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#204: 10 Dinge, die Du zur MRT bei MS wissen solltest. Interview mit dem Neuroradiologen Prof. Dr. Mike Wattjes

Diesmal spreche ich mit Prof. Dr. Mike P. Wattjes über die Bedeutung der MRT als Bildgebung bei der Diagnosestellung, Verlaufsbeurteilung, für Therapieentscheidungen und für die Überwachung von verlaufsmodifizierenden Therapien bei MS-PatientInnen. Prof. Wattjes ist Leiter der Neuroinflammatorischen und Neuroinfektiologischen Neuroradiologie an der Medizinischen Hochschule Hannover. Außerdem ist er Erstautor der MAGNIMS Richtlinie 2021, die weltweite Empfehlungen und Standards für die MRT-Untersuchung an Menschen mit MS vorgibt.

Er erklärt die zehn wichtigsten Dinge der MRT bei Multipler Sklerose in leicht verständlicher Art und Weise. Außerdem geht es um gut erprobte Möglichkeiten der MRT-Bildgebung, die hoffentlich bald allen MS-PatientInnen zur Verfügung stehen werden und wie wichtig die Standardisierung ist, um das Potenzial der Magnetresonanztomografie zu nutzen.

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Inhaltsverzeichnis

Vorstellung Prof. Dr. Mike P. Wattjes

Nele Handwerker: Hallo Mike, ich freue mich sehr, dass du heute mein Gast bist und uns ein bisschen mehr Einblick ins Thema MRT gibst. Aber erst mal ein ganz liebes Hallo nach Hannover. #00:00:09#

Prof. Dr. Mike Wattjes: Ja, vielen Dank, liebe Nele, für die freundliche Einladung und ja, Respekt für deine Aktivitäten rund um MS-Erkrankung. Du machst das wirklich grandios. So eine komplexe Erkrankung wie die MS verdient, es auch von allerlei Blickwinkeln beleuchtet zu werden. Und ich glaube, dein Beitrag ist extrem wichtig, um die Erkrankung gut zu verstehen und von allerlei Richtungen gut beleuchtet zu bekommen. #00:00:37#

Nele Handwerker: Danke schön. Bevor wir jetzt loslegen, wäre es lieb, wenn du dich ganz kurz einmal vorstellst, was du beruflich machst und wer Mike Wattjes ist. #00:00:53#

Prof. Dr. Mike Wattjes: Ja, genau. Ich bin geboren in Ostfriesland und habe in Hannover Medizin studiert und wusste lange nicht so genau, was ich so machen sollte, und war so lange am Zweifeln, mache ich jetzt Neurologie oder mache ich jetzt Radiologie. Also ich fand halt beides total spannend einmal so die Neurowissenschaften, aber ich fand halt auch Bildgebung und auch Intervention, also Interventionen irgendwie total spannend. Und dann war es so, dann dachte ich so, na ja beginnst du doch noch mal mit der Neurologie, probierst es noch mal und ich hatte irgendwie das Gefühl, ich brauche noch mal so ein bisschen so einen Tapetenwechsel, weg aus Norddeutschland.

Dann habe ich meine Facharztausbildung in Bonn gemacht, im Rheinland, erst ein Jahr Neurologie und dann habe ich doch gemerkt, na ja, die Bildgebung ist doch für mich mehr anziehend als die pure Neurologie. Dann habe ich erst eine breite radiologische Ausbildung genossen in Bonn und habe dann das Angebot bekommen, habe da schon ein bisschen wissenschaftlich gearbeitet auf dem Gebiet von Multipler Sklerose und anderen neurologischen Erkrankungen, bekam dann das Angebot nach Amsterdam zu gehen. Das war ganz interessant, weil meine damalige Freundin und jetzige Frau konnte ihre Facharztausbildung für Kinderheilkunde in Utrecht machen und das konnten wir ganz gut verbinden. Wir haben in Utrecht gewohnt und meine Frau hat in Utrecht gearbeitet. Und ich habe in Amsterdam am MS-Zentrum, im Alzheimer-Zentrum gearbeitet und habe dort meinen Neurologie-Schwerpunkt gemacht.

Und da sind wir so ein bisschen hängen geblieben, also unsere beiden Kinder sind dort geboren, wir haben geheiratet und am Ende des Tages bin ich über zehn Jahre dort geblieben, habe mich auch sehr, sehr wohl gefühlt. Und dann haben wir uns, als die Kinder so ein bisschen größer wurden und zur Schule mussten, jedenfalls der Größte, haben wir uns entschlossen, wieder zurückzugehen nach Deutschland. Dann gab es die Möglichkeit, zurückzugehen nach Hannover, wo ich studiert habe. 

Und da sind wir jetzt seit 2017 und beschäftige mich weiterhin noch mit entzündlichen Erkrankungen, insbesondere Bildgebung der Multiplen Sklerose, aber auch mit anderen Erkrankungen, Bewegungsstörungen, anderen neurodegenerativen Erkrankungen. Ich bin immer noch affiliiert mit dem internationalen MAGNIMS-Netzwerk, für die Leute, die es nicht wissen, ein europäisches Konsortium mit MS-Experten, -Zentren, die sich sehr mit Bildgebung der Multiplen Sklerose befassen. Ich bin auch Erstautor der Empfehlungen für die Bildgebung der Multiplen Sklerose und mir macht es immer noch sehr viel Spaß, mich mit dieser komplexen und unglaublich spannenden Erkrankung von der bildgebenden Seite zu beschäftigen. #00:03:51# 

Nele Handwerker: Sehr schön, vielen Dank! Zehn Jahre Amsterdam klingt spannend.

Persönliche Motivation für den Beruf?

Prof. Dr. Mike Wattjes: Ja, das ist eine gute Frage. Das ist, also Berufswahl in der Medizin ist so ähnlich wie mit zwischenmenschlichen Bindungen: Man muss irgendwie das ein oder andere ein bisschen ausprobieren. Also ich war nie so richtig festgelegt, ich habe eigentlich immer so Phasen gehabt, wo ich dachte, na ja, ich werde Internist oder ich werde Chirurg oder ich werde Kinderarzt.

Und dann zum Schluss des Studiums haben mich diese Neurowissenschaften extrem fasziniert, aber eben auch die Bildgebung. Und ich habe gedacht: „Wie kann ich das eine mit dem anderen kombinieren?“, und es war gerade in der Zeit, wo sich die Radiologie insofern weiterentwickelt hat, dass es Subspezialisierungen gab, also Kinderradiologie, Neuroradiologie. Und da hatte ich so ein bisschen auf dem Zettel: Neuroradiologie war ja nicht das Perfekte, aber dann kannst du die Neurowissenschaften mit der Bildgebung kombinieren.

Und ich war aber immer noch unsicher. Da war ich in Amerika, habe dort mein praktisches Jahr gemacht und da hatte ich einen sehr, sehr inspirierenden Radiologen, der mich so ein bisschen begleitet hat. Und wie es halt ist, Menschen inspirieren einen natürlich, aber dann habe ich doch den Dreh gekriegt und habe mich wie gesagt, erst für die Neurowissenschaften im Sinne von einer Neurologieausbildung ein Jahr entschieden und dann bin ich gewechselt in die Radiologie. Und ich habe das auch nie bereut, muss ich sagen.

Ich finde es ein fantastisches Feld, extrem innovativ. Man kommt mit sehr, sehr vielen Leuten in Kontakt, also nicht nur mit Ärzten, sondern auch mit der Pharmaindustrie und vor allen Dingen auch das macht mir total viel Spaß mit paramedischem Personal, also auch mit MS Nurses zum Beispiel, das ist mir extrem wichtig. Und da bin ich mir auch nicht für zu schade, Vorträge zu halten, weil man sich selbst in eine ganz andere Perspektive platzieren kann und auch mal ganz anderes sein eigenes Fach reflektieren kann. Und wie gesagt, das macht mir extrem viel Spaß und ich habe das bis jetzt nie bereut. #00:06:04#

Nele Handwerker: Sehr schön. Ich habe ja auch eine hohe Affinität zu den Radiologen. Meine Diagnose habe ich damals von einem befreundeten Radiologen bekommen.

Insofern wenn Tjalf da ab und zu seine nicht ernst gemeinte Späße macht, denke ich mir immer: „Ach, ich mag die Radiologen.“ (lachen)

Magentresonanztomografie (MRT) bei Multipler Sklerose

Welche Bedeutung kommt der MRT-Untersuchung für die Diagnose und im Verlauf der MS-Erkrankung zu?

Prof. Dr. Mike Wattjes: Ja, das ist ganz interessant, was du gerade gesagt hast. Ich habe eine Affinität zu Neuroradiologen, weil die haben bei mir so ein bisschen die Diagnose gestellt. Man muss ja sagen, Bildgebung ist extrem seduktiv. Das ist anders als vor 10-20 Jahren, als ich noch anfing mit der Medizin, wo ein CT zehn Minuten gedauert hat oder wir eigentlich nur mit konventionellen Röntgenaufnahmen hantiert haben, die Dinger noch an einem Lichtkasten gehangen haben.

Die Bildgebung hat sich extrem weiterentwickelt und man hat jetzt in dieser neueren Zeit so die Neigung, Erkrankungen nur auf Basis der Bildgebung zu stellen und das ist extrem gefährlich, also Bildgebung und das gilt insbesondere für die MS-Diagnostik. Es ist extrem wichtig, ist auch Teil der Diagnosekriterien, aber die Diagnose der MS wird halt gestellt mit der sogenannten, ich nenne es mal die heilige Dreieinheit: Einmal die klinische Diagnose, also MS ist immer noch eine klinische Diagnose, wie viele andere neurologische Erkrankungen auch im Übrigen. Die Bildgebung hat eine wahnsinnig wichtige Bedeutung, aber unterstützt am Ende des Tages die klinische Diagnose und das muss man auch ganz klar realisieren, dass auch und viele Laboruntersuchungen eine wichtige Rolle spielen, um die Diagnose noch mal festzuzurren.

Deswegen sage ich auch immer meinen Assistenten, die natürlich total geflasht sind von der Bildgebung, was sie heutzutage alles machen kann und so weiter: „Stellt euch bescheiden auf, guckt immer gut, was hat der Patient, wo kommt er her, fragt immer gut nach, weil ohne diesen klinischen Kontext können wir die Diagnose nicht stellen. Das gilt für viele neurologische Erkrankungen im Allgemeinen, aber für die MS im Speziellen.

Jetzt noch mal zu deiner Frage: Welche Bedeutung spielt es für die Diagnose und Verlauf? Also wir wissen, dass die MRT sehr sensitiv, also sehr empfindlich ist für die Detektion dieser Entmarkungsherde, die für die MS natürlich sehr charakteristisch sind. Das gilt sowohl für das Gehirn, als auch für das Rückenmark. Und wir sind mit der Bildgebung in der Lage, die ganze zeitliche und örtliche Dissemination der Erkrankung, wie sie auch in den Diagnosekriterien steht, sehr sensitiv nachzuweisen: Das heißt, wir können eben genau sehen, wie viele Entmarkungsherde sind da, wo sind sie, also sind sie örtlich verteilt über das Gehirn und das Rückenmark, und kommt es zu neuen Entmarkungsherden über der Zeit. Das heißt, wir können diese örtliche und zeitliche Dissemination relativ gut nachweisen und sensitiver nachweisen als der klinische Neurologe an sich, weil das MRT sensitiver ist für die Entzündung.

Mit anderen Worten, wir sehen schon Entzündung im Gehirn, während der Patient noch nichts merkt. Das heißt, wir sind halt schon in der Lage, das ganze Ausmaß der Entzündung zu Beginn der Erkrankung relativ gut ins Bild zu bringen und dann die Diagnose gemäß der Diagnosekriterien zu fazilitieren.

Was den Verlauf betrifft, ist es so: Entscheidend ist natürlich, wie entwickelt sich der Patient weiter. Und im Gegensatz zu 10-20 Jahren zurück, haben wir extrem viele Medikamente verfügbar. Mit dem MRT sind wir in der Lage, sehr gut zu gucken, funktioniert die Therapie eigentlich, ist die Therapie effizient genug, weil wir eben selbst bei MS-Patienten, die sich total lecker (gut) fühlen und total asymptomatisch sind, manchmal Entmarkungsherde sehen, kleine, die der Patient gar nicht sieht und dann auch schon einen Hinweis dafür haben, dass das Medikament vielleicht doch nicht so effizient ist, wie es eben sein sollte und dann relativ schnell der Neurologe eben auf ein neues Medikament, das noch effektiver ist, umsteigen kann.

Und das ist, glaube ich ganz, ganz wichtig und das hat sich grundlegend geändert im Vergleich zu 10-15 Jahre zurück, dass wir mit dem MRT so supergut monitoren können, kleinste Entzündungsaktivitäten nachweisen können, während der Patient es selber gar nicht merkt. Und wir sind eben auch in der Lage, relativ früh in der Erkrankung zu gucken, na ja, wie bewegt sich der Patient eigentlich hinsichtlich Behinderung. Wir haben gewisse MRT-Marker, die gekoppelt sind an Behinderungsprogression und Krankheitsprogression im Allgemeinen. Das heißt, wir gucken zu Beginn der Erkrankung ganz genau, wie viele Entmarkungsherde sind da, wo sind sie; kommen relativ schnell neue dazu? Und auf Basis dessen können wir schon so eine gewisse prognostische Einschätzung treffen, wie der Verlauf des individuellen Patienten sein wird oder sein kann. Und das ist eine wichtige Information, die der Neurologe dann hat, um die Therapie auszuwählen.

Und zum Schluss, das muss man auch ganz ehrlich sagen, wir haben natürlich schon effektive Medikamente, aber natürlich auch Medikamente, die potenziell Nebenwirkungen haben können. Und auch da kann das MRT einen wichtigen Beitrag leisten, um die Sicherheit der Medikamente gut zu monitoren, also bestimmte Nebenwirkungen, insbesondere Infektionen im Gehirn frühzeitig erkennen zu können, um dann das Medikament absetzen zu können und ein neues Medikament anwenden zu können. Also rundherum haben wir eigentlich viel zu bieten von der Neurologie, also von der Diagnosestellung, was die prognostische Einschätzung zu Beginn der Erkrankung, dann das Effektivitätsmonitoring und dann das Sicherheitsmonitoring angeht. #00:11:53#

Nele Handwerker: Genau. Und noch mal ganz kurz, bloß jetzt mit meinem begrenzten Wissen, was ich so habe: Also wir haben ja zum einen ganz lange schon die Differentialdiagnose; wir haben dich jetzt auch mehrfach im Studium gehört und ich hatte es aber auch selber erlebt, ich hatte jetzt gerade erst ein paar Folgen vor dir eine Frau interviewt, die lief einfach eine Weile, ein paar Jahre mit der Diagnose Multiple Sklerose, weil es eben aussah wie eine MS; aber dann stellte sich raus, war eben doch nur eine, also in Anführungsstrichen, nur eine Migräne. Insofern das ist eben echt einmal total wichtig, aber das hast du ja auch betont. #00:12:28#

Prof. Dr. Mike Wattjes: Ja, das ist extrem wichtig. Also so eine falsch-positive MS-Diagnose ist natürlich etwas, dass du echt nicht haben willst, weil die Medikamente natürlich spezifisch für die MS sind und nicht für Differentialdiagnosen. Du hast jetzt Migräne gerade angesprochen als vaskuläre Erkrankung und es vergeht eigentlich kein Tag, an dem ich nicht irgendwie ein MRT unter die Nase gehalten bekomme mit der Frage: „Mike, ist es MS oder ist es vaskulär?“
Und es gibt das auch in den Niederlanden. Dort war lange die Vorsitzende der Patientenvereinigung jemand, der war MS-Patientin, jemand, die eigentlich gar keine MS hatte, also auch eine falsch-positive Diagnose gewesen. Das ist halt schon tricky und deswegen sage ich: „Nie nur auf das MRT verlassen, so seduktiv das auch ist, aber grundsätzlich immer das gesamte Bild betrachten, das erhöht die diagnostische Sicherheit.“ #00:13:22#

Ist die MRT-Untersuchung gefährlich?

Prof. Dr. Mike Wattjes: Ja, also das kann ich mit einem ganz klaren Nein beantworten. Die MRT-Untersuchung ist nicht gefährlich. Der große Vorteil im Vergleich zur CT-Untersuchung ist, dass sie nicht mit Röntgenstrahlen funktioniert.

Noch mal ganz zur Erklärung: Also CT – Computertomographie funktioniert insofern, dass man einen Röntgenstrahl hat, der um einen rumrotiert und dann wird man quasi durch diesen rotierenden Röntgenstrahl hindurchgeschoben. Und durch die Abschwächung des Röntgenstrahls wird dann das Bild rekonstruiert. Der Vorteil ist, dass das rasend schnell geht, innerhalb weniger Sekunden. Der Nachteil ist, dass man relativ schlechten Weichteilkontrast hat und dass man natürlich die Strahlenbelastung hat.

Und die letzten beiden Nachteile hat man bei der MRT-Untersuchung eben nicht. Die MRT-Untersuchung funktioniert nicht mit Röntgenstrahlen, sondern mit einem Magnetresonanzpuls. Also man wird in einen supraleitenden Magneten geschoben und man sendet einen Hochfrequenzmagnetpuls aus in den Körper, in dem Fall in das Gehirn oder in das Rückenmark, je nachdem was man untersucht. Und man regt dann Protonen an und die Protonen sind eigentlich immer bestrebt, im Ruhezustand zu bleiben. Und dadurch dass man sie anregt, versuchen sie natürlich wieder in den Ruhezustand zurückzukommen und geben dabei Energie ab. Und diese Energie misst man und dadurch rekonstruiert man das Bild.

Und natürlich hat jedes Gewebe unterschiedliche Protonen, Protonen, die an Wasser gebunden sind oder Makromoleküle, wie zum Beispiel Fette oder Eiweiße. Und auf Basis dieser Gewebekontraste kann man eben sehr schön ein Gewebekontrastbild ermitteln. Dadurch dass es ein Magnetimpuls ist, ist es für den Patienten völlig ungefährlich, weil es eben keine Röntgenstrahlung ist.

Der Nachteil ist, dass es relativ lange dauert. Also man braucht relativ viel von diesen Hochfrequenzimpulsen, um natürlich auch die örtlichen Auflösungen gut zu generieren, um verschiedene Kontraste zu generieren. Aber das macht mit dem Patienten relativ wenig. Der einzige Nachteil ist, dass es relativ lange dauert und dass die Röhre echt eng ist. Also das ist für jemand mit Platzangst wirklich kein Spaß. Und ich muss auch sagen, je älter ich werde, desto schwieriger wird es für mich, da reinzugehen.

Ich war letztens auch noch mal als Normalproband da drinnen und ich fand das gar nicht mehr so lustig. Als ich jung war, so Mitte 20, hat mir das nicht so viel ausgemacht, aber je älter ich werde, desto mehr macht mir das schon was aus. Also für jemanden, der es nicht gewohnt ist, nicht so lustig. Und für Leute, die magnetische Teile im Körper haben, wie zum Beispiel Herzschrittmacher, bestimmte Implantate, die noch magnetisch sind, teilweise ist da viel Titan, die können nicht rein, weil durch dieses starke Magnetfeld werden dann diese magnetischen Implantate heiß und können eben zu Gewebeverletzungen führen.

Deswegen muss man vorher immer gut fragen, hat man noch irgendwelche Metallsachen, insbesondere Herzschrittmacher in sich, obwohl die neuen modernen Herzschrittmacher kann man rein theoretisch auch umprogrammieren.

Das ist jetzt nicht eine absolute Kontraindikation, aber da muss man immer relativ gut eine Risikoabwägung machen. Also man muss sagen, es ist eine supersexy Untersuchung, extrem hohe Auflösung, superguter Gewebekontrast, ungefährlich, keine Röntgenstrahlen, aber es dauert halt relativ lange, es ist relativ laut auch, das muss man sagen, und für Leute mit Platzangst ist es kein Spaß, das muss man schon fairerweise sagen. #00:17:20#

Nele Handwerker: Genau, aber da kenne ich zumindest einige, die dann auch ein bisschen vom Anästhesisten was bekommen, damit sie da etwas ruhiger reingehen können. Und ja, ich musste damals die Piercings rausmachen.

Aber als ich damals bei der Nuklearmedizin in Chicago war, das ist auch noch ein anderer Schnack, da muss man auch aufpassen, ist auch ein bisschen ungesünder sozusagen, hoch spannend, aber auch ein bisschen ungesünder.

Welche Qualitätsmerkmale hat eine gute MRT-Untersuchung?

Nele Handwerker: Du hast ja schon gesagt, du bist Erstautor der weltweiten Richtlinie. Was macht eine gute MRT-Untersuchung aus? Also MRT ist nicht MRT. #00:17:57#

Prof. Dr. Mike Wattjes: Das Stichwort heißt Standardisierung. Das gilt nicht nur für die MS, sondern auch für alle Erkrankungen. Es ist gut, sich vorher darüber Gedanken zu machen, welche Gewebskontraste, also welche Pulssequenzen, Untersuchungssequenzen brauche ich eigentlich, um letztendlich die optimale Information zu generieren, um letztendlich diese Fragestellung zu beantworten, die der Neurologe und der Patient von mir wissen will.

Bei der MS ist es so, dass wir gewisse Untersuchungssequenzen haben, wo wir wissen, dass sie relativ gut diese Entmarkungsherde sichtbar machen können, zum Beispiel diese FLAIR-Untersuchungen, T2-gewichtete Aufnahmen, T1-gewichtete Aufnahmen nach Kontrastmittel. Das sind so die Basisuntersuchungen.

Und wichtig ist es halt auch, dass man immer gleich untersucht, dass man nicht irgendwie einmal so untersucht und am nächsten Tag wieder anders, weil man dann die Untersuchung nicht mehr gut vergleichen kann. Wie ich selber weiß, der Verlauf ist natürlich extrem wichtig, das heißt insbesondere, wenn man jetzt die Effektivität von den Therapien gut beurteilen will, muss man natürlich die Bilder supergut miteinander vergleichen können. In dem Moment, wo man sich nicht an diese Standardisierung hält, das heißt mit unterschiedlichen Scannern scannen, mit unterschiedlichen magnetischen Feldstärken scannen, mit unterschiedlichen Kopfspulen oder mit unterschiedlichen Sequenzen kann man diese Bilder nicht mehr im Verlauf miteinander vergleichen.

Und dann kann man letztendlich auch keine Aussage mehr treffen, ob der Patient da noch eine neue Entzündungsaktivität bekommen hat und vielleicht ein anderes Medikament benötigt. Deswegen ist Standardisierung extrem wichtig. Das gilt für viele neurologische Erkrankungen im Allgemeinen, aber für die MS wirklich auch im Speziellen. Und das ist auch etwas, was mir extrem am Herzen liegt und bin auch sehr froh und stolz, dass wir mit diesen MAGNIMS-CMSC-Empfehlungen, die du gerade erwähnt hast, einen guten Beitrag geleistet haben oder haben leisten können, um das weltweit in die richtigen Bahnen zu leiten. #00:20:02#

Nele Handwerker: Ja, und vielleicht, um es mal so ganz plastisch runterzubrechen, ist es halt so, wenn ich schauen will, altere ich und einmal malt mich van Gogh und das nächste Mal malt mich Picasso, wenn ich es nicht standardisiert habe, dann kann ich da irgendwie keine Unterschiede sehen, weil das ist dann echt, ja schwierig… #00:20:17#

Prof. Dr. Mike Wattjes: Ja, das ist ein guter Vergleich, das ist echt ein guter Vergleich, weil unterschiedliche Maler verwenden unterschiedliche Kontraste und genauso hast du es letztendlich auch, wenn du das Untersuchungsprotokoll veränderst. Das ist ein extrem guter Vergleich und so ist es am Ende des Tages auch. Der Bildeindruck ist halt ein ganz anderer, ne. #00:20:35#

Was sind T1, T2 und Flair-gewichtete Sequenzen?

Nele Handwerker: Genau, jetzt hast du schon die wichtigen Stichworte auch gesagt: T1, T2, FLAIR. Viele von uns bekommen ja auch eine gewisse Art von Auswertung, aber es ist natürlich schwer, für den normalen Durchschnitts-MS-Patienten zu verstehen, was damit gemeint ist. Kannst du da vielleicht noch mal ein bisschen näher darauf eingehen, was in diesen verschiedenen Sequenzen gezeigt wird? #00:20:55#

Prof. Dr. Mike Wattjes: Ja, genau, an diesen FLAIR-Sequenzen und in den T2-gewichteten Sequenzen, da sind diese Entmarkungsherde hell, also weiß. In den T1-gewichteten Sequenzen können Sie Kontrastmittel anreichern oder nicht Kontrastmittel anreichern, also den gleichen Kontrast haben wie jetzt normal erscheinende weiße Substanz oder dunkler sein, je nachdem, wie weit die Entmarkung schon fortgeschritten ist. Und der Vorteil dieser sogenannten FLAIR-Sequenz ist, dass die Entmarkungsherde hell sind und der Liquor dunkel. Also das Nervenwasser ist dunkel und wir wissen, dass viele Entmarkungsherde bei der Multiplen Sklerose relativ dicht an den Ventrikeln, sich also an den Hirnnervenkammern befinden, aber eben auch dicht an der kortikalen grauen Substanz, auch da wieder relativ nah am Hirnnervenwasser. Und dadurch dass das Hirnnervenwasser dunkel ist und dass der Entmarkungsherd weiß, sehen wir einfach oder haben einen sehr guten Kontrast, also sehr guten Gewebekontrast zwischen der Entmarkung und dem gesunden Hirn und dem Hirnnervenwasser. Dadurch können wir in dieser FLAIR-Sequenz extrem sensitiv diese Entmarkungsherde sichtbar machen und das ist, muss ich schon sagen, das ist unser Arbeitspferd für die Diagnostik.

Früher war es so, dass man nur zweidimensional scannen konnte, also man hat Schicht über Schicht über Schicht über Schicht gescannt. Heutzutage machen wir dreidimensionale Datensätze, haben quasi einen Volumendatensatz und können dann in beliebige Richtung uns die Bilder angucken und rekonstruieren und uns damit die Entmarkungsherde nochmal genauer angucken und dadurch die diagnostische Sicherheit noch weiter erhöhen. #00:22:40#

Warum ist eine MRT-Untersuchung vom Rückenmark wichtig, aber auch schwierig?

Nele Handwerker: Sehr gut. Genau. Wie ist das denn, welche Empfehlung gibt denn die MAGNIMS-Vorgabe, -Richtlinie, wenn es darum geht, das Rückenmark zu scannen? Und warum ist es so schwierig, das Rückenmark zu scannen? #00:22:53#

Prof. Dr. Mike Wattjes: Ja, das ist eine total gute Frage. Also der Feind der MS-Tomografie ist Bewegung. Wenn man im CT drin liegt, das geht so rasend schnell, dass man gar keine Chance hat, sich zu bewegen, außer man ist wirklich stockbetrunken oder man bewegt sich, da sieht man es. Aber bei kleineren Bewegungen, das geht halt so schnell, dass die Bewegung eigentlich fast gar nicht ins Gewicht fällt. Das ist bei einer Untersuchung, die relativ lange dauert, wie beispielsweise die MR-Tomografie, natürlich ein anderer Schnack. Wenn du da jetzt 20 Minuten, 30 Minuten drin liegst, dann hast du halt schon ein bisschen Zeit, dich zu bewegen auch kleinere Bewegungen und das ist halt schon sehr bewegungsanfällig und das drückt dann sehr stark auf die Bildqualität. Jetzt sprechen wir nur über die Bewegung des Patienten, die du ja zum gewissen Grad selber beeinflussen kannst, aber es ist halt auch relativ viel Bewegung in deinem Körper, was du überhaupt nicht beeinflussen kannst: Dein Herz pulsiert, deine Gefäße pulsieren und dein Liquor pulsiert auch, also das Hirnnervenwasser pulsiert.

Das ist im Gehirn nicht so schlimm, weil das Herz relativ weit weg vom Gehirn ist. Der Liquor schlummert da schön an den Hirnnervenkammern, man sieht so ein bisschen die Pulsation, aber das wirkt sich kaum auf das Hirn-MRT aus. Und das ist im Rückenmark echt anders, weil das Rückenmark halt in relativer Nachbarschaft vom Herzen liegt. Die großen Gefäße sind in direkter Nachbarschaft, also die Hauptschlagader, die Aorta. Das heißt, da pulsiert alles drum herum. Und vor allen Dingen der Liquor pulsiert auch, also das Hirnnervenwasser pulsiert hoch und runter und deswegen ist es extrem schwierig gute Rückenmarksbilder zu bekommen. Und man muss auch sagen, das Rückenmark ist schon ein relativ kleines Organ, das ist ungefähr so dick wie der Daumen. Das heißt, wenn du da jetzt bei so einem kleinen Gewebe schon durch Pulsation Artefakte hast, dann wird es halt supertricky, das Gewebe überhaupt gut darzustellen.

Und deswegen ist es auch schwierig, Rückenmarksbilder gut zu interpretieren. Und die Chance, dass du etwas falsch-positiv oder falsch-negativ interpretierst, ist relativ hoch. Und das Tragische daran ist, dass das Rückenmark halt so wahnsinnig wichtig ist für die MS, weil es nicht nur für die Diagnose wichtig ist, steht ja auch eine Diagnose richtig nicht drin, aber eben auch im Krankheitsverlauf extrem wichtig ist am präventiven Faktor für Behinderungsprogression.

Wir wissen, dass Patienten, die in die progressive MS-Phase kommen, so eine Art Akzeleration, also rapide Zunahme haben von Entmarkungsherden im Rückenmark. Und das ist so tragisch, dass das Rückenmark so wichtig ist für die Erkrankung, aber wir werden es total schwierig haben, die Bilder so gut zu machen, um sie gut zu beurteilen. Das war früher verrückterweise noch einfacher, als die Magnetfeldstärken noch geringer waren, aber man hat so den Eindruck, je stärker die Gradienten und je höher die Feldstärke, desto schwieriger wird es, gute Rückenmarksbilder zu machen. Das ist so ein bisschen so ein Dilemma, was wir haben. Also wir brauchen extrem gute Rückenmarksbilder, aber es ist extrem schwierig, gute Rückenmarksbilder zu akquirieren.

Und das ist auch der Grund, dass wir uns entschieden haben, für das Monitoring uns hauptsächlich auf das Gehirn zu konzentrieren und nicht auf das Rückenmark. Also wenn man ein gutes Rückenmarksprotokoll hat und man hat einen guten Neurologen, der genau weiß, wonach er guckt, kann man das gerne machen, aber die Chance für falsch-positive und falsch-negative Resultate ist halt relativ hoch und das Letzte, was man will, ist eben auf Basis von falsch-positiven oder falsch-negativen Resultaten eine Behandlungsentscheidung zu treffen. Deswegen haben wir gesagt: „Lieber vorsichtig mit dem Rückenmark und sich hauptsächlich für das Monitoring auf das Gehirn konzentrieren.“ #00:26:48#

Ist das Kontrastmittel gefährlich?

Nele Handwerker: Genau, jetzt hat man früher ja relativ oft und viele Kontrastmittel gegeben. Ich weiß auch, dass ich mir jedes Mal vorher den Kreatininwert bestimmen lassen musste. Wie gefährlich ist denn das Kontrastmittel und wie wichtig ist es für Diagnose beziehungsweise dann auch Verlaufsuntersuchung? #00:27:07#

Prof. Dr. Mike Wattjes: Ja, generell muss man sagen, das Kontrastmittel ist sehr ungefährlich. Also noch mal, einmal ganz kurz, noch mal auch noch als Vergleich zum CT. Beim CT haben wir jodhaltiges Kontrastmittel. Das kann auch Schwierigkeiten machen mit der Schilddrüse, weil die Schilddrüse auf das Jod angewiesen ist und das ist relativ allergen, das jodhaltige Kontrastmittel. Also da gibt es ab und an mal allergische Reaktionen.

Das Kontrastmittel für das MRT ist ein anderes Kontrastmittel, weil wir ein Kontrastmittel brauchen mit magnetischen Eigenschaften. Und da benutzt man das sogenannte Gadolinium und Gadolinium ist ein Schwermetall, eine seltene Erde. Und das Gadolinium selbst ist wie jedes Schwermetall hoch toxisch. Also wenn du dir jetzt das Gadolinium so in elementarer Form in die Adern spritzen würde, dann würdest du echt Probleme kriegen. Und um diese Probleme zu minimieren oder vollständig zu beseitigen, ist das Gadolinium in einem sogenannten Chelatkomplex gebunden, das heißt, es ist an eine Molekülstruktur gebunden, so dass es nicht entweichen kann.

Das heißt, wenn wir jetzt dieses Kontrastmittel spritzen, bleibt das Gadolinium in diesem Chelatkomplex drin und wird so wieder über die Niere ausgeschieden. Jetzt gab es früher zwei verschiedene Chelatkomplexe, einmal das makrozyklische und das lineare. Und es ist halt rausgekommen, dass dieser lineare Chelatkomplex dieses Gadolinium, die Schwermetalle nicht so superstabil binden kann, dass es schon zum gewissen Grad aus diesem Chelatkomplex entweichen kann und sich dann im Gehirn ablagern kann. Und das ist natürlich etwas, was du nicht haben willst, weil so ein Schwermetall im Gehirn ist nicht gut, also Schwermetall im Körper ist im Allgemeinen nicht gut und das Problem mit dem Gehirn ist, das Gehirn ist ein sogenanntes tiefes Kompartiment. Das heißt, wenn du da ein Schwermetall akquirierst, das kriegst du dein Leben lang nicht mehr raus.

Und da haben die Zulassungsbehörden relativ schnell reagiert und haben gesagt: „Verwendet bitte dieses lineare Kontrastmittel nicht mehr, sondern nur noch das makrozyklische.“ Und das Makrozyklische ist so stabil, das heißt dieses Gadolinium so fest, dass es eigentlich nicht mehr entweichen kann oder zu einem ganz, ganz, ganz, ganz, ganz, ganz, ganz geringen Teil noch immer, aber das ist wirklich verschwindend gering. Also das Kontrastmittel ist immer noch sicher und auch sehr sicher.

Allerdings hat mal ein ganz berühmter niederländischer Fußballspieler, Johan Cruyff, gesagt: „Jeder Nachteil hat auch seinen Vorteil.“ Also der Nachteil dieser ganzen Hysterie um diese Ablagerung vom Gadolinium in einer tiefengrauen Substanz hat dazu geführt, dass man jetzt mal gut darüber nachgedacht hat: „Na ja, brauche ich das Kontrastmittel eigentlich immer“. Ich habe ja jetzt das zweite Mal die MRT-Richtlinie geschrieben. 2015 habe ich das auch aufgeschrieben und da haben wir relativ kritiklos gesagt: „Benutzt das Kontrastmittel eigentlich immer für das Follow-up.“ Und jetzt bei den 2021-Empfehlungen haben wir uns noch mal ganz tief in die Augen geguckt und haben gesagt: „Na ja, brauchen wir es wirklich immer?“ Und die Antwort ist: Nein, wir brauchen es eigentlich gar nicht immer. Für die Diagnose brauchen wir es auf jeden Fall, aber für das Follow-up brauchen wir es eben sehr, sehr häufig nicht. Wir können gut drauf verzichten, weil wir mit den T2- und FLAIR-Sequenzen eben diese neuen Entmarkungsherde auch relativ gut sichtbar machen können.

Also wir müssen nicht unbedingt gucken, ob es Kontrastmittel anreichert oder nicht. Und die einzige Information, die uns das Kontrastmittel gibt, ist letztendlich nur, ob die Blut-Hirn-Schranke gestört ist. Also das ist das Einzige, was es tut. Deswegen haben wir gesagt: „Für viele Indikationen brauchen wir das Kontrastmittel nicht, wir können das einsparen“, und das hat dazu geführt, dass jetzt so eine Art Umdenken stattfindet und restriktiver mit dem Kontrastmittel umgegangen wird. Und wir haben das jetzt bei uns, aber auch bei vielen anderen Kliniken auf 20-30 % eingekürzt.

Das heißt nicht, dass man es nicht mehr verwenden soll. Es gibt genügend Indikationen, wo man das noch verwenden kann und weil es eben sehr ungefährlich ist, dann auch verwenden sollte. Aber generell soll man sich immer gut drüber nachdenken: Brauche ich es oder brauche ich es nicht? Und das ist häufig auch eine interdisziplinäre Entscheidung mit Neurologie und Neuroradiologie, wo man dann guckt, brauche ich es oder brauche ich es nicht. Wobei man sagen muss, dass die Endverantwortung, ob das Kontrastmittel gegeben wird oder nicht, immer beim Neuroradiologen liegt, weil der natürlich die Untersuchung durchführt. Aber in einer Klinik arbeitet man ja zusammen und überlegt auch zusammen oder entscheidet, braucht man es oder braucht man es nicht; und wie gesagt, in vielen Fällen braucht man es eben nicht. #00:32:01#

Nele Handwerker: Ja, bei mir wurde es auch die ganzen letzten Male nicht mehr genommen, aber im Prinzip, du hast es schön erklärt. Ich mache es mal wieder mit einem trotzdem noch mal einem einfacheren Bild. Also das Gadolinium wurde sozusagen altherkömmlich in diese Bubble-Tea-Dinger eingebettet: Da konnte es immer noch mal ab und zu raus und das andere, was heute verwendet wird, ist aber mehr so ein Flummiball, der wirklich hart ist. Und da kommt es eigentlich fast nie raus. #00:32:25#

Prof. Dr. Mike Wattjes: Ganz richtig, also da kommt es so gut wie nie raus. Den Flummiball gab es eigentlich schon immer oder ganz, ganz lange. Aber du konntest halt früher wählen, nehme ich das Lineare oder ich nehme den Gummiball. Und jetzt haben wir eben nur noch den Gummiball, ist auch prima so, und das haben jetzt auch die Zulassungsbehörden ganz klar so festgelegt. #00:32:45#

Was sieht man auf der MRT bei Multipler Sklerose?

Prof. Dr. Mike Wattjes: Ja, es ist die Frage ja, wie intensiv man sich damit auseinandersetzt. Also bei der MS sieht man eben diese klassischen Entmarkungsherde in der weißen und in der grauen Substanz. Es ist glaube ich auch noch mal ganz wichtig, sich zu realisieren, dass MS ja keine reine Erkrankung der weißen Substanz ist, so wie ich das in meinem Studium gelernt habe. Sondern es ist auch eine Erkrankung der grauen Substanz, also da, wo die Zellkerne sind. Also nicht nur, wo die Myelinscheiden sind, sondern auch, wo die Zellkerne sind. Das ist ganz wichtig. Wir wissen auch, dass die graue Substanz Pathologie, also die Entmarkungsherde der grauen Substanz extrem wichtig sind für die Erkrankung, auch gewisse klinische Manifestationen gut erklären zu können, also zum Beispiel kognitive Veränderungen, also Gedächtnisveränderungen zum Beispiel.

Wir können einfach das Ausmaß der Entzündung relativ gut sichtbar machen, also wo hat Entzündung stattgefunden? Im Rückenmark? Im Gehirn? Wo im Gehirn? Wo im Rückenmark? Im Sehnerv vielleicht noch?
Wir können sehen, wie stark die Entzündung ist, zum Beispiel mit dem Kontrastmittel. Ich hatte ja gesagt, dass ein gesundes Gehirn kein Kontrastmittel anreichert. Das liegt daran, dass der Blutfluss oder die Blutgefäße vom Gehirn oder vom Hirngewebe getrennt sind. Das wäre die sogenannte Blut-Hirn-Schranke. Und in dem Moment, wo die Blut-Hirn-Schranke nicht mehr intakt ist, kann eben das Kontrastmittel aus dem Blutgefäß austreten und sich im Hirngewebe ablagern. Und das ist genau das, was man bei der Multiplen Sklerose eben auch manchmal sieht, dass die Blut-Hirn-Schranke nicht mehr intakt ist. Und das liegt eben daran, dass die Entzündung so stark ist, dass die Blut-Hirn-Schranke nicht mehr funktioniert und sich dann Kontrastmittel ablagern kann. Und das ist dann für uns immer ein Hinweis, dass es doch zu einer relativ starken und fluiden Entzündung gekommen ist. Also dieses Ausmaß und die Intensität der Entzündung können wir dann nachweisen.

Wir können auch gut gucken, na ja, gibt es schon neurodegenerative Effekte, also hat das Gehirn schon an Volumen eingebüßt. Wir können auch gucken, betrifft dieser Volumenverlust mehr die graue Substanz, mehr die weiße Substanz, mehr das Gehirn, mehr das Rückenmark. Auch das können wir machen.
Wir können auch diese Entmarkungsherde näher charakterisieren. Es gibt so chronisch entzündliche Entmarkungsherde, die am Rand sehr destruktiv sind, also sich in das Gewebe einfressen und in der Mitte eigentlich inaktiv sind: Das nennt man dann chronisch aktiven, inaktiven Läsionen, die sehr destruktiv sind und sich nicht mehr erholen können, nicht mehr remyelinisieren können, kennen wir auch insbesondere bei progressiven MS-Verläufen, also die Destruktivität der Entmarkung können wir mit dem MRT relativ gut nachweisen.

Ja, wir können auch das auf mikrostruktureller Ebene nachweisen, mit eher quantitativen MRT-Methoden. Wir können gucken, kann sich das Gehirn in gewisser Weise erholen? Kann sich die Entmarkung wieder zurückbilden? Also kann sich das Myelin wieder regenerieren, Stichwort Remyelinisierung. Wir können aber auch mit funktioneller MRT Netzwerkaktivität im Gehirn nachweisen. Das heißt, dass Netzwerkaktivität erhöht ist, beispielsweise im Rahmen von einer Schädigung des Gehirns, wodurch bestimmte Netzwerke eben gewisse kompensatorische Mechanismen anwerfen müssen. Also wir haben total viele Werkzeuge in der Hand von der konventionellen Bildgebung, wie du sie kennst und viele andere MS-Patienten auch bis zur Volumetrie, um die Atrophie vom Gehirn zum Rückenmark abzubilden, bis hin zur mikrostrukturellen MRT um sogar neuronalen Reparaturmechanismen darstellen zu können. #00:36:44#

Ist die Messung von Atrophie, sprich dem Gehirnvolumenverlust, in der klinischen Routine sinnvoll?

Prof. Dr. Mike Wattjes: Na ja, generell steckt in der Atrophie extrem viel Information und Musik. Wir wissen eben, dass Atrophie zu Beginn der Erkrankung einen relativ stark prädiktiven Wert hat, also einen Vorhersagewert, was Behinderungsprogression angeht und Krankheitsprogression im Allgemeinen. Ja, wir können eben auch diese Akzeleration der Atrophie, also diese rapide Zunahme der Atrophie, insbesondere in späteren Krankheitsstadien relativ gut nachweisen und wir können auch Therapieeffekt nachweisen. Wir wissen, dass ganz, ganz, ganz viele Therapien eben diese Atrophie verlangsamen können im Vergleich zu Placebo. Also das können wir relativ einfach zeigen, das ist in der Phase 2 und Phase 3 klinischer Studien auch relativ dokumentiert.

Das Problem in der klinischen Routine ist dreifach. Das erste Problem ist, dass wenn du Atrophie messen willst im Verlauf, musst du wirklich hundertprozentig standardisieren. Das heißt, du darfst echt keine Millisekunde an Repetitionszeit oder Echozeit manipulieren, musst immer die gleiche Spule benutzen, du musst immer das gleiche Sequenzprotokoll benutzen, du musst immer das gleiche Gerät benutzen, sonst kannst du Baseline- und Verlaufsuntersuchung nicht mehr miteinander vergleichen. Und das ist in der klassischen Routine in Deutschland leider echt ein Problem, weil wir extrem flexibel sein müssen. Wir haben nicht immer jeden Tag alle Geräte zur Verfügung. Das heißt, es ist echt nicht immer einfach, den Patienten immer auf dem gleichen Gerät mit dem gleichen Protokoll zu scannen. Also die Standardisierung ist notwendig und essenziell, sonst können wir mit den Daten nichts anfangen; das ist Limitation Nummer eins.

Limitation Nummer zwei ist, dass das Volumen des Gehirns nicht nur durch Verlust von Nervenzellen beeinflusst wird, sondern auch von vielen anderen Faktoren, auf die wir nur bedingt Einfluss haben: Normales Älterwerden des Gehirns, Lifestyle-Faktoren; habe ich viel getrunken, habe ich Alkohol getrunken, rauche ich, habe ich einen bestimmten APOE-Status (Alzheimer) und Gott weiß das alles. Und auch selbst MS-Medikamente greifen zum gewissen Grad ja in den Flüssigkeitshaushalt des Gehirns ein, im Sinne von unterdrücken die Entzündung. Dadurch verschwindet entzündungsrelatiertes Wasser aus dem Gehirn. Auch das kann einen Effekt auf das Hirnvolumen haben. Also mit anderen Worten, die Interpretation dieser Daten ist extrem schwierig in einer klinischen Routine, weil es manchmal gar nicht so einfach ist, zu unterscheiden, ist es jetzt reelle Atrophie im Sinne von Absterben von Nervenzellen. Oder es ist vielleicht auch sehr stark beeinflusst von irgendwelchen Lifestyle-Faktoren oder Medikamenten, die da mitspielen. Das ist Limitation Nummer zwei.

Limitation Nummer drei ist die Konsequenz daran zu verbinden. Also es gibt letztendlich keinen Cutt-off-Wert, der dir als Neurologe sagt, na ja, dann eskaliere ich die Therapie von Medikament A zu Medikament B und keiner sagt: „Das ist der richtige Zeitpunkt, um letztendlich diese Entscheidung zu treffen.“ Und diese drei Faktoren oder diese drei Limitationen, die ich jetzt gerade versucht habe, zu erklären, haben es verhindert, dass die Atrophie Eingang gefunden hat in der klinischen Routine als Marker der individuellen Krankheitsprogression. Das ist extrem schade, aber das ist so und ich hoffe, dass sich das in den nächsten Jahren ändern wird. Aber es ist echt schwierig, das muss man ganz klar sagen. #00:40:27#

Nele Handwerker: Ich finde es immer ganz spannend, ich meine dadurch dass ich im MS-Zentrum in Dresden bin und da sehr viel geforscht wird, wird es bei mir auch untersucht. Nur bin ich dann immer ganz entspannt. Ich denke mir, okay, ich bin auf dem niedrigsten Level Therapie und so, aber bei mir wird halt geguckt Neurofilamente und Gehirnvolumen und alles Mögliche. Und dann denke ich mir, okay, alles gut. Es fühlt sich nicht nur nach Stillstand an, da ist Stillstand. Weil wenn man halt natürlich diese verschiedenen Faktoren zusammennimmt und betrachtet, gemeinsam mit der App, die mich im täglichen Leben trackt und sozusagen die Vielfalt an Untersuchungsmethoden zusammenbringt zu einem Gesamtbild. #00:41:04#

Prof. Dr. Mike Wattjes: Ja, das ist richtig, aber das muss man schon sagen, diesen Service hat halt nicht jeder, das muss man auch ganz klar realisieren. Also wenn man in der Praxis angebunden ist und auch in der Radiologiepraxis. Die Radiologiepraxis hat ungefähr 15-20 Minuten Untersuchungszeitraum, um wirtschaftlich arbeiten zu können, da ist für Schnickschnack kein Platz, das muss man ganz klar sagen. Und die ganzen volumetrischen Sachen, auch die quantitativen Sachen im Allgemeinen werden nicht vergütet oder finanziell adäquat abgebildet. Das ist auch der Grund, warum sie in der klinischen Routine noch nicht eingesetzt werden können. Also wie gesagt, im Research-Setting schon, aber in der klassischen Routine eben nicht. Und das ist sehr schade, muss man sagen. #00:41:43#

Nele Handwerker: Ja. Also hoffentlich wird das dann irgendwann mal von Vorreiterrolle zur breiten Masse übergehen.

Was gibt es für quantitative MRT-Techniken und wann kommen sie zum Einsatz?

Prof. Dr. Mike Wattjes: Ja, also es gibt ganz, ganz, ganz, ganz, ganz viele quantitative MRT-Techniken. Also man kann zum Beispiel Diffusion von Wassermolekülen, also von Protonen messen im Gehirn und dann gucken, wie verändert sich die Diffusion. Im Gehirn ist es ja so, dass die Diffusion sich nur entlang der Myelinscheiden bewegen kann, weil das Wasser ja nicht durch Myelinscheiden durchdiffundieren kann. In dem Moment, wo sich diese, wir nennen das anisotrope Diffusion, also die Diffusion entlang der Myelinscheiden ändert, kann das ein Hinweis sein, dass die Myelinscheiden eben geschädigt sind, oder wenn die anisotropen Diffusionen wieder zunehmen, können wir sagen, dass sich die Myelinscheide wieder erholt. Wir können unterschiedliche Relaxationszeiten messen von unterschiedlichen Protonen, die mehr myelingebunden sind, also mehr markscheidengebunden sind oder mehr frei durch die Gegend schwimmen und dadurch gucken, ist das Myelin in Takt oder erholt sich das Myelin wieder.

Mit der funktionellen Bildgebung können wir eben gucken, wie sind diese Netzwerke im Gehirn, funktionieren die gut, sind gewisse Netzwerkaktivitäten erhöht als möglichen Kompensationsmechanismus.
Spektroskopie können wir machen, um gewisse Metaboliten im Gehirn zu quantifizieren. Wir wissen, dass gewisse Metaboliten sich in neuronalen Zellen befinden, das heißt, wenn die Konzentration absinkt, kann das ein Hinweis sein, dass die neuronalen Zellen geschädigt sind. Gewisse Metaboliten sind erhöht bei gliotischen Reaktionen, dass Inositol zum Beispiel, das ansteigt, kann auf eine gliale Reaktion hindeuten.
Also wir haben da relativ viele Möglichkeiten; wir können Relaxationszeiten messen, T1, T2 auch dann gucken, na ja, ist es ein Hinweis auf einen neuronalen Reparaturmechanismus. Da ist aber noch nicht so richtig der Weisheit letzter Schluss, sondern welche Methode für welche Indikation die beste ist, insbesondere auch, was jetzt die Reparaturmechanismen betrifft; da werden wir sicherlich noch ein bisschen arbeiten können. Aber das Handwerkszeug haben wir schon in petto. #00:44:16#

Nele Handwerker: Sehr gut, genau. Da hatten wir auch schon ein paar spannende Vorlesungen und ich hatte hier auch mal Ines Pereira von der FAMRI-Studie zu Gast zum Thema Fatigue, die auch funktionelle MRT-Aufnahmen nutzen. Das war auf jeden Fall auch ganz spannend. Und an dich da draußen: Wann immer du vielleicht an solchen klinischen Studien teilnehmen kannst, wo du noch ein bisschen mehr erfährst, mach das, schlag zu und sag „Ja, möchte ich gerne“, wenn du gefragt wirst; ist immer spannend und hilft der Wissenschaft.

Verabschiedung

Welche Entwicklung im Bereich der MRT bei MS wünschst du dir in den kommenden 5 Jahren?

Prof. Dr. Mike Wattjes: Ja, ich sage mal so, Innovation wünsche ich mir gar nicht so sehr, weil wir das eigentlich schon in den letzten Jahren gut erreicht haben. Was ich mir wünsche, ist, dass wir die Innovation, die wir in den letzten Jahren etabliert haben, auch endlich mal in der klinischen Praxis einsetzen können, und dass diese letztendlich auch von den Krankenkassen oder vom Vergütungssystem abgebildet werden, weil wir dadurch dann das Monitoring der Patienten noch individueller und noch genauer gestalten können. Das ist, glaube ich momentan das, was mir am meisten am Herzen liegt, dass unser Gesundheitssystem uns die Möglichkeiten gibt, die PS auf die Straße zu bringen, die wir eigentlich schon längst unter der Motorhaube haben.

Denn das ist ein bisschen frustrierend, weil man so ein bisschen ohnmächtig ist, wenn man es selber nicht beeinflussen kann. Man kann probieren, sein eigenes Fach weiterzuentwickeln. Aber die Möglichkeit, das anzuwenden, das ist halt eine große gesundheitspolitische Frage. Und da bin ich jetzt als simpler Neuroradiologe ein bisschen ohnmächtig. Also das wünsche ich mir, dass wir einfach die Freiheit und die Möglichkeiten haben, die individuellen Untersuchungen von Patienten in die klinische Routine zu implementieren. #00:46:04#

Nele Handwerker: Das wäre schön, ja. Und wenn man es mal ganz schnöde auch nur finanztechnisch betrachtet, wir MS-Patienten sind in der Regel jung bei der Diagnose. Falls wir nicht gut behandelt werden, fallen wir als Steuerzahler aus, können nicht mehr arbeiten, zahlen nicht mehr ins System ein. Eigentlich würde sich das ja total lohnen, davon abgesehen sind wir auch noch absolut reizende Menschen. Na ja, hoffen wir mal, dass da einiges passiert.

Wo findet man mehr Informationen zur MRT und interessanter Forschung bei MS?

Prof. Dr. Mike Wattjes: Ja, also die klassischen Plattformen, also die KKNMS zum Beispiel, die DMSG. Man kann sich bei den Firmen informieren, die Geräte herstellen, Fachgesellschaften, die DGN ist sehr aktiv. Die Leitlinien haben jetzt auch relativ viel die Bildgebung implementiert. Bei der deutschen Gesellschaft für Neurologie gibt sehr viele Informationen. Die MAGNIMS-Plattform, von der ich gerade sprach, gibt relativ viele Informationen. Also da gibt es sehr viele Möglichkeiten, sich sehr gut zu informieren, und einfach mal jemanden fragen. Wenn man erst mal eine Frage hat an Experten, einfach mal eine E-Mail schreiben und sagen: „Hey Mensch, erklär mir das doch mal, wie es funktioniert oder erklär mir doch mal, was soll ich jetzt machen.“ Also ganz wichtig ist es, einfach auf die Leute zugehen und nicht den Kopf in den Sand stecken, sondern sich extrem gut, ja metakognitiv nicht nur mit sich selbst, sondern mit Erkrankung, mit den Möglichkeiten auseinandersetzen, weil Informationen gibt es sicherlich genug. #00:47:36#

Nele Handwerker: Und das hilft einem auch total aus der Ohnmacht raus, finde ich. #00:47:40#

Prof. Dr. Mike Wattjes: Ja, richtig, genau. #00:47:41#

Vervollständige den Satz "Für mich ist die Multiple Sklerose..."

Prof. Dr. Mike Wattjes: Ja, eine der spannendsten neurologischen Erkrankungen überhaupt und ein sehr, sehr gutes Beispiel, wie sich die Neurologie weiterentwickeln kann und weiterentwickelt hat. Wenn man bedenkt, dass die MS vor 20 Jahren so gut wie noch gar nicht zu behandeln war und wenn man bedenkt, wie wir auch mithilfe der Industrie, das muss man fairerweise sagen, es geschafft haben, die Multiple Sklerose von einer Erkrankung, die früher mit Siechtum und Behinderung in Verbindung gebracht worden ist, zwar nicht zu heilen, aber die Patienten so gut zu behandeln, dass sie sehr, sehr gut durchs Leben kommen können. Und ich sage mal das Beispiel von einem sehr, sehr, sehr guten Freund von mir, der ist selbst Neurologe und Psychiater, der hat auch MS, wird effektiv behandelt und der Mann läuft schneller und länger. Also wir joggen immer regelmäßig, und der Mann spielt um Meilen besser Tennis als ich. Das ist so ein Beispiel, dass wir wirklich extrem große Fortschritte gemacht haben. Und da ist die Multiple Sklerose wirklich ein fantastisches Beispiel für Innovation, nicht nur in der Diagnostik und dem Monitoring, aber auch, was Therapieentwicklung betrifft. Und das macht diese Erkrankung so wahnsinnig spannend und ich merke auch, dass die Patienten extrem dankbar sind, nicht nur, was die Diagnostik betrifft, sondern insbesondere die Therapie. Also ich denke, dass die MS ein gutes Beispiel ist, wo sich Neurologie im Allgemeinen in den nächsten Jahren hinbewegen kann. #00:49:35#

Möchtest du den Hörerinnen und Hörern noch etwas mit auf dem Weg geben?

Prof. Dr. Mike Wattjes: Ja, also ich kann Ihnen nur mit auf den Weg geben. Beschäftigen Sie sich mit dieser Erkrankung, sofern Sie diese Erkrankung haben. Und seien sich darüber im Klaren, Sie sind nicht alleine. Und denken Sie immer daran, Sie haben eine Erkrankung oder die neurologische Erkrankung, die man vielleicht noch mit am besten behandeln kann. Also Sie sind nicht alleine mit Ihrem Schicksal. Das ist sicherlich eine Diagnose, die keiner gerne hat. Aber wir haben supergute diagnostische Möglichkeiten, das MRT ist eine davon. Ich habe heute probiert, Werbung für unser Fach zu machen und hier so ein bisschen ein Beispiel zu geben, was wir können. Und wir als Fach Neuroradiologie werden alles dafür tun, um Ihnen zur Seite zu stehen und Ihnen zu helfen.

Und aber Sie haben eben nicht nur uns, sondern Sie haben auch fantastische Neurologen mit extrem guten diagnostischen Werkzeugen, mit neuen Werkzeugen, du hast gerade Serum NfL genannt, es kommen immer wieder neue Marker dazu, um das Erkrankungsgeschehen gut zu monitoren, und wie gesagt, diese unglaubliche Entwicklung auf dem therapeutischen Sektor mit immer neuen Medikamenten, jetzt auch zum Beispiel die BTKIs, die jetzt an die Tür klopfen.

Also wie gesagt, die MS ist keine Diagnose, die man gerne hat, aber Sie haben mit diesen Möglichkeiten, die wir Ihnen heute an die Hand geben können, viel, viel, viel, viel mehr Möglichkeiten als noch vor 10-15 Jahren und Sie haben gute Chancen, relativ gut durchs Leben zu kommen, nicht alle, aber sehr, sehr, sehr viele. Und ich kann Ihnen nur raten: Nutzen Sie diese Chance! Und ich persönlich und viele andere Kollegen tun alles dafür, um Ihnen dabei zu helfen, und das werden wir auch in Zukunft weiter tun. #00:51:39#

Nele Handwerker: Genau. Vielen Dank dafür natürlich an dich, an die Leute, mit denen du zusammenarbeitest weltweit. Es ist ja auch ein großer Vorteil für uns, dass es einfach eine Erkrankung ist, die in der westlichen Welt stark verbreitet ist, die junge Erwachsene betrifft. Und es ist großartig und ich finde genau diese BTK-Inhibitoren, die du angesprochen hast, superspannend und das geht ja weiter: Also ich meine, da wird ja auch geschaut, wie kann man wieder Myelin reparieren. Es wird ja in allen Bereichen geschaut. Also ganz, ganz spannend, ganz, ganz großartig und ich finde auch, absolut im Positiven sollte man sich immer von der MS nehmen, dass man sagt, okay, man konzentriert sich mehr auf seine eigenen Ziele und versucht, vielleicht nicht immer nur anderen Leuten zu gefallen.

Ansonsten sollte man sich drüber freuen, was es alles für Möglichkeiten gibt, damit umzugehen. Und da ist es wichtig, die Krankheit anzunehmen und zu sagen: „Ja, okay, ich habe die und jetzt gucke ich mal, wie es genau bei mir aussieht und dann mache ich das Beste draus.“ Und das ist für ganz viele Menschen ein sehr positiver Weg.

Lieber Mike, vielen Dank für den Einblick! Vielen Dank auch für die einfachen Erklärungen, übrigens lustig, mir fiel ein Wort noch auf, was aus deiner Amsterdamzeit geblieben ist, das mit dem „Lecker“, das heißt so viel wie gut. Wir waren mit meinem Mann, da waren wir noch nicht verheiratet, in Namibia und da ist ja auch viel Einfluss durch die holländische Sprache und da hieß es immer abends „lekker slaapt“, also guten Schlaf, das fand ich vorhin sehr schön. In diesem Sinne vielen, vielen Dank. Tschüss! #00:53:03#

Prof. Dr. Mike Wattjes: Sehr gerne. #00:53:03#

Bis bald und mach das Beste aus Deinem Leben,

Nele

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