Diesmal begrüße ich Dr. Claudia Marck als Interviewgast zum Thema Rauchen und Multiple Skerose.
Wir sprechen darüber, wie Rauchen das Risiko der Erkrankung erhöht und die Prognose verschlechtert. Und nachdem sie all die Beweise geliefert hat, warum man aufhören sollte, teilt Claudia die besten Strategien, um dieses Ziel zu erreichen.
Claudia weiß, wovon sie spricht, denn sie hat es vor fünfzehn Jahren geschafft, nach mehreren gescheiterten Anläufen endlich mit dem Rauchen aufzuhören.
Dieser Blogbeitrag und die dazugehörige Podcast-Episode gibt es auch im Englischen Original.
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Inhaltsverzeichnis
Vorstellung von Dr. Claudia Marck
Privates
Claudia ist gebürtige Niederländerin und zog vor 15 Jahren nach Australien.
Position
Senior Research Fellow an der Melbourne School of Population and Global Health
Ausbildung
- Management: Swinburne University of Technology
- Dr: Erasmus University Rotterdam
- Neurowissenschaften und Kognition: Utrecht University
- Psychologie: Utrecht University
Persönliche Motivation für die Berufswahl
Multiple Sklerose ist eine Krankheit, von der viele Menschen schon in jungen Jahren betroffen sind, oft in den Jahren, in denen sie sich eine Karriere und eine Familie aufbauen. Mit meiner Arbeit hoffe ich, Wege zu finden, wie ich Menschen mit MS zu einem gesünderen und glücklicheren Leben verhelfen kann.
Ich denke, dass die Unterstützung von Menschen bei der Raucherentwöhnung in der MS-Forschung und in der klinischen Praxis nicht genügend Beachtung findet. Ich habe früher eine Schachtel am Tag geraucht. Vor 15 Jahren habe ich nach mehreren Versuchen mit dem Rauchen aufgehört. Deshalb weiß ich, wie schwer es sein kann.
Rauchen und MS - bisherige Erkenntnisse
Welchen Einfluss hat das Rauchen auf die Entstehung von Multipler Sklerose (MS)?
Wir haben inzwischen ziemlich überzeugende Beweise dafür, dass Rauchen das Risiko, an MS zu erkranken, erhöht. Passivrauchen, also der Aufenthalt in der Nähe von Menschen, die rauchen, erhöht ebenfalls das MS-Risiko. Dies ist wichtig für Kinder von Menschen mit MS, die aufgrund einer genetischen Anfälligkeit ein etwas höheres Risiko haben, selbst an MS zu erkranken.
Eine Studie zeigte, dass Kinder, deren Eltern in ihrer Umgebung rauchten, ein höheres Risiko hatten, in jungen Jahren an MS zu erkranken, und je länger sie dem Rauch ausgesetzt waren, desto höher war dieses Risiko.
Wie trägt das Rauchen zum Fortschreiten der Krankheit und der Behinderung bei?
Menschen, die nach einer MS-Diagnose weiter rauchen, sind in Bezug auf Hirnläsionen, Schübe und Fortschreiten der Behinderung schlechter dran als Menschen, die zum Zeitpunkt der Diagnose mit dem Rauchen aufhören. Studien, in denen Menschen mit MS über einen längeren Zeitraum hinweg beobachtet wurden, haben gezeigt, dass Menschen, die weiterhin rauchen, schneller Gehprobleme entwickeln.
Mehrere Studien zeigen, dass Menschen mit RRMS, die weiter rauchen, auch das progressive Stadium der MS (SPMS) schneller erreichen als diejenigen, die nicht rauchen. Eine Studie zeigte, dass anhaltende Raucher das progressive Stadium der MS acht Jahre früher erreichten als diejenigen, die nach der Diagnose aufhörten.
Wir alle wissen, dass Rauchen auch Auswirkungen auf die Gesundheit des Herzens und anderer Organe hat und das Krebsrisiko erhöht. Es ist nie zu spät, mit dem Rauchen aufzuhören. Selbst wenn Sie schon sehr lange an MS erkrankt sind, ist die Raucherentwöhnung eines der besten Dinge, die Sie für Ihre Gesundheit tun können.
Wie viele Personen sind zum Zeitpunkt der Diagnose Raucher?
Das ist unklar. Es gibt einige Hinweise darauf, dass Menschen mit MS im Vergleich zu Menschen ohne MS häufiger rauchen, aber in diesem Bereich sind weitere Untersuchungen erforderlich. Zudem unterscheidet sich dies von Land zu Land.
In Australien, wo ich lebe, gibt es viel strengere Vorschriften für die Raucherwerbung, und eine Schachtel Zigaretten ist viel teurer als in Deutschland. Daher ist der Anteil der Raucher an der Bevölkerung geringer, etwa 11 % in Australien gegenüber 22-28 % in Deutschland, also doppelt so hoch.
Welche Auswirkungen hat Rauch auf Körper und Gehirn, und gibt es einen Unterschied zwischen normalen Zigaretten und E-Zigaretten?
Erstens schrumpft unser Gehirn mit zunehmendem Alter langsam ein wenig. Es ist erwiesen, dass Rauchen diesen Prozess beschleunigt, weil der Rauch die Gehirnzellen Tag für Tag schädigt. Außerdem enthält es Metalle und viele Chemikalien, die Krebs verursachen, die Blutgefäße, die Lungenschleimhaut, den Herzmuskel und so ziemlich jedes andere Organ in Ihrem Körper schädigen können. Die meisten von uns wissen das, aber Raucher sterben im Allgemeinen jünger, und das gilt auch für Menschen mit MS, die rauchen, im Vergleich zu Menschen mit MS, die nicht rauchen.
Es gibt keine Beweise dafür, dass E-Zigaretten nicht schädlich sind, sie enthalten oft viele Chemikalien, die potenziell schädlich sind. E-Zigaretten oder Verdampfer gibt es noch nicht lange genug, um zu wissen, welche langfristigen gesundheitlichen Folgen sie haben. Gegenwärtig wird davon abgeraten, sie zu verwenden, es sei denn, sie werden von Ihrem Arzt speziell als vorübergehendes Mittel zur Raucherentwöhnung verschrieben.
Welcher Inhaltsstoff scheint der gefährlichste zu sein? Und ist er auch in Kautabak enthalten?
Ich weiß nicht, was am gefährlichsten ist. Zu den gefährlichen Chemikalien im Tabakrauch gehören Formaldehyd, Blei, Arsen, Ammoniak und Teer, der die Finger und Zähne der Raucher gelb oder braun färbt. Studien haben gezeigt, dass Nikotin zwar süchtig macht, aber nicht die Gesundheit schädigt (es sei denn, es wird in hohen Dosen konsumiert). Es sind die anderen Chemikalien und der Rauch von Zigaretten und Zigarren, die am meisten Schaden anrichten.
Das ist wichtig, denn es bedeutet, dass Nikotinersatzprodukte, die bei der Raucherentwöhnung hilfreich sein können, für Menschen mit MS sicher sind. Es gibt keine bekannten Wechselwirkungen zwischen MS-Medikamenten und Nikotin oder anderen Medikamenten zur Raucherentwöhnung.
Soweit ich weiß, gibt es keine eindeutigen Zusammenhänge zwischen Kautabak und MS, aber es gibt andere Gesundheitsrisiken, und deshalb ist es besser, ihn nicht zu konsumieren.
Hat das Rauchen einen Einfluss auf den Erfolg krankheitsmodifizierender Therapien (DMTs)?
Ja, Rauchen wirkt sich darauf aus, wie wirksam MS-Medikamente bei der Verlangsamung von Schüben sind. Zwei Studien haben Natalizumab und Interferon beta untersucht, die bei MS-Patienten, die rauchten, weniger wirksam waren. Diese Medikamente sollen die MS verlangsamen, daher wollen wir ihre Wirksamkeit nicht beeinträchtigen.
Es ist wichtig zu wissen, dass es keine bekannten Nebenwirkungen zwischen der Nikotinersatztherapie, wie Kaugummi und Pflaster, und MS-Medikamenten gibt.
Wie wirkt sich das Rauchen auf die Lebensqualität von Menschen mit MS aus?
Ich denke, diese Frage ist schwer zu beantworten, weil es schwierig ist, Ursache und Wirkung zu bestimmen. Wir wissen, dass Menschen, die mehr Schwierigkeiten im Leben haben, eher zum Rauchen neigen, was ihre Gesundheit verschlechtert. Menschen, die beispielsweise unter Depressionen oder Schmerzen leiden, können größere Schwierigkeiten haben, mit dem Rauchen aufzuhören, weil es ihnen vorübergehend Erleichterung verschafft, auch wenn es langfristig zu einer Verschlechterung führt.
Es ist jedoch bekannt, dass sich die geistige und körperliche Gesundheit verbessert, sobald die Menschen mit dem Rauchen aufhören.
Was geschieht, wenn Raucher zu Nichtrauchern werden, und wie lange dauert es, bis sich positive Auswirkungen auf den Krankheitsverlauf zeigen?
Leider zeigen Studien, dass sich die Schäden nicht zurückbilden, wenn man mit dem Rauchen aufhört. Es kann also sein, dass Sie nicht sofort eine Besserung sehen, aber die Rate der Verschlechterung wird sich verlangsamen und ähnlich sein wie bei Menschen, die nie geraucht haben.
Wie viele Menschen mit MS schaffen es, mit dem Rauchen aufzuhören?
Da wir nicht genau wissen, wie viele Menschen mit MS rauchen, ist diese Frage schwer zu beantworten. Aber wie ich bereits erwähnt habe, haben mehrere Studien Menschen mit MS über viele Jahre, manchmal 10 Jahre, begleitet und berichtet, dass es den Menschen, die mit dem Rauchen aufhören, viel besser geht, was ihre MS, ihre geistige und körperliche Gesundheit betrifft.
Können Menschen mit MS, die es schaffen, das Rauchen zu reduzieren, davon profitieren?
Studien zeigen, dass es eine Dosis-Wirkungs-Beziehung gibt, d. h. je mehr Sie rauchen, desto schlechter sind Ihre gesundheitlichen Ergebnisse. Dies deutet darauf hin, dass es hilfreich ist, die Menge an Tabak zu reduzieren, die Sie rauchen.
Es gibt jedoch keine sichere Dosis des Rauchens; jede Dosis regelmäßigen Rauchens (täglich oder wöchentlich) ist wahrscheinlich schädlich.
Strategien zur Raucherentwöhnung für Menschen mit Multipler Sklerose
Was sind die größten Hindernisse für die Beendigung des Rauchens?
Studien zufolge gehört Nikotin zusammen mit Crack und Heroin zu den drei am stärksten süchtig machenden Substanzen. Die Tabakindustrie ist sehr gerissen, sie wendet viele Tricks an, um die Menschen süchtig nach Zigaretten zu machen und es ihnen besonders schwer zu machen, aufzuhören.
So werden beispielsweise Chemikalien wie Ammoniak eingesetzt, um die süchtig machende Wirkung von Nikotin zu verstärken. Außerdem verwenden sie Hilfsmittel wie Filter, um den Rauch noch tiefer in die Lunge zu bekommen.
Wenn Sie mit dem Rauchen aufhören, werden Sie unter Nikotinentzugserscheinungen wie Reizbarkeit oder Kopfschmerzen leiden, die Sie im Allgemeinen dazu verleiten, sich eine weitere Zigarette oder Zigarre anzuzünden. Möglicherweise sind Sie auch vorübergehend schmerzempfindlicher oder leiden unter Angstzuständen oder depressiven Symptomen, die Sie wieder zum Rauchen verleiten.
Wie lange dauert die körperliche Abhängigkeit an?
Die körperlichen Entzugserscheinungen lassen nach 3 Tagen nach und sind nach 2-4 Wochen weitgehend verschwunden. Kurzfristige Nikotinentzugserscheinungen können manchmal sogar mit MS-Symptomen verwechselt werden. Deshalb ist es wichtig, in dieser entscheidenden Phase des Aufhörens Unterstützung zu bekommen. Langfristig wird sich die Raucherentwöhnung auf alle Aspekte der Gesundheit positiv auswirken.
Gibt es bestimmte Strategien, die bei der Entwöhnung vom Rauchen erfolgreicher zu sein scheinen?
Aus Forschungsergebnissen wissen wir, dass Sie viel bessere Chancen haben, mit dem Rauchen aufzuhören, wenn Sie eine Kombination aus Medikamenten und Beratung nutzen. Wichtig ist, dass Sie während des Aufhörens gut unterstützt werden.
Ich würde empfehlen, mit Ihrer Familie und Ihren Betreuern darüber zu sprechen, warum es so wichtig für Sie ist, mit dem Rauchen aufzuhören, und sie zu bitten, Ihnen zu helfen. Außerdem empfehle ich Ihnen, mit Ihrem Hausarzt zu sprechen und die Möglichkeiten einer Beratung und von Medikamenten zum Aufhören zu überlegen. Zu den Nikotinersatztherapien gehören Nikotinpflaster, Kaugummi, Inhalatoren, Mundspray oder Lutschtabletten, und Sie können Medikamente wie Vareniclin und Bupropion erhalten. Trotz dieser Therapien kommt es häufig zu Entzugserscheinungen, auf die man gut vorbereitet sein sollte.
Es gibt auch Organisationen, die kostenlose Unterstützung anbieten, wie z. B. telefonische Unterstützung, Telefon-Apps usw., die Ihnen zeigen können, wie viel Geld Sie sparen und welche gesundheitlichen Vorteile Sie haben. Es ist so wichtig für Ihre MS und Ihre allgemeine Gesundheit, mit dem Rauchen aufzuhören, dass ich versuchen würde, jede erdenkliche Unterstützung in Anspruch zu nehmen, um Ihnen die beste Chance zu geben. Der Versuch, ohne jegliche Hilfe mit dem Rauchen aufzuhören, ist fast immer erfolglos.
Wie kann Dopamin auf gesunde Weise freigesetzt werden?
Das hängt von der jeweiligen Person ab, aber als ich mit dem Rauchen aufhörte, fing ich an zu laufen. Andere Menschen finden vielleicht, dass etwas wie Yoga, ein Spaziergang in der Natur, Kochen, Singen oder Tanzen sie ablenkt, wenn sie während der Raucherentwöhnung an das Rauchen denken.
Wie verhält es sich mit der psychischen Abhängigkeit und wie lange dauert sie an?
Man könnte meinen, dass Rauchen einem hilft, sich weniger gestresst oder ängstlich zu fühlen. Aber das ist ein Irrglaube, denn die Nikotinabhängigkeit verursacht Stress und Angst, die Sie innerhalb weniger Stunden nach dem Rauchen der letzten Zigarette zu spüren beginnen und die Sie dann durch das Rauchen einer weiteren Zigarette abbauen.
Rauchen verursacht also tatsächlich diesen Kreislauf von Stress und Stressabbau. Studien haben ergeben, dass Gefühle wie Wut, Frustration und Reizbarkeit, die bei der Raucherentwöhnung häufig auftreten, innerhalb einer Woche ihren Höhepunkt erreichen und 2 bis 4 Wochen anhalten können.
Langfristig verbessert die Raucherentwöhnung die Gefühle von Stress, Angst und Depression.
Haben Sie eine Empfehlung, wie man diese antrainierten Verknüpfungen überschreiben kann?
Mithilfe der gesamten bereits erwähnten Unterstützung beim Aufhören.
Wo finden Menschen, die mit dem Rauchen aufhören wollen, Unterstützung?
Ihr Hausarzt kann Sie unterstützen und Sie an geschulte Berater oder Psychologen verweisen. Sie können sich auch an die deutsche Telefonberatung für Raucherentwöhnung wenden: 08008313131.
Denken Sie daran, Ihren Freunden und Ihrer Familie zu erklären, warum es für Menschen mit MS besonders wichtig ist, mit dem Rauchen aufzuhören, und bitten Sie sie darum, Sie dabei zu unterstützen.
Was ist Ihre Botschaft an diejenigen, die schon einmal oder sogar mehrmals versucht haben, mit dem Rauchen aufzuhören?
Viele Menschen versuchen es ein paar Mal, bevor sie erfolgreich aufhören. Die Tabakfirmen machen es einem so schwer wie möglich, mit ihren Produkten aufzuhören.
Aber jedes Mal, wenn Sie es versuchen, sind Sie dem Ziel einen Schritt näher gekommen. Sorgen Sie dafür, dass Sie so viel Unterstützung wie möglich bekommen, denn fast niemand schafft es allein. Und denken Sie immer daran: Es ist nie zu spät.
Welchen Durchbruch in der Forschung oder in der Behandlung von Menschen mit MS würden Sie gerne in den nächsten 5 Jahren erleben?
Natürlich würde ich mich freuen, wenn es einen Impfstoff oder eine andere Strategie gäbe, die den Ausbruch von MS gänzlich verhindern würde.
Verabschiedung
Wie und wo können Interessierte Ihre Forschungsaktivitäten verfolgen?
Sie können die Website meiner Universität im Auge behalten:
https://findanexpert.unimelb.edu.au/profile/190165-claudia-marck
Gibt es noch etwas, das Sie den Zuhörern mitteilen möchten?
Ich möchte nochmals hervorheben, dass die Raucherentwöhnung und die Vermeidung des Passivrauchens nur ein Teil eines gesunden Verhaltens sind, zu dem auch die Pflege der psychischen Gesundheit, körperliche Betätigung und eine gesunde Ernährung gehören.
Vielen Dank an Dr. Claudia Marck für das englische Originalinterview zum dem wichtigen Thema der Raucherentwöhnung. Und dafür, dass ich die Erlaubnis habe, die Kurzform vom Interview in deutsch wiederzugeben.
Hier findest Du noch mehr nützliche Tipps und Unterstützungen, die Dir dabei helfen mit dem Rauchen aufzuhören: https://rauchfrei-info.de/
Bis bald und mach das Beste aus Deinem Leben,
Nele
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