bis jetzt gab es noch keinen Anlass für einen Wechsel.

Nutzt du symptomatische Therapieangebote? Wenn ja, welche?

Ich gehe einmal in der Woche zur Ergotherapie. Ich würde gerne noch weitere Angebote nutzen ─ allen voran die Physiotherapie ─ aber leider war mir das aufgrund meines Vollzeitjobs in letzter Zeit nicht möglich.

Wie hast du nach der Diagnose deinen Lebensstil angepasst?

Zuallererst habe ich mich von Menschen getrennt, die mir nicht guttun. Was sich aber auch schon von allein erledigt hat, denn nach so einer Diagnose verabschieden sich leider viele Menschen aus dem Leben. Ich versuche, mehr auf meine Ernährung zu achten (was aber ehrlich gesagt neben dem Vollzeitjob sehr schwierig ist), mir ausreichend Pausen zu gönnen und mich generell nicht mehr so schnell stressen zu lassen.

Wie blickst du auf deine Zukunft und haben sich deine beruflichen und privaten Pläne verändert?

Vor allem meine beruflichen Pläne haben sich geändert. Ich habe mir eingestehen müssen, dass ein Vollzeitjob mit meiner MS nicht funktioniert. Daher habe ich nach einem neuen Job gesucht, in dem ich jetzt nur noch eine halbe Stelle arbeite.

Privat musste ich leider meine sozialen Kontakte extrem runterfahren, da ich neben dem Vollzeitjob keine Kraft mehr dazu hatte. Das möchte ich jetzt mit der halben Stelle wieder ändern.

Generell steht für mich jetzt meine Gesundheit an erster Stelle und nicht, dass ich immer überall dabei bin. Ich bin glücklich, wenn mein Freund und ich Zeit miteinander verbringen können.

Was war dein tiefster Punkt mit der Multiplen Sklerose und wie hast du dich wieder rausgekämpft?

Der tiefste Punkt war während der vielen Schübe nach der Diagnose, als ich in der Reha war und dort noch einen Schub hatte. Ich wollte einfach nicht mehr. Ich habe nicht verstanden, wieso ich mich so bemühe und es einfach immer nur bergab geht.

Aus diesem Loch haben mich meine Familie und mein Freund wieder rausgeholt. Sie haben wirklich viel Arbeit investiert, um mich wieder aufzumuntern und dafür zu kämpfen, dass ich nicht aufgebe. Das war nicht leicht für sie und ich bin ihnen so dankbar, dass sie in dieser Zeit für mich da waren und es generell immer sind.

Wie geht es dir aktuell mit deiner MS?

Aktuell ist es sehr durchwachsen. Die zwei Jahre mit einem stressigen Vollzeitjob haben ihre Spuren hinterlassen. Aber ich blicke hoffnungsvoll in die Zukunft und denke, dass es besser wird, wenn ich nur noch eine halbe Stell mache und wieder mehr Zeit für mich und meine Gesundheit habe.

Leben als Journalistin

Was fasziniert dich am Journalismus und welche Aspekte liebst du an deinem Beruf besonders?

Ich liebe den Job, da ich hier Geschichten von Menschen erzählen kann, die sonst nicht gehört werden. Ich lerne so viel Neues und dafür bin ich unglaublich dankbar. Es ist wirklich erstaunlich, wie sehr sich die Menschen einem öffnen, obwohl sie mich ja nicht wirklich kennen. So durfte ich zum Beispiel jetzt schon öfter an Treffen von Selbsthilfegruppen mit alkohol- und drogenkranken Menschen teilnehmen, um darüber zu berichten und mehr Aufmerksamkeit auf dieses Thema zu lenken. Was mir da für ein Vertrauen entgegengebracht wird, ist unglaublich.

Natürlich bringe ich auch Themen ein, die mir selbst am Herzen liegen. Zum Welt-MS-Tag gibt es dann auch mal eine ganze Sonderseite.

Wie sieht ein typischer Arbeitstag bei dir aus und wie eine ganze Woche?

Man sitzt tatsächlich sehr viel vor dem Computer. Zum Journalismus gehört nicht nur das Besuchen von Terminen, sondern auch sehr viel Organisation, Recherche und natürlich das Schreiben, Bilder bearbeiten und das Layouten der Seiten. Ich arbeite in einer kleinen Lokalredaktion, da machen wir noch alles selbst.

Wie wählst du die Themen aus über die du schreibst und welche Quellen nutzt du für deine Recherche?

Ich schaue oft, welche Themen grade in Deutschland und der Welt relevant sind und hole diese dann auch eine lokale Ebene ─ überlege mir also, mit wem ich über diese Themen sprechen könnte und welche Relevanz die Themen für unsere Region haben. Und wie gesagt: Ich schreibe auch oft über Themen, die mich selbst interessieren.

Beeinflussen deine eigenen Erfahrungen mit MS zu leben in irgendeiner Hinsicht deine Arbeitsweise oder Herangehensweise?

Auf jeden Fall. Ich versuche, mich weniger dem Stress auszusetzen. Da das in meinem jetzigen Job nicht klappt und auch andere Dinge für mich nicht passen, habe ich mich ja auch nach einem neuen Job umgeschaut.

Bücherliebe

Was bedeutet lesen für dich und was findest du in Büchern?

Ganz klischeehaft: Ich kann mit den Büchern in eine andere Welt eintauchen. Weil mir oft nichts anderes für meine Freizeit übrig bleibt, außer mich auszuruhen und meine Kräfte zu sammeln, sind die Bücher da eine ganz tolle Beschäftigung.

Ich lese aber schon immer sehr viel. Ich liebe es, andere Perspektiven kennenzulernen. So erweitert man seinen Horizont und ich lerne so viel Neues dazu.

Wie viele Bücher liest du pro Jahr und bevorzugst du bestimmte Genres?

Im letzten Jahr habe ich 93 Büchern gelesen. Darunter sind aber auch Hörbücher. Eigentlich ist das aber eher ein bisschen traurig, weil ich in meiner Freizeit wie gesagt nicht viel anderes machen kann, weil ich neben der Arbeit zu nichts anderem Kraft habe. Natürlich liebe ich es aber nach wie vor, so viel zu lesen. Am liebsten lese ich Thriller und nebenher immer mindestes ein Sachbuch. Ich finde es wichtig, sich über bestimmte Themen weiterzubilden.

Blitzlicht-Runde

Was war der beste Ratschlag, den du jemals erhalten hast?

Entschuldige Dich niemals für Deine Krankheit.

Wie lautet dein aktuelles Lebensmotto?

Ein Lebensmotto habe ich nicht wirklich 😀

Mit welcher Person würdest du gern einmal ein Kamingespräch führen und zu welchem Thema?

Mit Thees Uhlmann (deutscher Sänger, von dem ich ein großer Fan bin). Mit dem würde ich gerne mal über alles Mögliche quatschen. Oder mit Michelle Obama (deren Vater übrigens auch MS hatte).

Vervollständige den Satz: „Für mich ist die Multiple Sklerose…“

. …momentan eher ein Fluch als ein Segen.“

Welche Internet-Seite kannst du zum Thema MS empfehlen?

Natürlich www.ms-perspektive.de 😉Aber auch auf www.trotz-ms.de informiere ich mich gerne.

Welches Buch oder Hörbuch, dass du kürzlich gelesen hast, kannst du uns empfehlen und worum geht es darin?

Die „Beartown“-Reihe (ins Deutsche als Björnstadt-Reihe übersetzt)  von Frederik Backman. Da geht es sehr viel um Hockey, davon sollte man sich aber nicht abschrecken lassen. Im Grunde geht es um ein kleines Dorf, das von einem Vorfall erschüttert wird und wie alle damit umgehen. Hört sich erstmal irgendwie langweilig an, aber ich war so begeistert von der Geschichte und vor allem von dem Schreibstil. Und wenn es um Thriller geht empfehle ich alles von Melanie Raabe! Wenn ich von ihr ein neues Buch starte, muss ich zwei Tage nichts vorhaben, damit ich die an einem Stück durchlesen kann.

Verabschiedung

Hast du einen Tipp, den du deinem jüngeren Ich geben würdest, für den Zeitpunkt der Diagnose?

Nimm Dir Zeit, um wieder auf die Beine zu kommen. Grade ist nur Deine Gesundheit wichtig.

Möchtest du den Hörerinnen und Hörern noch etwas mit auf dem Weg geben?

Es wird wirklich besser, auch wenn es grade nicht so aussieht, und: Du bist gut so, wie Du bist.

Wo findet man dich im Internet?

Auf Instagram unter @unheilbar_gluecklich und auf meinem Blog unter www.unheilbargluecklich.wordpress.com.

Vielen Dank an Lea für den offenen Umgang mit Multipler Sklerose, gerade auch bei so einem hochaktiven Start. Das gibt hoffentlich vielen anderen Hoffnungen sein Leben und seine Ziele weiter zu verfolgen, wenn auch manchmal mit etwas angepasster Ausrichtung. Und natürlich weiterhin alles Gute privat und beruflich.

Bis bald und mach das Beste aus Deinem Leben,
Nele

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Nele von Horsten

Blogger & Patient Advocate

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