Heute habe ich Franzi zu Gast im Interview. Sie erhielt die Diagnose Multiple Sklerose zusammen mit dem Hinweis besser nicht Krankenpflegerin zu werden. Doch Franzi ist ihren Weg gegangen und hat sich davon nicht beirren lassen. Finde ich gut. Im Interview sprechen wir über ihren bisherigen Weg mit der Erkrankung, Pseudoschübe, Reha und emotionale Hürden. Eine Mutmachgeschichte weiter seinen Weg zu gehen und lieber zu schauen, welche Unterstützung oder Umwege dafür nötig sind, statt die eigenen Träume aufzugeben.
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Inhaltsverzeichnis
Vorstellung
Ich bin 25 Jahre alt und stamme aus Schleswig-Holstein. Derzeit wohne ich in Schacht-Audorf. Ich bin gelernte Gesundheits- und Krankenpflegerin und habe vor 6 Jahren die Diagnose MS erhalten. Gemeinsam mit meinem Freund habe ich zwei Hasen und zwei Katzen.
Schon immer wollte ich Krankenpflegerin werden, da mich alles rund um Medizin interessiert. Der Wunsch tauchte das erste Mal auf, als ich in der siebenten Klasse war, hatte also rein gar nichts mit meiner Diagnose zutun.
Diagnose und aktueller Status
Was war der Anlass für die Diagnose MS und wie schnell stand sie fest?
Zuerst war mein rechter Fuß taub und ich dachte ich habe einen Bänderriss, war damit auch in der Notaufnahme und sie sagten mir das es nichts ernstes sei. Ein Tag später dann wurde auch mein rechter Arm taub, daraufhin bin ich zum Hausarzt und habe eine Überweisung zum ambulanten Neurologenbekommen.
Der damalige Freund meiner Schwester, Pfleger auf der Intensivstation, versorgte mir direkt einen Termin beim Neurologen.
Als ich dann beim Neurologen war, untersuchte mich dieser und dort stellte sich heraus, dass auch meine ganze rechte Seite von dem Taubheitsgefühl betroffen war.
Daraufhin wurde ich ins Krankenhaus eingewiesen. Erst konnte die Diagnose nicht offiziell gestellt werden, da die Herde kein Kontrastmittel aufnahmen.
Einen Monat später kam ein neuer Schub. Und dann teilte mir eine sehr junge Ärztin die Diagnose Multiple Sklerose mit. Meiner Schwester Sarah erzählte ich damals als Erstes von der gesicherten Diagnose.
Wie hast Du die Diagnose aufgefasst?
Ich habe die Verdachtsdiagnose, damals gar nicht richtig wahrnehmen können. Es fühlte sich an, als ob ein Zug durch meinen Kopf fährt. Meine damalige Mitpatientin fragte mich, als die Ärzte rausgegangen waren, ob ich ein Wort davon verstanden habe. Hatte ich natürlich nicht. Sie sagte: „Willkommen im Club, du wirst auch Multiple Sklerose haben.“
Ich glaubte, da zunächst gar nicht dran. Einen Monat später kam der zweite Schub mit denselben Symptomen. Wie zuvor dachte ich erst, es wird nichts sein und es wird wieder nur dasselbe im MRT zusehen sein. Dann aber kam die gesicherte MS Diagnose. Ich bin in Tränen ausgebrochen.
Wie hat Dein Umfeld darauf reagiert – Familie, Freunde?
Meine Schwester Sarah, war die erste die es erfahren hat. Ich sagte es ihr einfach trocken heraus, als sie mich besuchte. Sie war den Tränen nahe.
Meine Mama gab sich lange selber die Schuld daran, dass ich erkrankt bin, und sie denkt immer noch, sie hätte früher etwas merken müssen.
Mein Vater hat mich zunächst auch viel sensibler behandelt und hat sich auch viel mit der Erkrankung auseinandergesetzt.
Meine Familie unterstützt mich unglaublich doll und ist immer für mich da, dafür bin ich unendlich dankbar. Mein jetziger Freund, Lars, geht supereinfühlsam mit mir um und versucht, sich sehr viel mit der Krankheit auseinanderzusetzen, und achtet darauf, dass ich regelmäßig zum Arzt gehe und meine Medikamente wie vorgeschrieben nehme.
Es gibt leider aber auch viele Freunde, die sich eher zurückgezogen haben, nachdem ich krank geworden bin.
Meine beste Freundin Anette ist, was die Erkrankung angeht, sehr aufmerksam und spricht viel mit mir darüber, wir kennen uns schon ein lebenslang.
Ich muss sagen, dass alle die ich in meinem Umfeld habe sehr gut mit meiner Erkrankung umgehen und dafür bin ich sehr dankbar.
Hast Du symptomatische Therapieangebote oder Reha genutzt oder machst das weiterhin?
Ich war schon zweimal zur Reha, was immer total gut tat. Einmal war ich in Damp und einmal in Bad Bramstedt.
Demnächst möchte ich möchte wieder eine Reha beantragen, da ich das in Moment echt gut gebrauchen kann.
Musstest Du bisher schon die Therapie wechseln? Wenn ja, warum?
Ich hatte zuerst Tysabri und nehme jetzt Tecfidera 240mg morgens und abends ein. Ich war einfach unzufrieden mit dem Tysabri aufgrund von Nebenwirkungen und empfand diese Eskalationstherapie einfach zu doll für mein Alter.
Wie geht es Dir aktuell mit der MS?
Aktuell geht es mit weitgehend gut mit der MS, ich leide aber sehr an Depressionen und Minderwertigkeitskomplexen, die ich mit Medikamenten und einer ambulanten Psychotherapie zum Glück zunehmend in den Griff bekomme.
Außerdem leide ich sehr an der Fatigue und häufigeren Pseudoschüben. Mein Körper zeigt mir zurzeit oft meine Grenzen.
Ich bin auch ein sehr großer Tollpatsch, aber das auch schon mein Leben lang. Die MS hat es allerdings nochmal stärker ausgeprägt. Das ist aber eine Sache, mit der man umgehen kann. Außerdem ist es immer lustig mit mir!
Einfluss aufs Leben
Welchen Ausblick hat Dir damals Dein Neurologe gegeben und wie empfandest Du das?
Der Neurologe fragte mich damals, nachdem die Diagnose gestellt war, was ich beruflich später machen möchte. Ich berichtete, dass ich Krankenpflegerin werden will. Er wies mich sofort zurecht, dass ich diese Ausbildung mit der Diagnose nicht mal schaffen würde und ich mir das aus dem Kopf schlagen sollte. Ich war danach todunglücklich. Also holte ich zunächst mein Abitur nach, war damit aber so unglücklich, das ich dies nach einem Jahr abgebrochen habe und dann doch versuchte die Ausbildung zu schaffen. Heute sieht man an mir, dass man doch Krankenpflegerin werden kann mit MS. Ich war sogar eine der besten aus meinem Jahrgang.
Erhältst Du mehr Zuspruch für Deine Pläne von Deinem aktuellen Neurologen?
Mein aktueller Neurologe ist sehr zuversichtlich und steht total hinter mir und ist begeistert von meinem Mut.
Welche Reaktionen gab es auf der Arbeit zu Deiner Diagnose oder eventueller Einschränkungen?
Ich ging von Anfang an offen und ehrlich mit der Diagnose um, gleich von Anfang an meiner Ausbildung. Zunächst wurde ich wie alle anderen behandelt bis ich während der Ausbildung zwei Schübe hatte. Die Schule hat daraufhin meine Arbeitszeiten geändert, sodass ich keinen Schichtwechsel mehr hatte, und ich bekam eine 5-Tage-Woche. Das hat mir damals total gutgetan.
Jetzt arbeite ich wieder im Schichtdienst und habe meine Arbeitszeit auf 30 Stunden die Woche reduzieren müssen, da ich nicht mehr schaffe. Meine Kollegen gehen alle echt rücksichtsvoll mit mir um, bis auf einige wenige, denen es egal ist und die mich ausnutzen.
Hast Du Dinge in Deinem Leben aufgrund der Diagnose umgestellt?
Ich habe meine Ernährung umgestellt und esse so gut wie kein Fleisch. Zudem versuche ich viel auf Zucker zu verzichten.
Ich versuche, immer Ruhephasen für mich einzubauen im Alltag, die leider immer mit einem schlechten Gewissen verbunden sind.
Wie blickst Du auf Deine Zukunft und haben sich Deine beruflichen und privaten Pläne verändert?
Meine beruflichen Pläne haben sich insofern geändert, dass ich später gerne in einer Pflegeschule arbeiten würde. Ich mache gerade auch die passende Weiterbildung zur Praxisanleiterin dafür.
Darüber hinaus spiele ich oft mit dem Gedanken nochmal etwas zu studieren. Ich empfinde es, gerade als MSler wichtig, dass man sich Gedanken um die Zukunft macht und man immer einen Plan B im Hinterkopf hat.
Tipps
Was war der tiefste Punkt für Dich und wie hast Du Dich wieder herausgekämpft?
Es gab viele Rückschläge innerhalb der 6 Jahre. Einer der größten war am Ende letzten Jahres mit einer starken Depression. Für die Bewältigung habe ich mir Hilfe gesucht und war lange krankgeschrieben. Teilweise kämpfe ich immer noch, um aus dieser Depression herauszukommen.
Meine Familie und mein Freund sind dabei einfach eine unglaubliche Stütze für mich.
Welchen Tipp kannst Du anderen geben, die frisch die Diagnose erhalten und die womöglich ähnlich negative Ratschläge zu ihrer beruflichen Karriere erhalten wie Du?
Wenn man es niemals ausprobiert, kann man nie wissen, ob man es nicht doch schafft. Denn wenn man etwas wirklich will, gibt es oft Wege, um seine Träume zu erreichen. Seid einfach mutig. Seid ehrlich mit Euren Einschränkungen.
Wünsche und Ziele
Gibt es einen großen unerfüllten Wunsch?
Ich würde gerne für eine kurze Zeit in Afrika als Krankenschwester arbeiten. Außerdem wünsche ich mir, später ein schönes Haus zu haben mit einem riesigen Garten und einer schönen Badewanne. Zu dem Haus wünsche ich mir eine Familie, die nicht nur aus Kindern und meinem jetzigen Freund besteht, sondern auch noch Tiere mit einschließt, um die man sich gemeinsam kümmert. Das alles am liebsten in Nachbarschaft meiner beiden Geschwister.
Welche Entwicklung wünschst du Dir im Bereich der MS in den kommenden 5 Jahren?
Blitzlicht-Runde
Was war der beste Ratschlag, den du jemals erhalten hast?
Wie lautet dein aktuelles Lebensmotto?
Mit welcher Person würdest du gern einmal ein Kamingespräch führen und zu welchem Thema?
Vervollständige den Satz: „Für mich ist die Multiple Sklerose... “
Welche Internet-Seite kannst du zum Thema MS empfehlen?
Welches Buch oder Hörbuch, das du kürzlich gelesen hast, kannst du uns empfehlen und worum geht es darin?
Verabschiedung
Hast du einen Tipp, den Du Deinem jüngeren Ich geben würdest, für den Zeitpunkt der Diagnose?
Möchtest du den Hörerinnen und Hörern noch etwas mit auf dem Weg geben?
Ihr seid einfach die beste Familie, die man sich vorstellen kann, und ihr geht mit mir, egal wie es mir geht, richtig um!
Wo findet man dich im Internet?
Vielen Dank, liebe Franzi für die gewährten Einblicke, gerade auch in die schweren und dunklen Seiten des Lebens mit MS. Toll, wie Du es geschafft hast Dich wieder herauszukämpfen. Weiterhin alles Gute auf Deinem Weg.
Bis bald und mach das beste aus Deinem Leben,
Nele
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Hier findest Du eine Übersicht zu allen bisher interviewten MS-Patienten.
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