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#207: Multiple Sklerose – nur Mut! Interview mit Autor und MS-Patient Farouk Martini

Farouk Martini erhielt 2016 die Diagnose Multiple Sklerose und war damals noch ein gutes Stück entfernt von dem Mut, den er heute anderen Betroffenen mitgeben möchte. Er kam damals beim Wunsch nach einer Beratung zufällig direkt mit Dr. Sabine Schipper, der Geschäftsführerin des DMSG Landesverbandes NRW in Kontakt. Die beiden verstanden sich gut und Jahre später kam es zur Zusammenarbeit am Buch „Multiple Sklerose – nur Mut!“, indem neben der emotionalen Erfahrung von Farouk auch namhafte MS-Spezialisten aus Nordrhein-Westfalen fachliche Aspekte näher beleuchten.

Herausgekommen ist ein kurzweiliges Buch, das aufgelockert durch grafische Elemente ein guter Begleiter auf dem Weg zu mehr Akzeptanz und Verständnis der Multiplen Sklerose sein kann.

Das komplette Interview kannst Du als Podcast hören und eine kürzere Version gibt es in schriftlicher Form zum Nachlesen.

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Inhaltsverzeichnis

Vorstellung Farouk Martini

Farouk Martini wurde in Aleppo in Syrien geboren. Sein Vater migrierte in den 60er Jahren zum Studium nach Deutschland. Dort heiratete er Farouks deutsche Mutter. Gemeinsam wanderten sie nach Syrien aus. Sie lebten immer im Wechsel – Deutschland / Syrien. Schließlich blieben sie in Norddeutschland, bei Bremen in Delmenhorst, wo Farouk dann auch eingeschult wurde.
Heute wohnt Farouk in einer dörflicher Gegend im Bergischen Land, bei Köln.
Er ist verheiratet und widmet sich in seiner Freizeit dem Musik machen, Fotos machen, dem Schreiben und geht mit seinem Hund spazieren.

Diagnose und aktueller Status

Wann erhieltest du die Diagnose MS und was war der Anlass dafür?

Anfang 2016 habe ich meine Diagnose bekommen. Dass etwas nicht in Ordnung war, war mir aufgefallen, als ich nicht mehr so lange spazieren gehen konnte und immer mal über meine Schuhspitze gestolpert bin.

Hattest du bereits vorher Symptome, die du rückblickend mit der MS zu tun hatten?

Ich war immer schon viel unterwegs, Fahrradfahren, lange Spaziergänge, war immer hellwach und fit. Keine Symptome, die ich je wahrgenommen hätte. Aber dann, wenn ich genau nachdenke, hatte ich einmal gelbe Blitze im Sichtfeld. Dazu hatte ich für mein Buch mal so Fotos gemacht und die verfremdet im Photoshop, dass man sich das vielleicht als Nicht-betroffener vorstellen kann.

Wie hast du die Diagnose aufgefasst und wie war es für deine Liebsten?

Ich war ja im Krankenhaus auf der Neurologie. Eine Woche lang Diagnostik. Ich wusste schon irgendwie, dass sich da etwas anbahnt. Um mich herum Schlaganfall-Patienten (Stroke-Unit) – und ich glaube, das war der Grund dafür, dass ich meine Diagnose relativ gefasst aufgenommen habe.

Aber auch, weil der Arzt mir diese Nachricht völlig über-sachlich mitgeteilt hat. Meine Art mit so etwas umzugehen war aber auch schon immer: erstmal aufnehmen, abwarten, beobachten, Ruhe bewahren. Also, ich habe erstmal das Internet leer gelesen. Meine Frau war „einfach“ da (und das ist gut so).

Wurden dir zu Beginn verlaufsmodifizierende Therapien empfohlen und wie hast du dich entschieden?

Ja, wurden mir empfohlen. Ich habe mich anfangs aber gegen alle MS-Medikamente entschieden. Ich habe zunächst Ernährung und Lebensstil verändert. Keine Medikamente.

Hast du bereits einen Therapiewechsel hinter dir und wenn ja, was war der Anlass dafür?

Ja, mehrere Wechsel, nachdem ich mich dann doch dazu entschlossen hatte MS-Medikamente zu nehmen. Anlass für die Wechsel waren jeweils Entzündungsaktivitäten / Schübe, die ich hatte. Und zwar trotz des jeweils aktuellen Medikaments. Also: „ein anderes / stärkeres muss her:“

Nutzt du symptomatische Therapieangebote? Wenn ja, welche?

Ja. Ich mache Sport, hauptsächlich Kraftsport, bewege mich so viel wie möglich.

Wie hast du nach der Diagnose deinen Lebensstil angepasst?

Ich habe Stress reduziert. Keine Hetzereien mehr. Alles mit Ruhe. Ich ernähre mich deutlich besser. Ich nehme das Leben bewusster wahr. Betreibe keinen Raubbau mehr an meinem Körper.

Wie blickst du auf Deine Zukunft und haben sich deine beruflichen und privaten Pläne verändert?

Wir wissen ja alle nicht, was noch kommt. Was morgen sein wird. Ob die Zeit, die man mit dem Planen seines Lebens verbringt, nicht verschwendet ist? Ich mache keine großen Pläne. Ich habe gerne Ideen. Und dann mach’ ich das. Ohne Plan. Ohne Kosten-Nutzen-Rechnung. Ohne Zurückhaltung und Vernunft. Und das habe ich alles erst gelernt mit meiner MS.

Was war dein tiefster Punkt mit der MS und wie hast du dich wieder rausgekämpft?

Vor längerer Zeit bin ich gestürzt, in der Wohnung, ganz unspektakuläre Situation, einfach „zack“ aus dem Gleichgewicht gekommen und auf den harten Boden geknallt. Ergebnis: Mittelhandbruch. Das kann ja jedem passieren, Unfall, Knochen brechen usw. Nichts, was einem nur passiert, wenn man MS hat.

Trotzdem hat das doch mehr mit mir gemacht. Es hat mir gezeigt, wie verletzlich alles ist. Und es hat mich daran erinnert und mir noch bewusster gemacht, wie sehr ich mein Tempo, meine Bewegungen, meine Achtsamkeit im Alltag an die Veränderungen, die die MS mit sich bringt anpassen muss.

Das hat mich lange beschäftigt. Meine Hand war viel länger „out-of-order“ als üblich. Aber vor Allem das neu Erlernen mich zu bewegen. Vorsichtiger, langsamer, nicht mehr so hoppla-hopp-mal-eben-schnell.

Und das war auch der Moment, wo ich für mich einsehen musste, dass ich einen Rollator brauche. Das war ein großer Schritt für mich. Und hat mich viel Zeit und Kraft gekostet, das alles zu akzeptieren.

Wie geht es dir aktuell mit der MS?

Gut.

Über das Buch „Multiple Sklerose – nur Mut!"

Wie entstand die Idee zum Buch?

Ich hatte Lust ein Buch zu machen. An das Schreiben bin ich ja durch das Bloggen gekommen. Um alles mit meiner Diagnose, mit den Veränderungen, Gedanken und Ängsten, zu verarbeiten, zu bewältigen, zu reflektieren, einfach mit all dem fertig zu werden, hatte ich damals alles aufgeschrieben. Tagebuch schreiben, wenn du so willst.

Und dann hab ich irgendwann angefangen, das auf einen Blog zu stellen. Das hat mir unheimlich geholfen. Und ich hab dann irgendwann gemerkt, dass ich auch manchen Menschen, die das gelesen haben, was ich schreibe, helfe. Und dass ich manchen Menschen Mut gemacht habe. Und da hab’ ich überhaupt erst verstanden, wie wichtig es ist, Mut zu haben, Mut zu behalten, mutig zu sein! Nicht im Sinne einer Mutprobe (Bungee-Jumping oder so). Sondern im Sinne von Zuversicht.

Egal was kommt, ganz gleich, wie schrecklich es zu werden scheint: Mut haben! Nicht um durchzuhalten. Nicht um den Kampf zu gewinnen. Sondern nicht zu vergessen, dass immer auch etwas dabei sein wird, das gut ist. Immer! Das ist der Mut, den ich meine.

Und ich habe damals mit der Frau Dr. Schipper telefoniert. Sie ist Geschäftsführerin der DMSG, Landesverband NRW. Damals, in diesem Gespräch, war dieser Funke entstanden. Und etwa zwei Jahre später war aus diesem Funken ein Startschuss geworden.

Was ist das Konzept von „Multiple Sklerose – nur Mut!“?

Auf der einen Seite: Erfahrung und Erlebnisse mit der MS. Emotional. Persönlich. Aus meinem eigenen individuellen Erleben.

Auf der anderen Seite: Der fachliche, medizinische, wissenschaftliche Hintergrund. Anschaulich erklärt, so dass man alles gut verstehen und nachvollziehen kann.

Die Struktur: Wie eine Art Zeitleiste: vom ersten Erkennen an, dass da etwas nicht stimmt, über Diagnose, Therapie, Lebensveränderung, Bewältigung, bis hin zum Ausblick in ein anderes Leben – aber eben mit Zuversicht und mit Mut!

Wer hatte die Federführung im Projekt?

Die Buch-Idee, die Struktur, die Story, das Feeling, die Perspektive eines direkt Betroffenen (also meine), der Titel, Texte und auch Fotos: aus meiner Feder. Und auch ist das Buch ein gemeinsames Projekt von der DMSG-NRW und mir. Kleines Team. Super Zusammenarbeit. Das hat wahnsinnigen Spaß gemacht. Und das alles in zielführender, professioneller Projektarbeit. Das war ein tolles Erlebnis!

Welche Gastbeiträge gibt es?

Durch diese zweiseitige Sichtweise ergeben sich viele Gastbeiträge. Von bekannten und namhaften Expert:innen aus Medizin und Wissenschaft. Zum Beispiel das Vorwort von Prof. Berlit, das macht mich besonders stolz. Gastbeitragende sind alle aufgeführt. Und sie bereichern mein Buch, mehr als ich mir je erhofft hätte!

Was möchtest du mit dem Buch bei LeserInnen bewirken?

Ich möchte Mut machen. Mein Wunsch ist: Dass die Leser:innen Zusammenhänge der MS besser verstehen (Symptome, deren Ursachen und Erklärungen). Und deutlich machen, wie wichtig es ist, eine positive Grundhaltung zu haben. Zuversicht und Mut zu haben. Das Leben zu nehmen, wie es ist. Weil es einfach so ist.

Wie war diese intensive Auseinandersetzung mit der MS für das Buchprojekt für dich?

Intensiv, konzentriert, fokussiert, anstrengend aber auch bereinigend.

Wünsche und Ziele

Hast du einen großen unerfüllten Wunsch?

Nein. Aber das Leben schenkt mir jeden Tag neue Wünsche, die ich mir vielleicht erfüllen darf.

Welche Entwicklung wünschst du dir im Bereich der MS in den kommenden 5 Jahren?

Ich wünsche mir, dass alle Menschen mit MS gesund werden.

Blitzlicht-Runde

Was war der beste Ratschlag, den du jemals erhalten hast?

“Sei du selbst. (Denn es ist das, was nur du am Besten kannst.)“

Wie lautet dein aktuelles Lebensmotto?

“Für das einstehen, was du bist.“

Mit welcher Person würdest du gern einmal ein Kamingespräch führen und zu welchem Thema?

Christian Wulff, Bundespräsident a.D., ihn durfte ich persönlich kennenlernen auf dem letzten DMSG Jahresevent in Berlin. Da durfte ich auftreten mit Lesen und Singen (Duo Gitarre und Gesang) und da war natürlich auch Herr Christian Wulff, der ja der Schirmherr der DMSG ist. Und das war wirklich toll! Ein Gespräch auf Augenhöhe. Sehr cooler Mann, nicht abgehoben, ich habe einfach mit ihm gequatscht.

Und das würde ich gerne noch einmal länger und in Ruhe am Kamin machen. Und da könnten wir über alles reden, kann ich mir vorstellen, so am Kamin. 🙂

Vervollständige den Satz: „Für mich ist die Multiple Sklerose... “

Veränderung.

Welche Internet-Seite kannst du zum Thema MS empfehlen?

Welches Buch oder Hörbuch, das du kürzlich gelesen hast, kannst du uns empfehlen und worum geht es darin?

“The Boy, the Mole, the Fox and the Horse“ von Charlie Mackesy

Was macht es für mich so besonders? Meine Nichte hat es mir zum Geburtstag geschenkt. Sie ist Buchhändlerin, versteht was von guten Büchern! 😉

Und es ist ein wundervolles Buch. Mit bezaubernden Zeichnungen. Und einer berührenden Geschichte. Über einen Jungen, einen Maulwurf, einen Fuchs und ein Pferd. Mehr vermag ich gar nicht zu sagen. Es ist ein Buch, was im Gesamten auf mich gewirkt hat und immer noch wirkt und viel in mir bewegt. Empfehlung!

Abschluss

Hast du einen Tipp, den du deinem jüngeren Ich geben würdest, für den Zeitpunkt der Diagnose?

Was auch immer…alles mit Ruhe.

Möchtest du den Hörerinnen und Hörern noch etwas mit auf dem Weg geben?

Wenn du an dich glaubst, ist ALLES möglich. Glaub’ an dich.

Wo findet man dich im Internet?

Mein Blog: www.msnaiv.de
Instagram: @faroukmartini_msnaiv.de
Podcast: „Mia und Farouk – Dein ehrlicher MS-Talk.“ (Spotify, Apple Podcast etc.)

Vielen Dank an Farouk Martini für all die Mühen rund ums Buch und den offenen Einblick in sein Leben mit Multipler Sklerose und weiterhin alles Gute auf dem Weg.

Schau Dir auch gern nochmal den Blogbeitrag inklusive Podcastfolge mit Dr. Sabine Schipper vom DMSG Landesverband NRW and erfahre mehr über deren Angebote.

Bis bald und mach das Beste aus Deinem Leben,
Nele

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Hier findest Du eine Übersicht zu allen bisherigen Podcastfolgen.

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