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#234: Gangveränderungen bei gering betroffenen MS-Patienten. Interview mit Dr. Hernan Inojosa

Heute spreche ich mit Dr. Hernan Inojosa über eine Studie, die Gangveränderungen bei gering betroffenen MS-Patienten untersucht hat und zu überraschenden Ergebnissen führte. Dabei wurden die eingeschlossenen MS-Patienten mit passenden Nichtbetroffenen verglichen, die ihnen in Bezug auf Alter, Geschlecht und BMI glichen. Da Gangveränderungen bei einer Vielzahl von Menschen mit MS im Verlauf der Erkrankung auftreten, sind sie gleichzeitig eine gute Möglichkeit, um zu beurteilen ob, die Therapie wirkt, die Krankheit wirklich ruht oder im Verborgenen weiter voranschreitet. Denn gerade am Anfang der Erkrankung können Veränderungen sehr subtil sein.

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Inhaltsverzeichnis

Vorstellung – Wer ist Dr. Hernan Inojosa?

Ich bin aktuell Arzt in Weiterbildung an der Klinik für Neurologie. In meiner Freizeit treibe ich gerne Sport und wandere gern. Und wann immer ich die Möglichkeit habe bin ich am Strand.

Persönliche Motivation für Beruf?

Menschen zu helfen durch Verständnis des neurologischen Systems und der potenziellen Entwicklungen auf dem Feld.

Bedeutung von Gangveränderungen bei MS

Wieviel Menschen mit MS sind im Laufe ihrer Erkrankung von Gangveränderungen betroffen?

Das ist je nach Verlaufstyp unterschiedlich. Circa 60% der PPMS Patient*innen haben bereits zum Zeitpunkt der Erstdiagnose eine Gangstörung. Im Allgemeinen beklagen 2/3 der Patient*innen  diese im Laufe der Erkrankung.

Wie werden Ganganalysen eingesetzt, um den Verlauf der Multiplen Sklerose einzuschätzen?

Klinisch werden Gangveränderungen im Rahmen der Anamnese und später der regelmäßigen körperlichen Untersuchungen durchgeführt. Darüber hinaus gibt es die Patient Reported Outcomes, kurz PROs (vom Patienten selbst erhobene Tests). Zu den klassischen COMs (Clinical Outcome Measures = klinische Messungen) zählen der T25FWT = Time for 25 foot walk test, bei dem die Zeit gemessen wird, die man für 25 Fuß Strecke braucht, was 7,62 Metern entspricht. Wenn die Zeit dafür ausreicht, wird auch gern der 6-MWT = 6 minütiger Gehtest gemessen. Dabei geht man so schnell wie möglich für sechs Minuten lang und es wird gemessen, welche Strecke man zurücklegt. Bei diesem Test kann man noch genauer Symptome erfassen, wie eine etwas verzögert einsetzende Fatigue. Natürlich gibt es noch weitere Tests.

Zu den neuen Analysen zählen die digitalen Biomarker, die multimodale Ganganalyse und Wearables, die Bewegungsdaten im Alltag erfassen.

Studie zu Gangveränderungen mittel GaitRite Matte

Was ist das Besondere an der Messung auf der GaitRaite Matte? Was kann man dadurch genauer und besser messen?

Das man den Gang besser quantifizieren kann durch die 30.000 piezoelektrischen Sensoren. Dadurch sieht man die Breite des Gangs, Schwankungen, wie der Fuß abgerollt wird, was bei Ablenkung passiert und kann es objektiv messen.

Welche MS-Patienten wurden in die Studie eingeschlossen (Alter, Dauer der Erkrankung, EDDS-Score)?

Es wurden Menschen mit MS ohne relevante Behinderung eingeschlossen, die also einen EDSS zwischen 0 und 1,5 hatten. Das Durchschnittsalter lag bei 35,38 Jahren mit einer Standardabweichung von 8,82. 63 Prozent der untersuchten Personen waren weiblich und die Krankheitsdauer betrug im Mittel vier Jahre mit einem Interquartilsabstand (IQR) von 2-9.

Mit wem wurden die MS-Patienten verglichen und was war das Ergebnis der Auswertung?

Mit gesunden Kontrollpersonen, die vergleichbar waren in Bezug auf Alter, Geschlecht und BMI (Body Mass Index).

Die MS-Patienten schnitten im Gruppenvergleich besser ab als die Kontrollpersonen und die Patienten, die schon länger mit der Diagnose lebten sogar nochmal besser.

Thesen zu den Ergebnissen der Studie zu Gangveränderungen bei MS-Patienten

Welche Gründe vermutet ihr für dieses Ergebnis?

Wir könnten uns vorstellen, dass MS-Patienten deutlich bewusster trainieren und sich mit einem gesunden Lebensstil überdurchschnittlich oft auseinandersetzen. Ihre Motivation ist hoch, sie beschäftigen sich freiwillig viel damit, wie sie durch Sport, Bewegung und Ernährung positiv auf ihren Krankheitsverlauf Einfluss nehmen können und das steigt mit zunehmender Krankheitsdauer an, wenn die Patient*innen die Diagnose akzeptiert haben.

Allerdings können wir nicht einschätzen, wie diese Faktoren bei den gesunden Vergleichspersonen aussehen.

Wie schätzt Du die Bedeutung einer gesunden Lebensführung inklusive Sport, Ernährung, generell aktiver Lebensführung und individuell passender Immuntherapie ein?

Diese Faktoren spielen eine zentrale Rolle neben der krankheitsverlaufsmodifizierenden Therapie.

Welche Fragestellungen ergeben sich daraus für zukünftige Studien und welche Handlungsempfehlungen für MS-Patienten?

Für uns ist nun interessant, wie es über einen längeren Beobachtungszeitraum aussieht, sagen wir nach fünf Jahren? Kann man die Patient*innen besser in Untergruppen aufteilen (stratifizieren)?

Blitzlicht-Runde

Vervollständige den Satz: „Für mich ist die Multiple Sklerose…“

Eine Herausforderung, sowohl für die Patient*innen als auch für die behandelnden Ärzt*innen, Physiotherapeut*innen, Pfleger*innen, …

Welchen Durchbruch in der Forschung und/oder Behandlung der Multiplen Sklerose wünschst du dir in den kommenden 5 Jahren?

Ich wünsche mir Tools zur optimalen Auswahl der Therapie bei Erstvorstellung. Vielleicht kann und wird das mithilfe künstlicher Intelligenz gelingen.

Welche Internet-Seite kannst du zum Thema MS empfehlen?

Die Webseite des Kompetenznetz Multiple Sklerose (KKNMS): https://www.kompetenznetz-multiplesklerose.de/

Verabschiedung

Möchtest du den Hörerinnen und Hörern noch etwas mit auf dem Weg geben?

Treiben Sie Sport – Yoga, Ausdauersport oder was für Sie am Besten passt.

Wo findet man dich und deine wissenschaftlichen Arbeiten im Internet?

Zum einen auf der Homepage des Zentrum für klinische Neurowissenschaften ZKN: https://msz.uniklinikum-dresden.de/

Und auf Researchgate.

Vielen Dank an Dr. Hernan Inojosa und alle beteiligten Kolleg*innen für diese spannende und aus Betroffenensicht sehr motivierende Arbeit. Ich bin gespannt, was zukünftige Studien in dieser Richtung bringen und schließe mich dem Aufruf an: Treibe aktiv mehr Sport, am besten beides Ausdauersport und Kraftsport!

Bis bald und mach das Beste aus Deinem Leben,
Nele

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