#177 – Interview mit Stefan Friedrich zur Digitalisierung des Gesundheitssektors in Deutschland

In Folge 177 spreche ich mit Stefan Friedrich über die Digitalisierung des Gesundheitssektors in Deutschland. Wo stehen wir? Warum brauchen wir mehr Digitalisierung? Welche Eigenarten sind durch unsere Strukturen bedingt, Stichwort Föderalismus? Was sind die Vorteile der Digitalisierung für den Einzelnen und die gesamte Gesellschaft?

Schließlich haben Menschen mit einer chronischen Erkrankung wie Multipler Sklerose sehr viel Kontakt mit dem Gesundheitssystem und können stark davon profitieren, wenn Prozesse digital und effizienter umgesetzt werden.

Stefan verfügt als Partner International Business im Healthcare & Public Sector der KPMG AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft über langjährige Erfahrung sowohl im deutschen Gesundheitswesen, aber auch dem anderer Staaten.

Eine extrem verknappte Zusammenfassung unseres Gesprächs könnte so lauten: Wir brauchen Digitalisierung und zwar möglichst zügig und flächendeckend, um Menschen im Gesundheitsbereich zu entlasten, kosteneffizienter zu werden und weiterhin ein hohes Level an Versorgung anbieten zu können, trotz einer zunehmend älteren Bevölkerung, die aufgrund der hohen Lebenserwartung auch mehr medizinische Betreuung benötigt. Die ausführliche Version gibt es im Podcast oder dem Transkript der Folge zum Nachlesen.

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Inhaltsverzeichnis

Nele: Hallo Stefan, ich freue mich sehr, dass du heute hier bist und mein Gast bist und uns mal einen kleinen Einblick in das Thema Digitalisierung des Gesundheitssektors in Deutschland gibst. Aber erstmal ein ganz liebes Hallo nach München! #00:00:13-3#

Stefan Friedrich: Hallo, Nele. Ja, danke, dass ich da sein darf. Ich bin auch ganz gespannt. #00:00:17-1#

Vorstellung

Nele: Kannst du dich vielleicht ganz kurz den Hörerinnen und Hörern vorstellen und vielleicht sagen, wie es kam, dass du in diesen Bereich beruflich eingestiegen bist? #00:00:27-9#

Stefan Friedrich: Ja, also vielleicht mal ganz kurz: Wer bin ich? Also, ich bin Stefan Friedrich, bin Partner bei der KPMG, also einer großen Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaft für den Bereich Gesundheitswirtschaft im öffentlichen Sektor.

Ich bin 42, wohne in München und ja, warum habe ich mich mit dem Thema Gesundheitswirtschaft beschäftigt? Also, ich bin ganz ehrlich: Ich habe irgendwann ml BWL studiert und habe deswegen BWL studiert, weil ich dachte, na gut, dann musst du dich noch nicht so festlegen, was du später mal machst, und irgendwann habe ich mich daran erinnert, ich habe meinen Zivildienst im Krankenhaus gemacht, in einem Krankenhaus in Dresden und irgendwie habe ich mich daran erinnert, das war irgendwie ganz spannend, weil das so ein Mikrokosmos war von unterschiedlichen Berufsgruppen und Patienten.

Ich fand das total spannend und dann habe ich irgendwie so überlegt, ob ich so in die Richtung da reinkomme, weil ich zumindest gesehen habe, dass da, glaube ich, noch so viel Platz nach oben war beim Thema wirtschaftlicher Umgang, klassische BWL-Themen und ja, ich habe mich dann immer mehr so bei KPMG mit dem Thema Gesundheitswirtschaft beschäftigt und mache das jetzt da. Seit 2006 betreue ich Regulatoren, also Gesundheitsministerien, Krankenhäuser, Krankenkassen, und das mittlerweile im In- und Ausland. #00:01:57-7#

Nele: Super, wunderbar. Danke. Wir kennen uns auch Dresden, aus der Dresden-Zeit. #00:02:00-9#

Stefan Friedrich: Richtig, genau. #00:02:04-6#

Ist-Stand der Digitalisierung im Gesundheitsbereich in Deutschland

Wo stehen wir im internationalen Vergleich, wenn es um die Digitalisierung im Gesundheitswesen geht?

Nele: Aber genau, kommen wir vielleicht zum Ist-Stand, was die Digitalisierung im Gesundheitsbereich angeht. Wo stehen wir denn da im internationalen Vergleich, wenn es um das Thema Digitalisierung im Gesundheitswesen geht? #00:02:16-4#

Stefan Friedrich: Ja, ich meine, das ist halt immer so eine dankbare und gleichzeitig schwierige Frage, weil ich meine, an der Stelle kann man ja irgendwie so immer auf sich selbst schauen und der Vor- oder Nachteil beim Thema Gesundheit, Gesundheitswirtschaft ist ja immer der, dass wir in Deutschland so 82 Millionen Gesundheitsminister und Gesundheitsministerinnen haben. Das heißt, jeder hat irgendwie eine Erfahrung, jeder hat irgendwie einen Umgang und wenn man irgendwie das Glück oder Pech hatte, jetzt gerade bei einem niedergelassenen Arzt gerade mal gewesen zu sein und dann vielleicht irgendwie so ein paar CDs noch mit Röntgenbildern oder so in die Hand gedrückt zu haben, was, glaube ich, viele von uns kennen, dann fällt die Antwort, Nele, auf deine Frage wahrscheinlich so aus, wie man es sich vorstellt, dass man sagt, es ist alles ganz schlimm und es ist alles ganz schlecht.

Aber ich meine, wie ist es so in der Realität? Es gibt dazu, zu der Frage, das kann man, glaube ich, auch googeln, verschiedenste Studien und verschiedene Untersuchungen, Indizes. Die Bertelsmann-Stiftung hat vor ein paar Jahren mal was ganz Gutes gemacht. Es gibt ganz viele Untersuchungen. Ich sage mal, wenn man das mal zusammenfasst: Ich habe bisher keine Studie gefunden, wo gesagt wird, dass Deutschland ganz vorne steht beim Thema Digitalisierung des Gesundheitssystems. Und ich glaube, das deckt sich dann wahrscheinlich so mit der Erfahrung, die jeder selbst machen durfte oder machen musste.

Jetzt muss man vielleicht auch dazu sagen, aber ich glaube, da gehen wir später noch darauf ein: Wir haben ja halt das Thema, dass Deutschland am Ende eher ein föderales System ist, das heißt, in jedem Bundesland gelten teilweise auch andere Regelungen und das macht es halt so ein bisschen schwierig. Summa summarum, ich glaube, wenn man so die Frage stellt, sind wir irgendwo Vorreiter, dann sind wir es mit Sicherheit nicht.

Es gibt so ein paar Untersuchungen, die sagen eher, dass wir bei der Digitalisierung in den hinteren Bereichen sind, also sprich, wenn man es in Europa so vergleicht, dann werden ja immer so die skandinavischen Länder genannt, die gut beim Thema Digitalisierung unterwegs sind und ich glaube, das ist leider, leider bei uns eher nicht so der Fall. #00:04:38-1#

Was sind die größten Hürden für digitale Innovationen im Gesundheitsbereich in Deutschland?

Nele: Ja, genau. Diese schöne Auswertung zur Bertelsmann-Stiftung, genau, die habe ich auch schon mal gesehen und ja, fand das dann so ein bisschen schade. Was sind denn die größten Hürden für digitale Innovationen bei uns?  #00:04:54-3#

Stefan Friedrich: Naja, ich habe es schon ganz kurz anklingen lassen: Ich glaube, das eine Thema ist halt einfach, dass wir ein föderales System sind. Wir sind ein großes Land, das muss man ja auch irgendwie sagen. Das wird ja oft so zum Beispiel das berühmt-berüchtigte Estland halt zitiert, wenn es darum geht, wie digital andere Gesundheitssysteme in Europa beispielsweise sind oder auch Dänemark. Jetzt muss man sich mal anschauen, wie viele Einwohner Estland hat, wie viele Einwohner Dänemark hat. Das sind sicherlich andere Kategorien.

Also, sprich eine Hürde ist: Wir sind ein bevölkerungsreiches Land, eines der bevölkerungsreichsten. Dann zweitens muss man eindeutig sagen, wir haben natürlich, wie gesagt, ein föderales System. Das heißt, in jedem Land gibt es ein Gesundheitsministerium. Das Bundesgesundheitsministerium ist sicherlich für vieles zuständig, ist aber nicht der Gesetzgeber für jede Thematik, sondern es gibt halt in jedem einzelnen Bundesland nochmal Behörden, die die Spezifika des Gesundheitssystems in dem Bundesland halt ausgestalten.

Also, ich mache mal ein Beispiel, was jetzt vielleicht ein bisschen atypisch ist, aber wenn man so an Pflegeeinrichtungen denkt, muss man sagen, es gibt halt in jedem Bundesland eine Heimaufsicht, und die Heimaufsicht regelt nun mal, wie mit Pflegeeinrichtungen umgegangen wird. So, und das macht es natürlich, glaube ich, schwierig, so da irgendwie schnell und innovativ zu handeln.

Und vielleicht der dritte Punkt, was auch eine Hürde ist: Ich weiß nicht, ob das jemand nachvollziehen kann, aber wir haben ja auch viele Brüche bei uns in dem Gesundheitssystem. Das heißt, wenn man jetzt beispielsweise einen stationären Aufenthalt hat in einem Krankenhaus und muss dann irgendwie vom Krankenhaus, sagen wir mal, diese Frage beantworten: Wie geht es jetzt weiter? Ist das vielleicht eine ältere Person, kommt die in irgendeine Pflegeeinrichtung. Da gibt es dann eine Kurzzeitpflege, dann irgendwie verändert sich das häusliche Umfeld so stark, dass man vielleicht in eine stationäre Pflegeeinrichtung muss.

Das sind in Finanzierung gesprochen immer ganz dicke unterschiedliche Gesetzeswerke. Also von SGB V, Sozialgesetzbuch V, nach SGB XI. Das heißt, es sind unterschiedliche Finanzierungen. Dahinter sind dann unterschiedliche Finanzierende, also Pflegeversicherungen, teilweise Rentenversicherung, teilweise Krankenversicherung zuständig, und da haben wir halt viele Bruchstellen.

Und das ist, glaube ich, so die dritte Hürde, diese unheimliche Fragmentierung in der Finanzierung, die dahintersteht. Und deswegen, wenn viele vielleicht Patientinnen und Patienten vom niedergelassenen Arzt kommen und jetzt irgendwie tatsächlich noch mit der CD-ROM, da habe ich übrigens vor zwei Wochen von jemandem gehört, dass es das immer noch gibt, in der Hand sich fragen, was mache ich mit dem Ding, wo meine Röntgenaufnahmen drauf sind, und wieso halte ich das überhaupt in der Hand? Ich weiß nicht, ich habe zum Beispiel gar kein CD-Laufwerk mehr.  #00:08:08-9#

Nele: Dito. #00:08:11-5#

Stefan Friedrich: Aber ja, was macht man damit? Dann kommt das einfach daraus, dass ich praktisch am Ende von dem einen Finanzierungsbereich bin, und zwar ist das ambulante Finanzierung, und vielleicht damit irgendwann mal ins Krankenhaus gehen muss. Aber das ist ein anderes Themengebiet, ist auch ganz anders finanziert, und deswegen gibt es so viele Bruchstellen.

Ein normaler Mensch, der heutzutage bei Amazon einkauft und der dahinter gar nicht mehr mitbekommt, was da eigentlich alles für Dienstleister beschäftigt sind, das bekommt man halt in der Gesundheitswirtschaft ganz häufig, ganz oft mit, denn die Krankenkasse, die hat einen Einflussbereich, der endet halt irgendwo beim niedergelassenen Arzt. Der niedergelassene Arzt, der hat einen Einflussbereich, der endet irgendwo so kurz vorm Krankenhaus, und das Krankenhaus, das hat einen Einflussbereich, das endet irgendwo dann wieder bei einer Pflegeeinrichtung. Und vorwärts und rückwärts, das macht es halt schwierig. Jetzt habe ich lange geredet, aber ich glaube… #00:09:07-3#

Nele: Ja, aber das war schon ein ganz guter Einblick, um das so ein bisschen nachzuvollziehen, und gerade das Thema Föderalismus ist ja in ganz vielen Ecken und Enden. Ich weiß nicht. Ich hoffe mal, es gibt auch Dinge, wo der ganz toll und großartig ist, aber bei Bildung und bei Gesundheit scheint es manchmal ein bisschen anstrengend zu sein.  #00:09:30-5#

Stefan Friedrich: Ja, ich glaube, das ist natürlich eine fast schon theologische Diskussion. Also, ich sage mal, ich habe auch in England eine Zeit studiert, ich habe auch einige Zeit in England gearbeitet, wo nun alles sehr zentralisiert ist. Ich meine, da haben wir halt im Prinzip ein Gesundheitssystem.

Also, meine Kollegen in Großbritannien würden das so nicht sehen, aber de facto haben wir ein staatliches Gesundheitssystem mit im Wesentlichen staatlichen Krankenhäusern mit einem staatlichen Versicherer. Das ist alles das NHS. Ist das jetzt besser? Das hat halt ganz andere Probleme. Also, ich meine, eine zentrale Steuerung führt halt oft dazu, dass ich viel länger brauche, um eine bestimmte Behandlung zu bekommen. Man wartet, um es ganz einfach zu machen, für eine Katarakt-OP am Auge teilweise bis zu zwei Jahre. Es gibt nicht ein System, was jetzt ganz super ist und wir sind dann in Deutschland sozusagen dazu, ganz trivial gesagt, zu doof, uns irgendwie anzupassen, sondern es ist halt so wie es ist. Es hat auch viele Vorteile. Aber es führt halt zu vielen Ungleichgewichten.

Wir können nach wie vor nicht verstehen, warum in manchen Landkreisen in Deutschland mehr Hüft-OPs beispielsweise gemacht werden als in anderen, und da gibt es auch akademisch gesehen gar keinen Grund dafür. Es ist halt einfach so, und das bildet sich halt dadurch ab, dass alles so föderal geregelt ist. #00:11:18-0#

Aktuelle Umwälzungen im Gesundheitswesen in Deutschland

Welche Akteure sind beteiligt und werden benötigt, um Reformen anzustoßen und zügig und effizient umzusetzen?

Nele: Okay. Kommen wir mal zu der aktuellen Umwälzung in dem Gesundheitswesen in Deutschland. Ich kriege da auch so ein bisschen was immer mal bei LinkedIn und dann an verschiedenen Stellen mit. Welche Akteure sind denn beteiligt und werden auch benötigt, um Reformen, die sind ja sicherlich trotzdem nötig, anzustoßen und die dann auch irgendwie möglichst effizient und zügig umzusetzen? #00:11:37-4#

Stefan Friedrich: Naja, ich meine, das sind natürlich so die klassischen Akteure, die es überhaupt gibt im Gesundheitssystem. Das eine sind natürlich, mit denen fängt man meistens immer zuletzt an oder vergisst die Patienten und Patientinnen. Warum?

Denn ich bin der tiefen Überzeugung, früher gab es ja immer so ein Dreiecksverhältnis. Meine Oma, die ist zum Arzt gegangen, die hat dann gesagt, der Arzt hätte ihr gesagt, sie müsse das und das machen, und dann wurde das eigentlich auch ohne es in Frage zu stellen umgesetzt, also so drei Tropfen jeden Abend oder so. Ich glaube, das hat sich halt ganz stark geändert. Dadurch, dass sie Patientinnen und Patienten einen ganz anderen Zugang haben zu Informationen, haben wir natürlich heute viel infomiertere Patientinnen und Patienten, und ich glaube, das sind auch diejenigen, die Veränderungen mit treiben können, denn heutzutage akzeptiere ich vielleicht nicht mehr so die Meinung, die mir ein Arzt hinwirft, sondern ich nutze die Zeit und versuche, mir irgendwie eine Zweitmeinung zu holen.

Und wir wissen ja alle, die Ärzte haben die größte Angst vor chronisch kranken Patientinnen und Patienten, weil das diejenigen sind, die sich im Zweifelsfall sogar noch besser auskennen in der eigenen Historie als der Arzt halt selbst. Also, das ist sicherlich ein Treiber und ein Akteur.

Dann, um es ganz nüchtern zu sehen, natürlich haben die Krankenkassen einen Einfluss. Da gelten auch die Privatkrankenkassen mit drunter. Aber die haben natürlich eine größere Rolle und auch eine große Verantwortung, weil sie ja am Ende diejenigen sind, die die Ausgaben steuern. Also, ich glaube, da ist schon sehr viel Gestaltung machbar, möglichst wirtschaftlich Behandlungen anzubieten, die halt wirklich auch irgendwo einen Therapieerfolg versprechen.

Also, ich sehe die Kassen in einer großen Steuerungsverantwortung. Und dann haben wir, glaube ich, noch zwei weitere Akteure. Das sind einmal halt die Regulatoren, also sprich diejenigen, die die Gesetze machen. Das wären in dem Fall bei uns in Deutschland halt das Gesundheitsministerium, Bundesgesundheitsministerium, die Landesgesundheitsministerien.

Ich glaube, das sind schwierige Jobs, weil die Komplexität von vielen Themen, die geht halt so in die Höhe und der Reglungsbedarf, der ist enorm. Es ist wirklich schwer, glaube ich, für jedes Thema einen guten Experten zu haben und gute Regelungen zu finden. Letztendlich haben wir halt die, die die Leistungen halt durchführen: die niedergelassenen Ärzte, die Krankenhäuser, die Pflegeeinrichtungen, die Reha-Einrichtungen, die Labore.

Und da muss man einfach sagen: Auch für die ist es momentan nicht einfach, weil viele von denen stehen halt enorm unter Druck. Vielleicht so als letzte Anmerkung: Zurzeit sind es ungefähr so maximal fünf Prozent der deutschen Krankenhäuser, die wirtschaftlich arbeiten können. Also, ich übersetze das mal. Das bedeutet, zurzeit sind vielleicht fünf Prozent der Krankenhäuser ohne wirtschaftliche Probleme und müssen sich vielleicht keine Gedanken machen, wie ich überspitzt gesagt, das nächste halbe Jahr, Jahr irgendwie Löhne und Gehälter zahle oder, so dramatisch ist es hoffentlich nicht, zumindest irgendein neues MRT oder ein neues CT halt anschaffen.

Also, das ist wirklich eine dramatische Situation. Und das sind so diejenigen, die jetzt über unsere Gesundheit in den nächsten Jahren halt entscheiden werden. #00:15:30-1#

Nele: Das klingt nicht so richtig gut, muss ich sagen – also der letzte Teil jetzt. Der andere war schon spannend, aber ja. Das habe ich auch so ein bisschen schon im Rahmen meines Studiums mitbekommen, wenn man dann so mitkriegt, dass es halt schwierig ist für manche Einrichtungen, sich dann die neuen richtigen Geräte zu holen, um dann State-of-the-Art-Behandlungen machen zu können und auch Analysen fahren zu können, und so weiter. #00:15:53-0#

Stefan Friedrich: Ja, oder zum Beispiel, ich weiß nicht, wenn jemand das Glück oder das Pech hatte, halt einen Brief aus dem Briefkasten zu holen in den letzten 24 Monaten mit dem Hinweis, dass man irgendwie Corona hatte. Mir ging es so: Ich habe dann ein Schriftstück irgendwann mal rausgezogen, da stand dann drin, dass ich Corona habe. Gut, das wusste ich auch.

Der Grund, warum ich die Post bekommen habe, ist, dass ich es vorher digital übermittelt hatte. Ich meine, die gesamten Gesundheitsämter, die sind ja in eine Situation gekommen während der Pandemie, wo sie dafür gar nicht ausgerüstet und ausgestattet waren. Also, die sind ja in der Infrastruktur, wo teilweise Software-Ausstattung da ist, die gar kein mobiles Arbeiten zulässt, wo ich unterwegs sein muss, wo ich, um eine Pandemiesituation anzuschauen… Also, es ist echt schwierig teilweise gewesen, in den letzten 24 Monaten schnell und auch, wenn es fünf Euro in die Kaffeekasse gibt, agil zu arbeiten, aber das ist, glaube ich, so die Situation, in der wir uns befinden.

Also, ich glaube, das deutsche Gesundheitssystem ist in einem ganz starken Umbruch. Es ist, muss man ja auch mal sagen, gesellschaftlicher Konsens bisher, dass wir einen bestimmten Beitragssatz in die Krankenkassen geben über unsere Gehaltsabrechnung. Man könnte jetzt auch sagen, gut, dann macht man halt fünf Prozent, mehr, aber ich glaube, das ist wahrscheinlich auch nicht so, dass da jeder Juhu schreien würde. Also sprich, wir haben irgendwie begrenzte Mittel, wir haben extrem große Aufgaben und wir stehen, ich würde sagen, leistungsfähig, dass schon, aber durchaus schon vor immensen Herausforderungen.

Und nochmal: Die Patientinnen und Patienten, die haben ein ganz anderes Anspruchsdenken als vielleicht noch vor fünf oder zehn Jahren, wo man gesagt hat, ich akzeptiere das, was man mir sagt, sondern heutzutage möchte ich zeitnah wissen mit einer guten Qualität, was ist meine Diagnose, was sind gute Therapieempfehlungen und wie kann ich auch sichergehen, dass das, was ich da mache, irgendwie auch hilft? Und das wird schwierig. #00:18:11-9#

Was können wir von anderen Ländern lernen, die bereits deutlich weiter in der Digitalisierung im Gesundheitswesen vorangeschritten sind?

Nele: Okay. Jetzt hast du einen guten Überblick, da du dich ja auch in Europa bewegst. Was würdest du sagen? Was können wir denn von anderen Ländern lernen, die vielleicht ein ganzes Stück weiter schon sind im Thema Digitalisierung? #00:18:24-2#

Stefan Friedrich: Naja, ich bin jetzt mal ehrlich. Es ist jetzt nicht so, dass die Frage vollkommen überraschend kommt, aber die Antwort ist, glaube ich, nicht so einfach, weil wie gesagt, unsere Situation eine spezielle ist. Was man, glaube ich, lernen kann als Erstes ist, wir haben in Deutschland schon einen sehr, sehr intensiven Umgang mit dem Thema Datenschutz.

Man muss sich mal überlegen, es gibt ja kaum einen Wirtschaftszweig in Deutschland, der über so viele Daten verfügt wie eigentlich die Gesundheitswirtschaft. Ich habe die Versichertendaten, ich weiß eigentlich, wie oft wer wann krank wird. Ich weiß, wann jemand erkrankt. Ich weiß, wie lange eine Behandlung dauert. Ich weiß, welche Sterblichkeit herrscht. Also, mit vielen Daten kann ich arbeiten. Und ich will ja nicht sagen, dass Datenschutz unwichtig ist, im Gegenteil. Ich glaube, der Umgang mit Daten und Datenschutz ist ein wichtiger. Ich glaube, wir werden wahrscheinlich in fünf oder zehn Jahren die Hände über dem Kopf zusammenschlagen, wie wir mit Social Media umgegangen sind, wie wir unsere Daten benutzt haben.

Trotzdem, glaube ich, haben wir ein eigenartiges Verhältnis zu Datenschutz. Ich glaube, es geht j am Ende darum, auch in anderen Ländern zu schauen. Ich muss nicht klar Daten angegeben werden und es soll ja vermieden werden, dass ich Rückschlüsse eins zu eins auf Patientinnen und Patienten gebe, aber trotzdem analytisch zu nutzen und zu verstehen, wann welche Therapien gut anschlagen, beispielsweise. Ich glaube, da müsste man einfach viel mehr zusammenarbeiten. Die Kassen haben viele Daten, dürfen aber vieles nicht verwenden. Krankenhäuser haben extrem viele Daten. Denen fehlen manchmal einfach die Mittel oder die werden auch nicht dafür bezahlt, daraus zu lernen, und das sehen wir in anderen Ländern natürlich ganz anders.

Vielleicht ist das kein gutes Beispiel fürs Thema Datenschutz, aber ich kenne das aus China, wo man sich zum Beispiel immer die Frage stellt auf Basis von Rohdaten, wie erkenne ich irgendwelche Muster? Wie erkenne ich irgendwo, ob bestimmte Erkrankungen ansteigend sind? Dieser Präventionsgedanke nur aus Datenanalytik, da gibt es ganz viele andere Länder, die da wesentlich technologieaffiner sind. Bei uns gibt es Apps, die kann man nutzen, die haben heute schon auf Basis von Beantwortung von ein paar Fragen über künstliche Intelligenz versuchen, mögliche Diagnosen zu geben. Das wird in anderen Gesundheitssystemen, also ich denke zum Beispiel an Länder im Mittleren Osten, viel mehr gefördert, dass ich versuche, halt über Daten, über künstliche Intelligenz Patientinnen und Patienten einfach zu ermächtigen, mehr zu verstehen. Bei und ist man da, glaube ich, sehr zurückhaltend. Und das ist natürlich schade.  #00:21:38-7#

Nele: Ja, absolut. Ich hatte auch so eine digitale Themenwoche und da ging es zum Beispiel darum: Zum Beispiel bei MS kannst du einen schleichenden Verlauf ganz gut eigentlich über Datentracking mitbekommen und dann kannst du natürlich schneller intervenieren und dann bleibt vielleicht jemand im Berufsleben oder zumindest begrenzt.

Also, genau. Bei Social Media wird alles rausgegeben, aber meine anderen Daten anonymisiert. Oder vielleicht auch für ein Weiterentwickeln, für die Wissenschaftler, dass die Analysen ziehen können, dass die uns besser helfen können, da ist ganz viel Potenzial drin, was gehoben werden kann, um das positiv zu formulieren. #00:22:14-7#

Stefan Friedrich: Ja, und weil du gefragt hast, was gibt es noch für Dinge, die man von anderen Ländern lernen kann: Also, wie gesagt, die Systeme sind alle unterschiedlich. Man kann nie immer eins zu eins alle Dinge übertragen, aber ich glaube, was ich so als zweites Thema sehe, ist, ich habe zum Beispiel mal mit einem der Gründungsväter des Gesundheitssystems von Estland gesprochen und ich habe gefragt: „Warum seid ihr denn eigentlich immer so ein Beispiel für ein digitales Gesundheitssystem?“ Und da sagte er zu mir: „Naja, weil wir uns Anfang der 90er Jahre zusammengesetzt haben und irgendwie langfristig überlegt haben, was brauchen wir denn, um effizient miteinander zu arbeiten und um die Gesundheit der Einwohnerinnen und Einwohner von Estland abzusichern.“

Und man hat sich wie so eine gemeinsame Agenda gegeben und gesagt, wir brauchen Infrastruktur, wir brauchen irgendwie gleiche Plattformen. Ich meine, jeder kennt das: Wenn man zum Arzt geht, der eine hat, das System, der andere hat das System. Die reden halt nicht miteinander. Also, so Grundabsprachen.

Ich glaube, wenn man in eine Beziehung geht, dann fragt man wahrscheinlich auch so drei Fragen: „Rauchst du? Willst du Kinder?“, und ich weiß nicht, was man noch so fragt. Aber das wurde halt zum Beispiel in Estland gemacht, dass man sich über so Grundaspekte geeinigt hat, weil in der Struktur, die ich beschrieben habe, da immer irgendwie einen Konsens zu finden… Die Kassen wollen Geld sparen, die Krankenhäuser wollen gut behandeln. Dazu brauchen sie halt Geld. Die Patienten, die wollen State-of-the-Art und wollen gute Behandlungsergebnisse. Die Ärzte wollen… Also, jeder will halt irgendwas und das auch noch über die föderalistische Struktur, die wir haben, da irgendwie einen kleinsten gemeinsamen Nenner zu erreichen, das ist logisch, dass das irgendwie alles extrem mühsam ist.

Und von daher, was man, glaube ich, auch noch von anderen Ländern lernen kann: Viele haben halt eine Art, ich sage mal, Gesundheitsagenda, Gesundheitsvision, wo man sich einmal einigt, und versucht dann zumindest irgendwie fünf Jahre am Stück an etwas zu arbeiten. Bei uns werden halt einfach viele Dinge extrem lange diskutiert, weil halt so viele Interessengruppen einbezogen sind, weil es die sogenannte Selbstverwaltung gibt, und das ist alles gut, hat alles viele Effekte, positive Effekte, aber wir haben, glaube ich, kein Gesundheitssystem, das darauf getrimmt ist, sich schnell zu verändern.

Aber wir sind halt jetzt in einem Zeitalter, wo wir uns, glaube ich, schnell anpassen müssen, denn wir reden nicht mehr nur über Digitalisierung oder Fachkräftemangel. Wir haben einfach keine Leute mehr, die, und das sind keine Fachkräfte, noch nicht mal mehr irgendwie an einer Rezeption irgendwo stehen. Wenn wir nicht grundsätzlich anfangen, unsere Prozesse und unsere Ausstattung in der Gesundheitswirtschaft irgendwie grundlegend anzupassen, werden wir echt ein Thema bekommen, weil wir niemanden mehr haben, der so arbeitet, wie er die letzten zehn oder zwanzig Jahre lang gearbeitet hat.

Also, ich sehe das echt drastisch. Und das ist was, was man vielleicht von anderen Ländern lernen kann oder muss. Ich glaube, wir müssen enger zusammenrücken. Wir müssen sagen: „Okay, was ist uns wichtig? Was kostet uns das die nächsten XYZ-Jahre, fünf Jahre, zehn Jahre, und was leiten wir daraus ab?“ SO, also das ist, glaube ich, echt eine Herausforderung. #00:25:42-0#

Nele: Okay. Also, ich war ja auch mal bei Siemens. Da gab es so Vision 2020, also damals. Das ist logisch, das ist schon eine ganze Weile her. Aber sowas gibt es quasi gar nicht? So eine Vision für die nächsten, also, das war damals zehn Jahre noch her, oder 15 Jahre? #00:25:56-8#

Stefan Friedrich: Naja, also ich meine, wahrscheinlich würden jetzt ganz viele geschätzte Vertreterinnen und Vertreter aus dem Gesundheitsministerium und von verschiedenen Kassen total widersprechen. Aber ich bin ja auch oft in Ländern im Middle East unterwegs. Da gibt es Vision 2030 oder Vision 2040.

Und ich sehe es zumindest nicht, dass wir eine übergreifende, ich sage mal, Agenda haben, wo wir sagen, daran wollen wir die nächsten zehn Jahre arbeiten und daran lassen wir uns messen, also alle, die beteiligt sind. Ich sehe es nicht und ich bin mir sicher, es gibt irgendwas, was man vielleicht darunter irgendwie subsummieren könnte, aber nichtsdestotrotz, ich glaube, die Probleme, die wir jetzt haben, die werden halt nicht in der Geschwindigkeit gelöst, wenn wir uns halt so Minischritt für Minischritt vorantasten. Das wird halt extrem teuer, wenn wir halt alles irgendwie in der Geschwindigkeit weiter machen.

Vielleicht letzter Punkt: das Thema Fachkräftemangel. Ich habe 2005-2006 angefangen, zu arbeiten und bin damals schon auf Kongresse gegangen zum Thema Gesundheitswirtschaft. Ich bin ganz ketzerisch. Ich glaube, wir könnten teilweise die Agenda von damals von irgendeinem Kongress von 2005-2006 aussuchen und wir würden die ähnlichen Themen finden wie die, die wir heute haben. Also, ich glaube, das ist schwierig. #00:27:33-3#

Nele: Okay. Lange bekannt, aber mit Scheuklappen weiter – naja, gerannt ja nicht – eher in die Richtung vorangegangen. #00:27:41-7#

Stefan Friedrich: Ja, ich glaube, das sind noch nicht mal so die Scheuklappen, sondern es ist ja nicht so, dass da kein Wille da ist, also, ich glaube, weder in der Politik noch bei den ganzen Akteuren, die ich jetzt benannt habe. Ich glaube nicht, dass man nicht mit Patientinnen und Patienten reden kann und sagen kann: „In Zukunft müsst ihr, bevor ihr zum Arzt geht, digital dies und das irgendwie befüllen, weil dann müsst ihr es halt nicht mehr per Kuli machen.“ Klar, wird es viele geben, die sagen: „Oh, das kann ich nicht oder ich weiß es nicht, wie ich es machen soll“, aber ich glaube nicht, dass da irgendwie totale Scheuklappen da sind.

Ich glaube halt bloß, dass diese Abstimmung und diesen Konsens zu finden, dass das man das irgendwie nicht aktiv angeht, weil es halt irgendwie so ein gordischer Knoten ist. Jeder sagt: „Naja, weil der Datenschutz da ist, darf ich dies und jenes nicht machen. Weil ich Geld bekomme, dass ich noch ein Fax als Praxis von A nach B schicke, muss ich ja nicht in irgendein teures IT-Tool investieren. Wer bezahlt mir die Schulungen, wer bezahlt mir das?“ Das sind alles relevante Fragen. Die Hälfte meiner Familie besteht aus Ärzten und die würden mir das genauso sagen. Aber es fehlt halt, glaube ich, so ein führender Weg, wo man sagt: „So, wir einigen uns.“

Wenn wir in fünf bis zehn Jahren hier nicht vorangekommen sind unser Gesundheitssystem nicht grundlegend angepasst haben, dann werden wir echt ein Problem bekommen, weil dann wird es superteuer und wir werden gar nicht mehr die Leute haben, die die gleichen Tätigkeiten machen, wie sie eigentlich noch vor fünf Jahren gemacht worden wären. Also, ich glaube, es braucht halt einfach einen breiten Konsens und dann vielleicht ein bisschen mehr Energie in der Umsetzung. #00:29:23-6#

Wie weit könnte Bürokratie abgebaut werden, um als Patient beispielsweise einen Reha bewilligt zu bekommen – vom Antrag stellen bis zur Wiederankunft zu Hause und den Nachbereitungen?

Nele: Ja. Werden wir mal ein bisschen konkreter. Wie weit könnte man denn Bürokratie abbauen, wenn man jetzt zum Beispiel als Patient eine Reha bewilligt bekommen möchte und ich starte jetzt mit dem Antragstellen bis zur Wiederankunft zu Hause und der Nachbereitung?

Also, ich meine, ich habe das gemacht. Das hat ein halbes Jahr gedauert, dann konnte ich zur Reha und wahrscheinlich brauche ich mich im Vergleich zu Großbritannien nicht aufregen, aber mein Gott, was musste ich da alles an Papier ausfüllen!  #00:29:50-4#

Stefan Friedrich: Also, ich glaube, das Abstrakte ist ja, dass denjenigen, die die Formulare bekommen, es ja genauso geht. Also, die bekommen ja einen ganzen Stapel, im Zweifelsfall noch mit irgendwelchen papierbasierten Sachen. Das muss halt irgendjemand im Bestfall einscannen. Im schlechtesten Fall setzt sich irgendjemand hin und versucht das – Nele, ich kenne jetzt deine Handschrift nicht mehr so ganz genau, aber… #00:30:14-3#

Nele: Die ist nicht schön. Die ist nicht besser geworden. #00:30:17-5#

Stefan Friedrich: Also, wann wird es denn besser? Ich finde, es ist immer ein guter Vergleich, wenn man mal daran denkt, wie war früher so das Reisen an deutschen Flughäfen? Dann musste man sich erstmal anstellen lange an dem Check-in, um seine Bordkarte abzuholen. So. Der Sinn dahinter war ja eigentlich bloß der, dass man seine Daten da eingegeben hat, seinen Buchungscode, seine Buchung vorgezeigt hat und dann hat irgendjemand gesagt: „Aha, da passt die Buchung. Da hat jemand tatsächlich ein Ticket. Dem kann ich auch die Karte geben, mit der er dann so fröhlich weitergeht im Flughafen.“

Ich meine, ähnlich ist das ja bei uns auch. Und woher kam das damals beim Reisen? Es kam halt dadurch, dass man gesagt hat, es ist ineffizient. Es ist total ineffizient, lange Schlangen zu bilden, bloß um irgendwie einen Prozess abzugleichen. Ich glaube, dieser Druck, der fehlt an manchen Stellen, dass man sagt, warum machen wir das nicht digital? Oder warum vereinfachen wir es nicht so, dass man viele Informationen, die man eigentlich hat, schon mal irgendwo elektronisch eingibt und ich dahinter einen Mechanismus finde, der eins, zwei Dinge automatisch abgleicht? Also, zum Beispiel: Die Nele, ist die denn versichert? Hat die denn irgendwie einen Anspruch? Wann hat sie die letzte Reha denn beantragt? Ist das denn schon länger her als drei Jahre? Das kann man eigentlich alles auf Basis von Stammdaten elektronisch abgleichen, denn das macht ja am Ende der Bearbeiter. Der schaut irgendwo rein und sagt: „Ah, die Nele hat aber erst irgendwie im April ihre letzte Reha beantragt, und der Grund war das und das und vom Arzt liegt da irgendwie dies und das vor.“

Also, es sind ja alles Prozesse, die ich zumindest teilweise automatisieren kann. Und warum macht man es nicht? Wie gesagt, ich glaube halt, bei den Reisenden war halt einfach ein großer Druck da, das zu machen, um wirtschaftlicher zu werden. Ich glaube, so hart wie das klingt, aber so stark ist der Druck wahrscheinlich noch nicht angekommen, dass das halt der Weg ist. Und ich glaube, oft wird halt auch vorausgeschoben, dass man sagt: „Naja, aber die Patienten oder die Versicherten, das können die nicht, weil die alle alt sind und nicht digital.“

Ich glaube, man muss sich einen guten Weg überlegen, dass es nicht nur digital omni gibt, sondern dass man auch Leute mitnimmt, die halt vielleicht keinen Zugang haben. Aber ich denke mal an meine Mutter, die ist 79. Also, die schickt mir hübschere Emojis in WhatsApp als das, was ich da irgendwie finde. Ich glaube, wenn man auch mal in die Untersuchungen reinschaut, dass das auch so ein bisschen eine Mär ist, dass ältere Menschen nicht digitalen Zugang haben oder haben können. Ich glaube, man muss ich einfach damit beschäftigen.

Und auch bei Lufthansa, wenn ich nicht online einchecken kann, gibt es auch eine Möglichkeit, wie ich es machen kann. Also, man muss sich damit beschäftigen und ich glaube, dann würde man sich auch viel Papierkram, auf Deutsch gesagt, ersparen können. Da bin ich ganz sicher. #00:33:24-0#

Nele: Ja, ja, und dann kannst du ja mit den daten auch gleich wieder weiterarbeiten. Ich meine, wenn du es irgendwo handschriftlich hast… Ich habe das neulich gesehen bei verschiedenen Ärzten, die tatsächlich noch Akten haben, wo ich mir dachte: „Naja, holla die Waldfee. Wie willst du denn hier irgendwelche Analysen ziehen oder irgendwas überprüfen oder irgendwas abgreifen? Du musst immer in die Akten reingucken.“ #00:33:39-6#

Stefan Friedrich: Naja, also ich war neulich in den Niederlanden bei einer großen Klinik, und dann fragte jemand, der mit mir da unterwegs war: „Naja, wie ist es denn so? Wie scannt ihr eigentlich so die ganzen Patienteninformationen ein, die dann in den Akten sind?“ Dann guckte mich der Leiter der Klinik an, unverständnisvoll, und sagte: „Wie einscannen? Das haben wir alles da. Das wird alles elektronisch erfasst. Das kommt elektronisch an. Das wird elektronisch ausgewertet, und wenn es irgendwie Fragen gibt zum Thema, ist der Aufenthalt jetzt gerechtfertigt oder nicht gerechtfertigt, dann nehmen wir diese Akte, machen die elektronisch auf und rufen halt jemanden an dazu oder schicken jemandem eine Rückfrage, aber dieses Papierbasierte, das gibt es einfach nicht mehr.“ #00:34:28-1#

Nele: Schön, genau. Und was du auch gesagt hats zu dem Umstieg: Also, ich kenne es auch teilweise aus der MS-Community, dass natürlich Leute älter sind, aber das Problem ist, wenn man ja nie umsteigt, ich sage mal, in dieses digital first als Linie, dann werden ja immer wieder Leute älter, die dann nicht dran gewöhnt sind. So hast du so ein paar.

Irgendwann hast du keine mehr, die sich nicht mit digitalen Dingen auskennen. Und, keine Ahnung, achtzig Prozent gehen bestimmt den Weg mit. Also, meine Eltern sind nicht mehr so ganz jung; ein bisschen jünger als deine Mama, aber die Tanten und Onkels, die würden ja alle da mitgehen. Das sind halt ein paar, die nicht mitgehen und die muss man natürlich mit auffangen, aber es sind ja gar nicht so viele, die nicht digital wären. Die würden sich auch alle freuen über die zusätzliche Effizienz, dass die nicht immer ihre Adresse wieder eingeben müssen oder alles Mögliche aufschreiben müssen. #00:35:23-5#

Stefan Friedrich: Ich habe im Sommer so eine Vorsorgeuntersuchung gemacht. Ich glaube, ich habe an dem Tag meine Wohnadresse siebenmal hintereinander irgendwo aufgeschrieben, unabhängig davon, dass Papierdaten für den Datenschutz auch nicht so super sind. Aber unabhängig davon, ich glaube, der große Unterschied ist einfach der, in vielen Branchen, wenn man jetzt mal Gesundheitswirtschaft weglässt, versucht man vom Kunden aus zu denken.

Warum? Weil das eigentlich normalerweise belohnt wird, weil ich entweder dadurch effizienter anbieten kann oder weil der Kunde sagt, weiß ich nicht, in der Hotellerie: „Oh, da ist jemand, der weiß, dass ich früh gerne schwarzen Tee trinke oder so.“ Also, es wird irgendwo belohnt. In der Gesundheitswirtschaft sind aber die Prozesse nicht so angelegt, dass die Dinge belohnt werden, sondern die sollen begründet werden. Entweder soll begründet werden, dass jemand die Kosten bezahlt, also sprich die Krankenversicherung will ja die die ganzen Formulare, Nele, die du hast, ausgefüllt, weil da will ja irgendjemand wissen, na darf sie das denn wirklich? Ist sie denn wirklich anspruchsberechtigt?

Und das ist auch im Grunde nach gut, weil wir ja eine gemeinschaftliche Versicherung haben und aus einem Topf wird für diejenigen, die die Leistung in Anspruch nehmen, bezahlt, aber es ist halt ein anderes Denken. Es ist immer begründend und daher kommt halt viel, glaube ich, von der Bürokratie. Und die Fragen: „Na, habe ich das nicht schon dreimal ausgefüllt“, da muss es dann im Zweifelsfall der Patient oder die Patientin nochmal machen, die ganzen Daten erfasst. Also alles, was in irgendeiner Form da ist, ist eigentlich online registriert und ich kann nachher freigeben, kann das der Arzt sehen, kann das jemand Angehöriges von mir sehen, darf es nicht der Arzt sehen, aber es ist zumindest schon mal alles da.

Und insofern hat man da auch ganz andere Qualität, glaube ich so, der Bürokratie. Also, es ist teilweise viel, viel geringer, weil es einfach viel patientenorientierter und einfacher ist.  #00:37:49-8#

Wie kann die Digitalisierung dazu beitragen, wichtige Dokumente, wie Impfnachweise, Patientenverfügungen, Arztberichte, regelmäßige Rezepte, etc. stets verfügbar zu halten und je nach Wunsch des Patienten mit ausgewählten Parteien aus dem Gesundheitswesen zu teilen?

Nele: Ja, ja, das würde ich mir auch wünschen. Ich habe meine Daten. Ich als Patientin bin diejenige, die darüber entscheidet, wer darf die sehen, und falls ich eben irgendwann sage, der nächste Zahnarzt darf es nicht sehen, dann kriegt der es halt nicht, wenn ich hingehe. Okay, das ist ja dann meine Entscheidung, wenn ich Pech habe.

Aber auch meine zum Beispiel MRTs oder was auch immer, liegen da. Also, ha hatte ich auch schon Leute hier, die haben halt öfter mal den Arztgewechselt aufgrund von Wohnungsumzug und dann gehen Informationen verloren und dann schreitet die Krankheit voran. Also, es hat ja wirklich Auswirkungen. Aber gut. Kommen wir zu einer anderen Sache, jetzt einfach zu einem Wunschdenken.

Ich würde mir ja wünschen, dass zum Beispiel meine Impfnachweise, meine Patientenverfügung, meine Arztberichte, meine Rezepte, dass das alles verfügbar ist und genau, wie wir gerade gesagt haben, ich im Prinzip dann auswähle, wer das zu sehen kriegt und ich aber zum Beispiel auch informiert werde, wie das früher mal war auf analoge Art und Weise: „Neun Jahre ist die Tetanusimpfung her und jetzt müsstest du die mal wieder machen.“

Das geht sogar bei meiner Krankenkasse. Es ist nicht so, dass es da nicht geht, aber es ist ja überhaupt noch nicht Standard. Was steht denn da an Problemen dem gegenüber oder wie kann diese Digitalisierung stattfinden?  #00:39:09-4#

Stefan Friedrich: Naja, ich meine, das ist ja ein Thema, was seit Jahren in Deutschland diskutiert wird. Seit Januar 2021 gibt es ja diese elektronische Patientenakte EPA, über die man eigentlich am Ende eine voll umfängliche Nutzung von vorhandenen Patientendaten, Befunden, etc. halt anstreben soll. Ich glaube, in Estland war man vor zehn oder 15 Jahren schon mit einer elektronischen Patientenakte dabei.

Im Prinzip ordnet sich das genauso in das Thema ein, wie ich es vorher beschrieben habe. Wir haben halt immer Diskussionen darüber, A) wer bezahlt das Ganze, B) Datenschutz, wer hat drauf Zugriff und C), wer muss eigentlich was machen, dass man sozusagen da Dinge einspielen muss? Wie lange gibt es Ausnahmeregelungen? Also, es ist immer halt ein relativ, ja, irgendwie einfach gesprochen, ein zäher Prozess und es gibt immer tausend Ideen, weshalb es halt irgendwie nicht von heute auf morgen einfach laufen kann.

Ich bin ganz ehrlich, ich bin mir nicht sicher, wann wir irgendwann mal in so einem voll digitalen System angekommen sein werden, in dem ich halt nicht mehr noch irgendwie parallel vielleicht eine Handakte pflegen kann, in dem ich nicht mehr parallel noch Befunde, die wichtig sind, irgendwo mit abspeichern kann, in dem ich nicht mehr da raus gehen kann. Das wird, glaube ich, die Zukunft zeigen, wie stark der Druck ist. Irgendwann wird der Druck halt einfach stark sein, weil es ist einfach super teuer natürlich auch, wenn ich irgendwie fünf verschiedene Akten habe und ich muss jedes Mal…

Also, wenn jetzt Stefan Friedrich umzieht von München nach Bielefeld, dann ist eine Wahrscheinlichkeit von hundert Prozent, dass alles das, was ich in den letzten zehn Jahren hier mal an irgendwelchen Untersuchungen bei meinem Hausarzt hatte, ich neu machen muss. Und in der langen Reihe gesehen, ist es einfach teuer, für eine Kasse auch zu erkennen, was habe ich vielleicht mal irgendwann für Indikationen, was brauche ich, und insofern bin ich halt der Überzeugung, dass da irgendwann mal vielleicht auch raus nivelliert und so, einfach aus der Überzeugung, weil es nicht anders geht, dass man da mal auf eine einheitliche Datenbasis kommt, wo alles auch vorhanden ist und mit der man auch arbeiten kann und das nicht nur eine reine Ablage ist. #00:41:49-4#

Wie kann der Datenschutz gewährleistet werden bei gleichzeitiger Selbstbestimmung des Patienten, wem er welche Informationen zur Verfügung stellt?

Nele: Jetzt hatten wir das Thema Datenschutz schon ein paar mal. Wie kann man denn den Datenschutz gewährleisten bei einer gleichzeitigen Selbstbestimmung des Patienten, wer eben welche Informationen zur Verfügung gestellt bekommt? Da gibt es doch bestimmt Strategien? #00:42:08-2#

Stefan Friedrich: Ja, ich bin jetzt natürlich kein Datenschützer oder Datenschutzbeauftragter, aber ich glaube, ob das jetzt digital ist oder ob das nicht digital ist, ich glaube, es gibt ja so ein paar Grundprinzipien. Und die Grundprinzipien sind meines Erachtens, erstens, ich glaube, dass man grundsätzlich erstmal sparsam mit Daten umgeht. Das würde schon mal für mich sprechen, wenn…

Ich erinnere mich noch selbst. Ich hatte vor zwei Jahren mal einen kleinen Unfall gehabt. Dann war unklar, ist da schon mal ein Röntgenbild gemacht worden? „Ist nicht da, ach, machen wir noch eins.“ Also, das ist ja das Erste. Alles, was an Daten besteht, was erhoben wird, das versuche ich nicht ständig zu erheben, wenn es nicht notwendig ist.

So, das Zweite ist, nochmal, ich bin kein Datenschützer, aber für mich wäre es halt wichtig, ob das physisch ist oder ob das nicht physisch ist, dass man Dinge versucht einheitlich abzulegen. Also, in jeder Arztpraxis würde wahrscheinlich jeder niedergelassene Arzt die Hände über dem Kopf zusammenschlagen, wenn man sagt: „Ach, die Daten von Herrn Friedrich, die sind im Rollcontainer sieben, acht, neun und außerdem im Archiv.“ Genauso ist es digital. Ich würde ja versuchen, zu vermeiden, dass es halt an den siebzehn verschiedenen Plattformen gelistet ist, sondern dass ich versuche, es irgendwie einheitlich zu listen.

Und ein dritter Punkt, ein drittes Grundprinzip ist, dass ich eine gewisse Transparenz habe, was ist denn da und da. Ich weiß nicht, Nele, wie es dir geht, aber ich habe keine Ahnung, was diverse Ärzte über mich über die letzten Jahre so erhoben haben und was in irgendwelchen Akten halt rumschlummert. Das wäre der Vorteil im Digitalen, dass ich zumindest sehen kann, alles das, was irgendwo erhoben wurde ist zentral gespeichert und ich kann es sehen.

Und der letzte Punkt ist meines Erachtens, und das haben wir auch gerade schon angesprochen: Man muss zusammen oder auch allein als Patient, wenn man das kann, sich ein Bild darüber machen und sagen, was davon will ich denn wem überhaupt zur Verfügung stellen und in welchen Fällen?

Ich mache mal ein klassisches Beispiel: Ich habe einen Autounfall. Ich komme irgendwo ins Krankenhaus. Ich bin nicht ansprechbar. Von mir ist niemand erreichbar. Jetzt gibt es immer die Frage, ja, welche Medikamente nimmt Stefan Friedrich jetzt? Und wenn die Antwort ist: „Ja, keine Ahnung“, dann kann es natürlich sein, ich nehme irgendwas, was ein totales Problem ergibt, wenn in einem Notfall mir andere Medikamente gegeben werden. Also, ich denke, ich muss definieren, was in welchem Fall ist für wen einsehbar? Und ich glaube, wenn das so die Grundprinzipien sind, die ein Datenschutz halt ermöglicht und nicht nur beschränkt, dann finde ich, sind das doch eigentlich ganz gute Maximen.  #00:45:07-3#

Nele: Ja, ja, absolut. Ich muss aber sagen, in meiner Patientenakte ist tatsächlich einiges drin, aber ich komme nicht auf die Bilder. Also, ich habe ja wie gesagt, die Patientenakte schon, aber also da ist halt nicht alles, was ich nutzen kann, aber zumindest sehe ich, welcher Arzt was gemacht hat, was ich ja schon mal ganz gut finde. Das ist ein Schritt in die richtige Richtung. #00:45:25-3#

Stefan Friedrich: Das ist ein Schritt in die richtige Richtung und also das trifft natürlich auf alle Krankenhäuser, die ich kenne in Deutschland, natürlich nicht zu, auf keinen Fall, aber ich meine mich irgendwo erinnern zu können, dass ich mal in einem Gespräch von mehreren Ärzten halt, übrigens außerhalb von einem Krankenhaus, mal beiwohnen musste, durfte, als ich auf jemanden gewartet habe, und die haben sich auf dem Handy halt Röntgenbilder von einem Patienten angeschaut von diversen Brüchen.

So, da denke ich mir, das wäre natürlich auch großartig, wenn ich irgendwie die Sachen, die mich betreffen, irgendwo außerhalb von Medien, auf die ich zugreifen darf, da irgendwo durch einen Äther schwirren. Und es gibt ja auch so Brüche, die sehen lustig aus, aber das geht halt niemanden was an. Also, ich glaube, das ist schon echt auch ein Thema, wo darf ich auf was zugreifen. Und ich glaube, ich bin schon der Meinung, dass ich auf meine eigenen Daten und meine eigenen Bilder zugreifen darf und muss. Das sind meine. Insofern ist das schade, so lustig wie das klingt, wenn du keinen Zugriff hast auf das, was dir gehört.  #00:46:39-9#

Wie können bestehende Strukturen genutzt werden, um in das digitale Angebot integriert zu werden?

Nele: Ja, genau. Ja, das wäre halt auch ganz nett. Naja, egal. Jetzt haben wir bestehende Strukturen. Wie können die denn genutzt werden, um irgendwie ins digitale Angebot integriert zu werden oder das Digitale in die bestehenden Strukturen, wie auch immer? Muss man alles neu machen? Kann man fusionieren? Wie läuft das ab? #00:46:59-9#

Stefan Friedrich: Naja, ich meine, wie passiert es denn aktuell? Also, es gibt jetzt zum Beispiel zwei große Programme in Deutschland, die versuchen, das deutsche Gesundheitssystem so ein bisschen abzustauben. Das eine betrifft die Krankenhäuser. Da werden ungefähr vier Milliarden Euro in die Hand genommen, das ist das sogenannte KHZG, um Krankenhäuser in bestimmten ausgewählten Bereichen zu digitalisieren.

Sprich, da wird Geld eingesetzt, um Prozesse zu aktualisieren, Prozesse zu digitalisieren, neue Software anzuschaffen. Das Gleiche gibt es auch für die öffentlichen Gesundheitsämter. Der öffentliche Gesundheitsdienst, auch d wird digitalisiert. Da gibt es eine Richtlinie, wie es halt in Deutschland so üblich ist, und da steht genau drin, da sind es keine vier Milliarden Euro, da sind es ein bisschen weniger, wie Digitalisierung aussehen kann. Meistens ist es der gleiche oder ähnliche Ablauf.

Es wird eine Bestandsaufnahme gemacht in jedem Gesundheitsamt. Es wird überlegt, wo ist man digital, wo nicht, und das kann dann Bereiche betreffen wie Hardware, Software, IT-Sicherheit, ein wichtiges Thema, Prozesse, und so wird das von oben nach unten geplant und von den Krankenhäusern und von den öffentlichen Gesundheitsämtern auch so in Anspruch genommen. Ich glaube, wir vergessen was der ich vergesse etwas an der Stelle.

Es gibt auch noch andere Sachen und das macht es dann spannend. Es gibt auch viele Start-ups, die in Deutschland unterwegs sind und sagen: „Puh, das ist irgendwie alles so bürokratisch und das dauert ewig. Wir fangen mal an und gehen an die Probleme ran, beispielsweise weiß ich nicht, Hautkrebserkennung über eine App, über Diagnostik.“  Oder wie ich gesagt habe, Therapieempfehlungen auf Basis von künstlicher Intelligenz. Wenn ich jetzt sage Start-up, ist das fast schon ein bisschen gemein, denn viele der Unternehmen sind älter als zehn Jahre; aber welche, die halt sagen, wir haben hier eine Idee, wir sehen hier einfach ein Problem, beispielsweise finde mal auf dem platten Land einen Facharzt.

Und wenn ich dann niemanden finde, dann greife ich halt lieber zu meiner App, die mir auf Basis von zehn Fragen, zwanzig Fragen, I don’t know, vielleicht eine erste mögliche Diagnose geben kann. Und dafür kann man auch am Ende Geld bezahlen. Also, das sind, glaube ich so Themen, wie Digitalisierung abläuft, teilweise von oben nach unten, indem es geplant ist, und teilweise eher so disruptiv, indem beispielsweise Start-ups oder neue Anbieter sich überlegen, Moment, hier ist eigentlich eine Marktlücke und sobald das irgendwie bezahlt wird, gehe ich da rein. #00:49:53-7#

Nele: Okay. #00:49:56-5#

Stefan Friedrich: Das ist jetzt nicht so wie geplant, oder? #00:49:55-0#

Müssen sich Patienten auf viele Insellösungen einstellen oder wird es standardisierte digitale Lösungen geben?

Nele: Naja, das ist jetzt eben die Frage. Heißt das für uns Patienten dann, also, ich meine, du bist ja auch ein Patient, also für alle Einwohner Deutschlands, dass wir uns am Ende auf ganz viele Insellösungen wieder einlassen müssen, oder wird es da schon standardisierte digitale Lösungen geben, die alle miteinander sprechen, funktionieren. Oder habe ich dann wieder lauter kleine? Meine Apple-Kopfhörer funktionieren nicht mit meinem Samsung-Telefon, und so weiter. #00:50:26-3#

Stefan Friedrich: Naja, ich meine, wenn man jetzt ml ganz nüchtern ist: So ist es ja teilweise schon heute. Also, ich meine, es gibt halt die Krankenversicherungen. Jede Krankenversicherung hat eine eigene App. Für die privaten Krankenversicherungen habe ich meistens die Funktionalität, dass ich da irgendwelche Belege hochladen kann oder irgendwelche Arztrechnungen.

Bei den gesetzlichen Krankenversicherungen, die geben mir vielleicht irgendwelche Ernährungstipps oder ähnliches. ich habe teilweise Pharmaunternehmen, die mir Apps anbieten für bestimmte Therapiebereiche, die ich dann unterstützend nehmen kann oder nicht nehmen kann. Das Grundproblem ist, wie du es sagst, jeder greift halt so auf unterschiedliche Daten zu.

Und selbst die Krankenkassen, die ja eigentlich die größte Datenbasis haben, selbst die dürfen momentan die Datenbasis nicht irgendwie allen zur Verfügung stellen. Das ist vielleicht auch erstmal so gut. Ich glaube, momentan sind wir in diesem Inselbereich. Es gibt so viele Einzellösungen. Ich glaube, mittlerweile versucht man ja auch über die EPA so eine Basis zu schaffen, dass die Daten miteinander reden können. Ich kenne außerhalb von Deutschland kaum Länder, wo wir wirklich, sage ich mal, eine Datenbasis haben, selbst in Estland ist das nicht so, wo dann alle Apps oder Programme oder miteinander reden.

Ich kenne das in den USA: Da gibt es solche H&Os, nennt sich das. Das sind wie so große integrierte Krankenversicherungen und Krankenkassen. Die haben eine Datenbasis. Da gibt es irgendwie eine App, die dann irgendwie für die Patientinnen und Patienten Therapieempfehlungen bringt oder man kriegt dann auch mal ein Schreiben per Mail, wo dann drinsteht: „Übrigens, in ihrer Gegend sind so und so viele Leute bei dem und dem Thema krank geworden. Achtung, hier sind folgende Präventionstipps“, was vielleicht komisch ist, aber was einen Grund haben kann.

Ich glaube, das wird schon noch eine Weile dauern, bis wir irgendwas Einheitliches sehen und ich bin mir nicht sicher, ob das überhaupt in den nächsten zehn oder zwanzig Jahren dazu kommen wird, weil ich sehe halt diese einheitliche Datenbasis nicht. #00:52:50-2#

Wie wird gewährleistet, dass in einer Übergangsphase auch internetferne Patienten alle Angebote nutzen können?

Nele: Okay. Mal sehen, vielleicht dann zur Rente, die ja noch eine Weile hin ist. Andere Frage: Wie wird denn gewährleistet, dass in so einer Übergangsphase hin zu dem immer Digitaleren auch die internetfernen Patienten alle Angebote nutzen können?  #00:53:09-2#

Stefan Friedrich: Ja, also ich glaube, das haben wir ja so ein bisschen schon zwischendurch beleuchtet. Also, ich glaube, dass es immer irgendwie einen Weg B geben muss, weil, wie du sagst, internetfern muss ja nicht per sé bedeuten, das ist jemand, der jetzt irgendwie älter ist oder so.

Es gibt halt welche, die keinen Zugang oder einen schwierigeren Zugang haben oder keine Affinität halt zu der Lösung von digitalen Sachen haben. Ich denke mir immer, wie war das irgendwie, und ich kann mich jetzt persönlich nicht so daran erinnern, aber irgendwann ist das Telefon mal aufgekommen und ich glaube, heute ist es irgendwie weit akzeptiert, dass man sagt, naja, Telefon, da nimmt man irgendwie einen Hörer ab, tippt da ein paar Zahlen rein und wenn es die richtige Kombination ist, ist am Ende jemand dran.

Also, ich glaube, da gibt es wahrscheinlich viel klügere Menschen, die da schlaue Antworten geben können, aber ich glaube, dass eine ist natürlich, dass man irgendwie Alternativen lässt. Ich glaube, heute können wir immer noch Briefe schreiben, wenn man irgendwo nicht anrufen will oder ich glaube, das Fax ist immer noch sehr populär in Deutschland. Also, ich glaube, man muss die Alternativen offenlassen. ich bin mal gemein. Ich glaube, man muss trotzdem Alternativen ein bisschen einschränken. Das ist auch so ein Matching ist Richtung: „Mach es doch lieber einfacher und digital.“ Und gleichzeitig, glaube ich, muss man halt auch anbieten, es gibt Internetführerscheine.

Man muss, glaube ich, auch anbieten, da Leute mitzunehmen. Also, ich könnte mir vorstellen, bei einer Kasse, wenn ich sage: „Hey, in Zukunft will ich meine Daten über eine App pflegen, was muss ich machen?“, dass im worse case mir vielleicht jemand beim ersten Mal irgendwie hilft. Aber am Ende wird es der Weg sein, halt nicht mehr alles handschriftlich zu machen. Also, ich war letzte Woche in der Praxis. Ich durfte wieder Bögen ausfüllen. Und ja, die Zeit kann man, glaube ich, anders nutzen. #00:55:11-8#

Wird die Digitalisierung Ressourcen freisetzen oder einfach nur verlagern?

Nele: Ja, neulich beim Frauenarzt habe ich sogar bei der gleichen Praxis, bei der gleichen Anamnese, zweimal meine Adresse und all die Sachen schriftlich machen. Also, ich habe es nicht verstanden. Aber gut, das ist in Sachsen bestimmt nicht besser, aber es ist manchmal faszinierend. Jetzt war eigentlich meine nächste Frage, wird die Digitalisierung Ressourcen freisetzen oder einfach nur verlagern? Ich würde jetzt aber nach unserem Gespräch bisher sagen, dass wir uns wahrscheinlich ein bisschen aus dem Engpass, auf den wir absolut zusteuern, rausbringen, oder? #00:55:45-5#

Stefan Friedrich: Ja. Also, ich glaube, die Digitalisierung muss uns helfen, Personal anders einzusetzen. Das ist jetzt vielleicht so ein bisschen eine betriebswirtschaftliche Antwort, aber ich weiß, dass es diese Diskussion gibt, was ist mit Arbeitsplatzabbau und was passiert, wenn ich dann vielleicht bei der deutschen Rente in Zukunft keine Formulare mehr bekomme, die ich abgleiche. Das ist sicherlich ein Thema.

Ich glaube, das ist einfach nicht mein Bereich, wo ich sagen kann, das ist jetzt die gesamte volkswirtschaftliche Auswirkung, aber ich glaube, wir sind doch heute, wenn wir mal ganz nüchtern dastehen, in einem Bereich, wo wir sagen, es fehlt an allen Ecken und Enden Personal in der Gesundheitswirtschaft; ob das der Pfleger ist oder die Pflegerin in einer Altenpflegeeinrichtung, ob das die Zeit des Pflegers, der Pflegerin im Krankenhaus am Bett ist, mit jemandem zu sprechen oder ob das halt der Arzt ist, der sich zeit nimmt und sagt: „So, jetzt gehen wir mal durch, was bedeutet denn diese Diagnose für Sie?“

So. Also, ich glaube, wir sind so knapp. Also, wenn mir jemand einen Bereich zeigt, wo er sagt, da sind wir gut ausgestattet, dann würde es mich wirklich wundern, wenn es den gibt. Also, ich glaube, wir müssen versuchen, das, was wir an Kernkompetenz als Mensch haben, die Kommunikation mit den Patientinnen und Patienten, das Einfühlen, die Empathie, das Mitnehmen, das gemeinsame Überlegen, ich glaube, darauf müssen wir uns konzentrieren und das andere, also sprich, das begründen, warum darf denn jetzt die Nele, die jetzt schon irgendwie die letzten drei Jahre 27 Rehas mitgemacht hat, warum darf die vielleicht Nummer 28 nicht machen; das andere, das müssen wir, glaube ich, versuchen, so mitzumachen, aber mit so wenig Aufwand wie möglich, weil wir haben die Zeit nicht. ich meine, frage mal eine Krankenschwester heute im Krankenhaus oder frage mal einen Arzt, wieviel Zeit der mit Qualitätsmanagement, Dokumentieren, Abrechnung verbringt.

Und das ist irre. Also, ich glaube, diese Zeit, müssen wir freisetzen. Wir müssen Ressourcen dadurch freisetzen für den Patienten. Das ist was, was schwer zu ersetzen sein wird. Empathie, Kommunikation, da mangelt es doch bei uns. #00:58:30-5#

Nele: Absolut. Ja, ja, und ich glaube, das ist auch echt was, womit man Leute demotivieren kann. Ich werde ja nicht Arzt, damit ich endlich ml Abrechnungen machen kann. Dann hätte ich einen anderen Ausbildungsweg gewählt, wenn ich mich jetzt so mit dem ganzen bürokratischen Gedöns, entschuldige den Begriff, beschäftigen will. Das ist frustrierend für die Leute. Die wollen ja wirklich mit Menschen arbeiten. #00:58:53-8#

Stefan Friedrich: Also, ich meine, was, glaube ich, wichtig ist: Jetzt man natürlich sagen, naja gut, das ist irgendwie alles wichtig und so. Ich glaube, Gesundheit ist die Büchse der Pandora. Wir können natürlich auch hundert Prozent von dem, was jeder am Monatsende verdient, für Gesundheit ausgeben. Das ist überhaupt kein Problem.

Also, wenn man jetzt ml in die USA schaut, ich meine, da liegen die Ausgaben für Gesundheit nochmal ein Viertel höher als in Deutschland. Also, wenn man das auf sich selber runter rechnet, kann man ja mal auf seine Abrechnung schauen, dann ein Viertel nochmal draufschlagen, was er so an Beiträgen für die Versicherung zahlt. Das ist schon… Ich glaube, das kann auch nicht einfach jeder. Also irgendwo müssen wir, glaube ich, ein Limit finden, deswegen sind natürlich so Themen wie Abrechnung, was darf ich, was darf ich nicht, schwierige Themen.

Aber das muss natürlich abgedeckt werden. Dennoch, glaube ich, kann man einfach da versuchen, viel besser zu machen, zu automatisieren, um die echte, ich sage mal, Qualitätszeit, die man hat mit Patientinnen und Patienten, auch mit Angehörigen, zu verbringen und nicht irgendwie sechs Minuten Slots beim Arzt zu verbringen und zu sagen: „Tut mir leid, das ist die Diagnose und hier übrigens ist Google, und nächster.“ Also, ich glaube, das kann es nicht sein. #01:00:14-9#

Kann jeder einzelne von uns einen Beitrag leisten, um die Digitalisierung voranzutreiben? Wenn ja, wie?

Nele: Ja, ja. Was kann denn jeder einzelne von uns dazu beitragen, dass Digitalisierung mit vorankommt? Ist das möglich? #01:00:22-7#

Stefan Friedrich: Naja, ich glaube, da gibt es schon mehrere Möglichkeiten. Also das eine ist ja, die meisten, denke ich mal, die hier auch zuhören oder vielleicht einige sind ja auch Wählerinnen und Wähler. Ich sage das immer jedem, dass man sich auch mal mit dem Wahlprogramm beschäftigt, wenn Wahlen sind, was steht denn da drin? Wie äußert sich mein Kandidat, meine Kandidatin zum Thema Gesundheitswirtschaft? Ist das sehr dogmatisch oder ist das was, wo jemand versucht, vielleicht so dem Gedanken, den wir jetzt diskutiert haben, zu folgen?

Man kann übrigens auch Abgeordnete, wenn die einmal gewählt sind, durchaus auch mal ansprechen und die mal anschreiben und ml fragen, was die so machen, um beispielsweise eine Krankenhausplanung irgendwie zu verbessern oder wie sie sich für einen persönlich da einsetzen. das ist, glaube ich, durchaus legitim. ich denke, man kann auch mit seiner Krankenkasse sprechen. Man kann seine Krankenkasse ja durchaus auch wählen.

Da gibt es ja auch unterschiedliche Möglichkeiten. Es gibt welche, die sind seit Jahren sehr, sehr affin beim Thema Digitalisierung. Es gibt welche, die haben schon seit Jahren Apps auf Rezept halt vergeben. Und natürlich kann man an seiner eigenen Einstellung auch arbeiten. Natürlich ist es schön, mit einem Arzt zu sprechen, vielleicht sich in ein Wartezimmer zu setzen und dann das Eins-zu-eins-Gespräch zu suchen.

Sind wir ehrlich, es wird mehr und mehr zu Situationen kommen, wo in bestimmten Gegenden einfach der Facharzt nicht da ist. Dann muss ich mir halt überlegen, kann ich auch damit leben, wenn vielleicht der Arzt, die Ärztin per Video gegenüber von mir sitzt? Kann ich auch damit leben, wenn der vielleicht nur Englisch spricht? Kann ich damit leben, wenn der vielleicht nicht aus Deutschland kommt?

Also, ich meine, das ist doch die Frage, was ist meine Einstellung zum Thema Digitalisierung? Geht es mir drum, die beste Versorgung zu bekommen oder geht es mir darum irgendwie, eine persönliche Betreuung zu kriegen? Ich glaube, das sind halt viele Dinge, wo man sich selber so hinterfragen kann, wie gehe ich damit um, was ist mir wichtig?  #01:02:35-5#

Zukunft des Gesundheitswesen in Deutschland

Was erwiderst du auf die Angst vom Gläsernen Patienten, der nach seinem Gesundheitszustand befördert wird und nach seiner Lebensweise - Rauchen, Alkoholkonsum, Übergewicht - entsprechend hohe oder niedrige Beiträge zahlen muss?

Nele: Ich würde noch einmal zum Schluss gerne auf das Thema Datenschutz kommen. Was erwiderst du denn auf die Angst vorm gläsernen Patienten, der nach seinem Gesundheitszustand befördert wird, also „Gattaca“ sozusagen, wer den Film noch kennt, und nach seiner Lebensweise – Rauchen, Alkoholkonsum, Übergewicht.

Es haben ja ganz viele Leute Angst, dass sozusagen mit den Daten, die sie haben, dann vielleicht höhere Beitragssätze oder was auch immer, sie irgendeine Art von Benachteiligung haben. Das habe ich nicht, das möchte ich kurz vorne anstellen, aber es haben Leute solche Ängste. Was kannst du da sagen?  #01:03:12-6#

Stefan Friedrich: Also, ich versuche ja immer, relativ diplomatisch zu antworten, aber an der Stelle würde ich einfach sagen, zumindest in Deutschland über die nächsten fünf bis zehn Jahre, länger ist es sowieso jetzt schwierig zu denken, ist es für mich eigentlich kaum nachzuvollziehen, weil der Datenschutz, den wir heute haben, das haben wir ja besprochen, der ist so hoch verankert, dass das eigentlich wirklich ein orwellscher Gedanke ist, der wirklich fern ist.

Ich habe auch einiges für Gesundheitsministerien oder Anbieter in China in den letzten Jahren insbesondere vor der Pandemie gemacht, und da werden solche Fragen schon ab und zu mal gestellt, aber die Frage ist ja auch: Wem nützt es? Also erstens, ich muss in der Lage sein, Massendaten auszuwerten. zweitens, ich muss in der Lage sein, individuelle Rückschlüsse auf einzelne Patientinnen und Patienten zu ziehen, drittens ich muss in der Lage sein, die auch irgendwie umzusetzen.

Das heißt, also wenn jetzt da irgendwie dasteht: „Friedrich hat ganz starkes Übergewicht“, ja, so what? Was mache ich dann damit? Also, tue ich dann irgendwie die Krankenkassenbeiträge erhöhen? Es ist ja im System bei uns gar nicht möglich. Also, bei aller Liebe, ich verstehe das, dass man vielleicht irgendwie so in die Richtung denkt, aber davon sind wir so weit weg momentan, würde ich sagen, wie weiß ich nicht. Mir fällt kein guter Vergleich ein.

Ich glaube, wir sollten uns wirklich eher die Frage stellen, wie kann man das, was wir an Daten haben, sauber und sicher, aber auch sinnvoll nutzen. Es gibt ja verschiedene Studien dazu, aber ich glaube, es sterben auch relativ viele Menschen dadurch, dass man eigentlich Rückschlüsse aus Versichertendaten, Behandlungsdaten einfach nicht nutzt, um zu handeln, sondern indem man halt einfach sagt: „Gut, dann bleibt das halt in der Kiste und wir fassen es nicht an.“

Also, es ist ein schwieriges Thema. Ich bin kein Datenschützer. Es ist vielleicht auch mal interessant, da mal mit einem Datenschützer drüber zu sprechen. Aber die Frage ist ja auch immer, was kommt unter dem Strich für die Qualität des Lebens, für die Lebenserwartung dabei rum? #01:05:33-2#

Wie sieht das Gesundheitswesen von morgen in einer idealen Welt aus?

Nele: Ja, und zu dem, was du gesagt hast: Ein guter Freund von mir, der arbeitet auch bei einer großen Krankenkasse im IT-Bereich, und der hat genau das gesagt, die haben so ein bisschen die Bedenken, in fünf bis zehn Jahren ist die Haupttodesursache in Deutschland, wenn es so weitergeht, der Datenschutz, weil die ihre Patienten nicht darauf hinweisen dürfen, dass Medikament A mit Medikament B nicht genommen werden sollte, oder dass sich hier irgendwas zuspitzt und man vielleicht mal zu folgendem Facharzt gehen sollte.

Genau, das ist absolut unser größeres Problem, dass der Datenschutz teilweise gute Behandlung verhindert. Jetzt haben wir mal die Glaskugel. Wie sieht denn für dich das Gesundheitswesen von morgen in einer idealen Welt aus? Wenn du dir was wünschen könntest, wie würde es aussehen? #01:06:18-7#

Stefan Friedrich: Ja, ich meine, wir gehen ja langsam auf Weihnachten zu, insofern… Also, ich glaube, ich hätte gar nicht so viele Wünsche und ich glaube, so Themen zur Ausgestaltung… Ich meine, man kann sich da viel wünschen und viel überlegen, aber ich glaube, für mich ist das Hauptthema einfach, dass wir, wie gesagt, ein Gesundheitssystem haben, wo irgendwie ein breiter Konsens herrscht.

Vielleicht brauchen wir das auch mehr als Gesellschaft im Dialog, wo man sich fragt, wieviel Geld von dem, was jeder verdient, möchten wir denn einsetzen für Gesundheit? Diese Frage, die muss man klären. Wir haben sie de facto geklärt über die höheren Krankenkassenbeiträge.

Zweitens, wir sollten einen Konsens drüber haben, dass wir sagen, wieviel was bei Gesundheitsfragen passiert in den Ländern, in den Städten, in den Gemeinden, Klammer auf, die teilweise gar nicht können. Also, die haben einfach die gleichen Probleme. Wir haben eine Studie gemacht zum Thema Pflege im ländlichen Raum.

Das ist eine unglaubliche Herausforderung für Kommunen, zum Beispiel Pflege zu organisieren, also sprich die Klärung der Frage, wer macht was, wer hat welches Interesse. Und dann, glaube ich, eine stärkere Vereinheitlichung von Regelwerken, von Infrastruktur, also sprich, die elektronische Patientenakte haben wir heute besprochen, dass wir eine EPA haben als gemeinsame Datenbasis, dass wir darauf basierend halt besser wissen, welche Diagnostik, welche Therapie halt sinnvoll sein kann, und darauf unsere Infrastruktur aufbauen, also sprich darauf planen oder darauf halt auch ansiedeln, wieviel Leistung brauche ich denn in jedem Gebiet, und vielleicht, dass wir irgendwann davon weg kommen, von solchen Themen wie: In den letzten Jahren gab es ja immer diese Aufreger, mein kleines Krankenhaus am Rande der Stadt mit der Geburtshilfe wird jetzt geschlossen, oh Gott, es gibt jetzt keine Bad XYZburger mehr, weil wir keine Geburtshilfe mehr haben; dass wir da einfach, glaube ich, ein bisschen entspannter drüber diskutieren, denn Gesundheit und Gesundheitseinrichtungen kosten wahnsinnig viel Geld, sind übrigens auch riesige Energiefresser.

Das ist auch heutzutage interessant. Dass wir da ganz nüchtern mal darüber diskutieren, was kann man denn als Behandlung in welcher Form einem Patienten zumuten, was ist gut und was ist nicht gut. Denn, ich weiß nicht, wie du das siehst, aber im Zweifelsfall spreche ich lieber mit einer Koryphäe über Video in meiner Indikation, der wirklich Patientinnen und Patienten gesehen hat, die die Indiktion haben wie ich, als irgendwo ein kleines Kreiskrankenhaus am Rande der Stadt zu haben, was dafür einfach gar nicht gedacht ist. Also irgendwie eine sinnvolle, emotionslose Diskussion, das wäre eigentlich mein Weihnachtswunsch. #01:09:27-1#

Nele: Ich hoffe, er geht in Erfüllung. Absolut, also ich bin zu meinem MS-Spezialisten jahrelang zweihundert Kilometer gefahren und dann das eine Jahr an der Nordsee sogar sechshundert Kilometer, weil er einer der Top-Leute ist. Und da bin ich lieber bei einem der Top-Leute und stehe gut mit meiner Krankheit da, als ich ganz nah vor Ort jemanden habe, der lieb und nett ist, aber wo ich nicht die State-of-the-Art-Behandlung kriege und der halt nicht, was Wissenschaft ist, irgendwie ganz vorne mit dran ist.

Das muss man sich auch leisten können, klar. Es kann jetzt nicht jeder sechshundert Kilometer durch Deutschland fahren, aber es ist ja auch die Frage, wie oft muss man hin. Also, bei viermal im Jahr und Familie in Dresden… Jetzt bin ich näher ran gezogen. Das war sinnvoller. #01:10:07-5#

Stefan Friedrich: Ja, also ich meine, vielleicht die letzte Anmerkung: Ich glaube, da muss sich aber auch jeder, was heißt muss, aber kann man sich ja auch mal an die eigene Nase fassen. Also, meine Mutter, die kriegt immer solche Auf-Wiedervorlage-Termine. Ich meine, mit 79, da mag man vielleicht darüber diskutieren, aber das geht garantiert schon seit 15 Jahren so, die kriegt halt immer bei ihrem niedergelassenen Arzt einen Termin, ohne dass etwas ist: „Dann sehen wir uns das nächste Vierteljahr wieder.“

Also, es ist sicherlich schön, aber man muss ich sicherlich auch überlegen, was kostet das denn und was bringt das? Und ich meine, der Deutsche geht halt so häufig zum Arzt im Schnitt. In anderen Ländern weiß ich nicht, in Norwegen oder so, ist das weniger als die Hälfte, und ich bin mir sicher, dass die norwegischen Arztpraxen jetzt nicht weniger schön ausgestattet sind, sondern es ist halt auch einfach die Frage des Anreizes.

Diese Infrastruktur, die wir haben, die nehmen wir halt teilweise auch sehr stark in Anspruch, ohne dass es immer einen Grund dafür gibt. Und das haben wir während der Corona-Pandemie gesehen: Auf einmal waren die Praxen leer. Die haben sich nicht mehr so gefühlt, wie es war, wie es vor der Pandemie war. Warum? Weil irgendwie alle festgestellt haben, man muss vielleicht doch nicht wegen jedem Husten dahin laufen. Also, mir steht es fern da irgendwelche Tipps zu geben, aber ich glaube, das kann jeder auch selbst mal überdenken, wie er das Gesundheitssystem in Anspruch nimmt.  #01:11:35-3#

 

Nele: Sehr schön. Stefan, es war mir ein Vergnügen, mal ein bisschen einen Einblick hinter die Kulissen zu bekommen. Vielen Dank dafür. Vielen Dank für deine ganzen Antworten, Einblicke und ich drücke dir mal die Daumen, dass der Weihnachtswunsch in den kommenden Jahren in Erfüllung geht. Ich glaube, bis Ende 2022, wird es nichts mehr, wo wir aufnehmen. Okay, es wird erst im Januar ausgestrahlt. Ich glaube, das klappt nicht mehr; wahrscheinlich auch nicht mehr bis Weihnachten 2023, aber ich bin mir sicher, du und ganz viele andere schlaue Leute arbeiten dran, und es wollen bestimmt ganz viele Gutes, und wenn sie sich vielleicht alle mal an einen Tisch setzen… So eine gemeinsame Vision, wäre da mal etwas Schönes. ich meine, es fällt dann einfacher. Dann kann man immer so einen Ist-Soll-Abgleich machen. Das wäre doch was. Das wünsche ich mir. Vielen Dank! #01:12:23-6#

 

Stefan Friedrich: Danke, es hat mir viel Spaß gemacht. #01:12:24-5#

 

Nele: Ja, Tschüss! #01:12:26-4#

 

Stefan Friedrich: Danke, Ciao! #01:12:26-4#

Vielen Dank an Stefan Friedrich für einen Blick hinter die Kulissen der deutschen Gesundheitsversorgung mit dem Fokus auf Digitalisierung. Ich werde mir die Parteiprogramme demnächst auf jeden Fall genauer durchlesen. Denn ich will auch morgen und in zehn oder 20 Jahren noch gut gesundheitlich versorgt werden.

Bis bald und mach das Beste aus Deinem Leben,
Nele

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